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RA Digital - 10/2017

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506 Zivilrecht

506 Zivilrecht RA 10/2017 10.08.2011 wurde der dingliche Rechtserwerb der K vollendet, sodass sie seitdem Eigentümerin des Grundstücks ist. II. Besitz des B B ist unmittelbarer Besitzer der Praxisräume gem. § 854 I BGB. III. Kein Recht zum Besitz B könnte allerdings gem. § 986 I 1 Alt. 1 BGB gegenüber K zum Besitz berechtigt sein, wenn zwischen beiden ein Mietverhältnis i.S.d. §§ 535 ff. BGB besteht. 1. Mietvertrag vom 27.05.2003 Am 27.05.2003 schlossen B und die H-GmbH einen formwirksamen Mietvertrag gem. §§ 535, 550 S. 1, 578 II BGB über eine zum Betrieb einer Zahnarztpraxis genutzten Immobilie. Der Übergang des Mietverhältnisses nach § 566 BGB verlangt Identität zwischen Vermieter und Veräußerer. § 578 II BGB Hier veräußerte nicht der Vermieter. Vermieterin war die H-GmbH. Veräußert hat die Eigentümerin G-GmbH. 2. Übergang gem. §§ 566 I, 578 II BGB Dieses Mietverhältnis könnte gem. § 566 I BGB auf K übergegangen sein. Danach tritt der Erwerber eines Hausgrundstücks anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein. „II.1. a) Mit dem Eigentumsübergang entsteht ein neues Mietverhältnis zwischen dem Erwerber des Grundstücks und dem Mieter mit dem gleichen Inhalt, mit dem es zuvor mit dem Veräußerer bestanden hat.“ Gem. § 578 II BGB findet die Vorschrift auch auf Mietverhältnisse über Räume Anwendung, die nicht Wohnräume darstellen. Zu den Geschäftsräumen zählen solche Räume, die nach dem Zweck des Vertrags zu gewerblichen oder freiberuflichen Zwecken angemietet werden. Die Zahnarztpraxis des B stellt einen solchen Geschäftsraum dar. „II.1. a) Nach seinem Wortlaut findet § 566 I BGB allerdings nur dann Anwendung, wenn das vermietete Grundstück durch den Vermieter veräußert wird. § 566 I BGB ist deshalb grds. nur bei Identität zwischen Vermieter und Veräußerer unmittelbar anwendbar.“ Jura Intensiv Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt. „II.1.a) bb) Nach den getroffenen Feststellungen war Vermieterin der Räumlichkeiten allein die H-GmbH. Hingegen hat die G-GmbH das Grundstück an K veräußert.“ Eine unmittelbare Anwendung des § 566 I BGB scheidet daher aus. 3. Übergang analog §§ 566 I, § 578 II BGB Umstritten ist, ob § 566 I BGB bei fehlender Identität zwischen Eigentümer, Veräußerer und Vermieter entsprechend angewendet werden kann. Die h. M. wendet § 566 BGB hingegen bei fehlender Identität unter engen Voraussetzungen analog an. „II.2.a) aa)Teilweise wird eine entsprechende Anwendung des § 566 BGB bei Nichterfüllung des Identitätserfordernisses grds. abgelehnt. II.2.a) bb) Die überwiegende Auffassung hält dagegen eine analoge Anwendung der Vorschrift jedenfalls dann für geboten, wenn nach den Umständen des Falls davon ausgegangen werden kann, dass die Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 10/2017 Zivilrecht 507 Vermietung mit Zustimmung des Eigentümers erfolgt ist, etwa wenn der Mietvertrag vom Hausverwalter im eigenen Namen, aber für Rechnung des früheren Grundstückseigentümers abgeschlossen wurde. II.2. b) Mit dem Berufungsgericht ist der Senat der Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 566 I BGB jedenfalls dann vorliegen, wenn die Vermietung des veräußerten Grundstücks mit Zustimmung des Eigentümers und in dessen alleinigem wirtschaftlichen Interesse erfolgt und der Vermieter kein eigenes Interesse am Fortbestand des Mietverhältnisses hat. II.2.b) aa) Eine Gesetzeslücke i.S.e. planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes liegt vor. Ob eine derartige Lücke vorhanden ist, die im Wege der Analogie ausgefüllt werden kann, ist vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrundeliegenden Regelungsabsicht zu beurteilen. Das Gesetz muss also, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, unvollständig sein. Aus dem Wortlaut des § 566 I BGB ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 566 I BGB eine abschließende Regelung dahingehend treffen wollte, den Mieter nur dann bei einem Eigentumswechsel an der Mietsache zu schützen, wenn die Identität zwischen Vermieter und Veräußerer gewahrt ist.“ „Dass § 566 BGB nach dem Regelungsplan des Gesetzgebers auch auf andere Sachverhalte Anwendung finden sollte, in denen ein Mieter Gefahr läuft, aufgrund eines Wechsels der dinglichen Berechtigung an dem Mietgegenstand sein Besitzrecht zu verlieren, zeigt zudem die Vielzahl an Vorschriften, die eine Verweisung auf die §§ 566 ff. BGB anordnen (vgl. § 581 II [Pacht]; § 567 S. 1 BGB [Belastung des Wohnraums durch den Vermieter]; §§ 1056 I, 1059d BGB [Nießbrauch], § 2135 BGB i.V.m. § 1056 BGB [Nacherbfolge]; § 37 WEG [Dauerwohnrecht]; § 11 ErbbauRG [Erbbaurecht] und § 57 ZVG [Zwangsversteigerung]). II.2.b) bb) Es besteht auch die für eine Analogie erforderliche Vergleichbarkeit der Sachverhalte. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. So liegen die Dinge hier. Der in § 566 BGB geregelte Eintritt des Erwerbers in ein bestehendes Mietverhältnis dient dem Schutz des Mieters, dem eine Wohnung, ein Grundstück (§ 578 I BGB) oder gewerblich genutzte Räume (§ 578 II 1 BGB) aufgrund eines wirksamen Mietvertrags überlassen worden sind. Die ihm dadurch von seinem Vertragspartner eingeräumte Rechtsstellung - der berechtigte Besitz - soll ihm auch gegenüber einem späteren Erwerber des Grundstücks erhalten bleiben. II.2.b) bb) Dieser Gesetzeszweck greift indes nicht nur dann, wenn das Mietobjekt unmittelbar vom Eigentümer des Mietobjekts gemietet wird, sondern auch dann, wenn ein Nichteigentümer den Mietvertrag im eigenen Namen, aber mit Zustimmung des Eigentümers abschließt. Zwar hat der Mieter auch in diesen Fällen aus dem Mietvertrag kein unmittelbar gegen den Eigentümer wirkendes Recht zum Besitz. Er kann sich jedoch gem. § 986 I 1 Alt. 2 BGB auf ein von seinem Vermieter abgeleitetes Besitzrecht berufen. Der Eigentümer, der die Fremdvermietung seines Grundstücks gestattet, räumt demjenigen, der als Vermieter auftritt, regelmäßig ein Besitzrecht und die Berechtigung zur Gebrauchsüberlassung Jura Intensiv Die Vermietung des veräußerten Grundstücks muss mit Zustimmung und alleinigem wirtschaftlichen Interesse des Eigentümers erfolgt sein. Darüber hinaus darf der Vermieter kein eigenes Interesse am Fortbestand des Mietverhältnisses haben. Der Senat schließt aus der zahlreichen Rechtsnormen, welche auf § 566 BGB verweisen, auf einen Regelungsplan des Gesetzgebers, nachdem diese Mieterschutzvorschrift bei Wechsel der dinglichen Berechtigung gelten soll. Deshalb soll man in der hier streitgegenständlichen Situation auf eine planwidrige Regelungslücke schließen dürfen. Bejaht wird auch die Vergleichbarkeit der Sachverhalte. Folglich liegen die Analogievoraussetzungen nach Ansicht des Senates vor. Der Gesetzeszweck greift hier auch im Fall der fehlenden Identität von Veräußerer und Vermieter ein. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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