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RA Digital - 10/2018

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510

510 Zivilrecht RA 10/2018 Der Erfolg und nicht die Tätigkeit wird geschuldet, weshalb ein Werkvertrag vorliegt. I. Wirksamer Reinigungsvertrag Zwischen den Parteien ist am 07.03.2015 ein Vertrag über eine Fahrzeugreinigung des klägerischen Fahrzeugs zustande gekommen. Bei diesem Vertrag handelt es sich um einen Werkvertrag i.S.d. § 631 BGB. II. Pflichtverletzung Weiterhin müsste B eine vertragliche Nebenpflicht i.S.d. § 241 II BGB verletzt haben. Der BGH bezeichnet die Schutzpflicht i.S.d. § 241 II BGB als „Nebenpflicht“ – so verwenden wir den Begriff auch im Jura Intensiv Kursprogramm. Terminologisch müssen Schutzpflichten, die rechtsgeschäftlich entstehen von den deliktischen Verkehrssicherungspflichten abgegrenzt werden, auch wenn der BGH ihnen hier den gleichen Inhalt zukommen lässt. In der Examensklausur müssen Sie in jedem Fall eine Prüfung des § 823 I BGB folgen lassen. Zwar wirkte hier das Verhalten eines Dritten am Schadensereignis mit, den Anlagenbetreiber trifft jedoch eine umfassende Schutzpflicht zur Verhinderung von Schäden an den Fahrzeugen seiner Kunden. Der Anlagenbetreiber muss zwar nicht jede abstrakte Gefahr abwehren, aber die Sicherheitsvorkehrungen treffen, die geeignet und zumutbar sind, um Schäden seiner Kunden zu vermeiden. „[12] Aus einem solchen [Reinigungs-] Vertrag folgt als Nebenpflicht die Schutzpflicht des Anlagenbetreibers, das Fahrzeug des Kunden vor Beschädigungen beim Waschvorgang zu bewahren. Zutreffend ist, dass Verkehrssicherungspflichten innerhalb eines Vertragsverhältnisses zugleich Vertragspflichten sind und dass die auf den Besteller eines Werkvertrags bezogene Verkehrssicherungspflicht des Unternehmers nicht weiter geht als die werkvertragliche Schutzpflicht des Unternehmers. [14] Nach der Rspr. des BGH hat der Schädiger - über den Wortlaut des § 280 I 2 BGB hinaus - sich nicht nur hinsichtlich seines Verschuldens zu entlasten, sondern er muss auch darlegen und ggf. beweisen, dass ihn keine Pflichtverletzung trifft, wenn die für den Schaden in Betracht kommenden Ursachen allein in seinem Gefahrenbereich liegen. [15] Der Schaden des K ist nicht allein durch den automatisierten Waschvorgang unter Einsatz des von B verwendeten und in Gang gesetzten Schleppbands verursacht worden. Vielmehr liegt ein maßgeblicher Verursachungsbeitrag darin, dass der Fahrer des vorausfahrenden Fahrzeugs grundlos gebremst und damit den automatisierten Waschvorgang gestört hat. Der hier zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich damit von Fällen, bei denen das Fahrzeug des geschädigten Waschstraßennutzers durch ein am Waschvorgang beteiligtes Teil der Waschstraße (z.B. eine Rotationsbürste) beschädigt wird. [16] Die Annahme des Berufungsgerichts, B habe keine Schutzpflicht verletzt, hält indes der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. [17] Nach st. Rspr. des BGH ist derjenige, der eine Gefahrenlage - etwa durch den Betrieb einer Waschstraße - schafft, grds. verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Anlagenbetreiber für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. [18] Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 II BGB) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 10/2018 Zivilrecht 511 Daher reicht es aus, diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise - hier der Betreiber von Waschstraßen - für ausreichend halten darf, um andere Personen - hier die Kunden - vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind. Die Zumutbarkeit von Sicherungsvorkehrungen bestimmt sich dabei unter Abwägung der Wahrscheinlichkeit der Gefahrverwirklichung, der Gewichtigkeit möglicher Schadensfolgen und der Höhe des Kostenaufwands, der mit etwaigen Sicherungsvorkehrungen einhergeht. [20] Ohne Erfolg wendet [B] ein, dass die Waschstraße den anerkannten Regeln der Technik entspricht, dass technische Sicherungsvorkehrungen, die ein Auffahren bei einem Bremsvorgang des vorausfahrenden Fahrzeugs verhindern könnten, bei derartigen Anlagen nicht üblich und dass derartige technische Sicherungsvorkehrungen nicht marktgängig sind. [21] Nicht zu beanstanden ist die Annahme, eine Schutzpflicht sei nicht deshalb verletzt, weil B nicht für eine ununterbrochene Überwachung der Anlage - sei es durch den Einsatz einer Videoanlage sei es durch Mitarbeiter, die neben dem Schleppband mitlaufen - gesorgt hat. [23] Eine so weitgehende Schutzpflicht würde die berechtigten Verkehrserwartungen überspannen, die anhand der konkreten Umstände, insbesondere der Gefahrgeneigtheit der betriebenen Anlage zu bemessen sind. Solche Maßnahmen sind wegen des damit verbundenen technischen und/oder personellen Aufwands nicht zumutbar und unverhältnismäßig. Das gilt insbesondere deshalb, weil Schadensereignisse der vorliegenden Art mit geringen Kollisionsgeschwindigkeiten allenfalls geringe Sachschäden verursachen, deren Vermeidung den notwendigen Personal- und Materialeinsatz nicht rechtfertigt. An die Benutzung einer automatisierten Waschstraße - wie hier - stellen die beteiligten Verkehrskreise nicht die Anforderung, durchgehend von einem Mitarbeiter unmittelbar oder per Video überwacht zu werden. [24] Das Berufungsgericht hat indes nicht berücksichtigt, dass eine Schutzpflichtverletzung in Betracht kommen kann, wenn B gebotene Hinweise bezüglich der Benutzung der Waschstraße nicht erteilt hat. [25] Der Schutz der Rechtsgüter der Benutzer erfordert es, dass von dem Betreiber der Waschstraße nicht nur die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik verlangt wird. Sind - wie hier - Schädigungen zu besorgen, wenn die Kunden bei der Nutzung der Anlage - zwar selten, aber vorhersehbar - nicht die notwendigen Verhaltensregeln einhalten, muss der Betreiber in geeigneter Weise darauf hinwirken, dass kein Fehlverhalten vorkommt. Den Betreiber einer Waschstraße trifft deshalb die Pflicht, die Benutzer der Anlage in geeigneter und ihm zumutbarer Weise über die zu beachtenden Verhaltensregeln zu informieren.“ Jura Intensiv Inhaltlicher Maßstab der Nebenpflicht Der Umstand, dass die Waschanlage dem Stand der neuesten Technik genügte, reicht als Entlastungsbeweis nicht aus. Der BGH fordert keine dauerhafte Videoüberwachung oder dauerpräsente Aufsichtspersonen in der automatischen Waschanlage. Der Anlagenbetreiber ist im vorliegenden Fall seiner Pflicht, die Benutzer auf die zur Vermeidung eines Schadens erforderlichen Verhaltensregeln hinzuweisen, nicht nachgekommen. Der Betreiber muss die Kunden also darüber aufklären, dass sie nicht bremsen dürfen. Mangels gegenteiliger Angaben im Sachverhalt ist davon auszugehen, dass B dem Fahrer des vorausfahrenden Fahrzeugs keine Hinweise zur Benutzung der Waschstraße und der bei einem Bremsen während des Schleppvorgangs drohenden Gefahren erteilt hat. Die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht i.S.d. § 241 II BGB liegt daher vor. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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