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RA Digital - 10/2018

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546 Referendarteil:

546 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 10/2018 LEITSÄTZE 1. Die Regelung des zulässigen Ausmaßes von Tätowierungen bei Polizeibeamten bedarf einer hinreichend bestimmten parlamentsgesetzlichen Grundlage, die im Land Berlin fehlt. 2. Bis zu einer ausdrücklichen Entscheidung des Gesetzgebers über das zulässige Ausmaß von Tätowierungen sind Polizeibeamte im Land Berlin ohne Rücksicht auf anderslautende dienstliche Vorschriften berechtigt, jedenfalls solche Tätowierungen zu tragen, die nach ihrem Sinngehalt nicht gegen andere beamtenrechtliche Pflichten verstoßen. 3. Eine Tätowierung als solche kann ohne parlamentsgesetzliche Grundlage der Einstellung eines Bewerbers in den Polizeivollzugsdienst nicht entgegengehalten werden, auch wenn sie durch Dienstbekleidung nicht verdeckt wird. Das VG Berlin hat hier einen unkonventionellen Aufbau gewählt, der so in der Klausur keinesfalls übernommen werden sollte. Vielmehr ist der allgemein anerkannte Aufbau zu wählen: Unter I. ist der Tatbestand und unter II. sind die Entscheidungsgründe darzustellen. Zustände und Beschreibungen, die die Gegenwart betreffen, werden in der Geschichtserzählung im Indikativ Präsens wiedergegeben. Übrige Geschichtserzählung: Indikativ Imperfekt Die Motive müssten hier näher beschrieben werden, da sie auch in den Entscheidungsgründen erläutert werden (Tatbestand als Spiegelbild der Entscheidungsgründe). Hier wäre noch der Vortrag des Antragstellers zu ergänzen (Konjunktiv Präsens). Der Hinweis „wörtlich“ signalisiert die Auslegungsbedürftigkeit des Antrags. Richtig muss es heißen: „ …, ihm vorläufig einen Ausbildungsplatz…“. Ein häufiger, aber leicht zu vermeidender Fehler! Unzulässige Vermischung von Tatbestand und Entscheidungsgründen (s. oben). In einer Klausur wären hier der Antrag des Antragsgegners (Indikativ Präsens) sowie etwaiges Vorbringen des Antragsgegners (Konjunktiv Präsens) wiederzugeben. Speziell für Referendare Problem: Einstellung in den Polizeivollzugsdienst trotz großflächiger Tätowierung Einordnung: Beamtenrecht/Grundrechte VG Berlin, Beschluss vom 23.07.2018, 5 L 248.18 OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.08.2018, OVG 4 S 36.18 EINLEITUNG Das Verwaltungsgericht Berlin hatte in einem Eilverfahren über einen Antrag auf Zulassung zum Auswahlverfahren für den Polizeivollzugsdienst zu entscheiden. Der Antragsgegner hatte eine Zulassung des Bewerbers mit dem Hinweis auf dessen großflächige und sichtbare Tätowierungen abgelehnt. Das Gericht hat sich in seiner Entscheidung insbesondere mit der Frage auseinandergesetzt, auf welcher Rechtsgrundlage Bewerbern Tätowierungen als Einstellungshindernis entgegengehalten werden können. GRÜNDE „Der 26 Jahre alte Antragsteller ist am linken Arm und der linken Schulter, dem Handgelenk rechts und dem rechten Unterarm tätowiert. Er bewarb sich um die Einstellung in den Vorbereitungsdienst des mittleren Polizeivollzugsdienstes der Berliner Schutzpolizei zum Einstellungstermin 3. September 2018. Aufgrund der in dem polizeilichen Einstellungstest erreichten Prüfungsergebnisse belegte er einen der zur Einstellung vorgesehenen Ranglistenplätze. Nach weiterer Prüfung teilte der Polizeipräsident in Berlin dem Antragsteller mit Schreiben vom 24. Mai 2018 mit, seine Einstellung sei ausgeschlossen. Die auf dem linken Unterarm befindlichen Tätowierungen seien nicht zulässig. Sie seien in dienstlicher Sommerkleidung sichtbar und enthielten Motive, die aufgrund ihres Gesamterscheinungsbildes, insbesondere ihrer Größe und ihrer Motivvielfalt, geeignet seien, die Repräsentationsziele der Polizei zu beeinträchtigen. Eine Einstellung komme nur in Betracht, falls der Antragsteller seine Tätowierungen entfernen lasse. Jura Intensiv Dagegen hat der Antragsteller am 22. Juni 2018 Klage erhoben und zugleich um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Sein wörtlicher Antrag, im Wege der einstweiligen Anordnung den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig einen Ausbildungsplatz im Auswahlverfahren für die Ausbildung für den mittleren Dienst der Berliner Schutzpolizei zum Einstellungstermin 03.09.2018 freizuhalten, bis über seine Bewerbung abschließend entschieden wurde, dem Antragsgegner aufzugeben, die dem Kläger im Auswahlverfahren zugeordnete Ranglistenplatznummer mitzuteilen und diesen Ranglistenplatz dem Kläger vorzubehalten, bis über seine Bewerbung abschließend entschieden worden ist, hat – recht verstanden – nach Maßgabe des Entscheidungstenors Erfolg. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 10/2018 Referendarteil: Öffentliches Recht 547 I. Das Rechtsschutzziel des Antragstellers ist entgegen des durch die gestellten Anträge vermittelten Anscheins auf die ausgesprochene vorläufige Zulassung zum Auswahlverfahren der von ihm angestrebten Polizeilaufbahn gerichtet. Die Kammer ist bei ihrer Entscheidung gemäß der Vorschriften des § 122 VwGO in Verbindung mit §§ 88, 86 Abs. 3 VwGO nicht an die wörtliche Fassung des tatsächlich gestellten Antrags gebunden, sondern hat das Begehren zu ermitteln, dem der gestellte Antrag Gestalt zu geben versucht. Dabei ist auch die Interessenlage des Antragstellers zu berücksichtigen, soweit sie sich aus dem Beteiligtenvortrag oder sonstigen für das Gericht und den Antragsgegner als Empfänger der Prozesserklärung erkennbaren Umständen ergibt. Insbesondere in einstweiligen Rechtsschutzverfahren, in denen die rechtliche Präzision vor der Grenze der oft notwendigen Beschleunigung steht, ist bei der Auslegung des Rechtsschutzziels ein großzügiger Maßstab angezeigt. Gleiches gilt für die Verwirklichung des Rechtsschutzziels im Entscheidungsausspruch. Nach der auf den Erlass einstweiliger Anordnungen über § 123 Abs. 3 VwGO entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 938 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bestimmt das Gericht nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zwecks – d.h. des Rechtsschutzzieles – erforderlich sind. Daran gemessen, konnte die Entscheidung der Kammer an dem wörtlich gestellten Antrag nicht haften bleiben. Der Antragsteller begründet seinen Antrag zum Schluss des Schriftsatzes vom 22. Juni 2018 mit dem Hinweis, ein mehrmonatiges oder gar jahrelanges Zuwarten sei ihm nicht zumutbar, weil ihm erhebliche Nachteile drohten, wenn er die Ausbildung erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnen könne. Danach zielt der Antragsteller erkennbar darauf, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Voraussetzungen wiederherzustellen, unter denen seine Einstellung zum gewünschten Einstellungstermin am 3. September 2018 in Betracht kommt. Dahingehend ist der von dem Antragsteller wörtlich benannte Antrag nicht sachdienlich. Die danach (vermeintlich) beantragte Freihaltung eines Ausbildungsplatz bzw. Ranglistenplatz bis zur abschließenden Entscheidung über seine Bewerbung ist nicht geeignet, das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers zu verwirklichen. Wird dem Antragsteller ein Ausbildungsplatz freigehalten, kommt seine Einstellung zu dem begehrten Einstellungstermin nur in Betracht, soweit die Ausbildung noch nicht so weit vorangeschritten ist, dass er noch nachzurücken vermag. Dies ist grundsätzlich nur im ersten Ausbildungsmonat der Fall, innerhalb dessen ein Hauptsacheverfahren erfahrungsgemäß nicht abgeschlossen sein wird. Ohnehin vermag der Antragsteller über das bloße Freihalten eines Platzes bis zu einem späteren Termin nicht die durch die spätere Einstellung ihm entstehenden Nachteile abzuwenden. Jura Intensiv Der Verwirklichung des recht verstandenen Begehrens des Antragstellers in dem durch sein Vorbringen gesteckten Rahmen dient die tenorierte vorläufige Zulassung zum weiteren Auswahlverfahren für diesen Einstellungstermin. Einem noch weiteren Verständnis seines Rechtsschutzziels – auf unmittelbare Verpflichtung zur Einstellung in den Vorbereitungsdienst – gibt das Vorbringen des Antragstellers Auslegung des Antrags muss in einer Klausur zu Beginn der Gründe zu II. erfolgen. Antrag ist so auszulegen, dass der Antragsteller effektiven Rechtsschutz erhält. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.1.2009, 5 S 21.08, juris Rn 2; Beschluss vom 15.6.2012, 12 S 172.17, BA S. 4 Nach Darlegung der allgemeinen Grundsätze folgt die Subsumtion des konkreten Sachverhalts. Weitere Formulierungsmöglichkeiten zur Einleitung der Subsumtion: „Hiernach ...“; „Unter Anwendung dieser Maßstäbe ...“ Begründung, warum der wörtlich gestellte Antrag nicht sinnvoll ist Der Tenor lautete: „Der Antragsgegner wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, den Antragsteller vorläufig weiter zum Auswahlverfahren für die Einstellung in den Vorbereitungsdienst des mittleren Polizeivollzugsdienstes der Schutzpolizei zum Einstellungsdatum 3. September 2018 zuzulassen.“ © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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