Aufrufe
vor 4 Jahren

RA Digital - 10/2019

  • Text
  • Strafrecht
  • Angeklagten
  • Stgb
  • Anspruch
  • Recht
  • Verlags
  • Inhaltsverzeichnis
  • Urteil
  • Jura
  • Intensiv
Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

516 Zivilrecht

516 Zivilrecht RA 10/2019 Obhutspflichtverletzung Damit wird der Anspruch aus §§ 280 I, 241 II BGB hier nicht von der den strengeren Voraussetzungen unterliegenden Anspruchsgrundlage aus §§ 280 I, III, 281 I 1 BGB verdrängt. Aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme erwachsen Pflichten zur Obhut fremder Sachen. B hatte das Mietobjekt in Obhut und verletzte mit dem Abriss der Tapeten seine Obhutspflicht. Eine Pflichtverletzung gem. § 241 II BGB liegt vor. III. Vertretenmüssen Indem B die Tapeten vorsätzlich abriss und vorsätzlich eine Neutapezierung unterließ, hat B diese Pflichtverletzung auch gem. §§ 280 I 2, 276 BGB zu vertreten. Die abgerissenen Tapeten waren wertlos. Sie abzureißen begründete keinen Schaden. Wer dem Handwerk aufgeschlossen gegenübersteht, denkt aus Erfahrung mit Schaudern an die undankbare, leider nötige und nicht selten stundenlang anhaltende Qual des Tapetenabreißens. In Wirklichkeit hat B der K mit dem Abreißen der 30 Jahre alten und wertlosen Mustertapete einen Gefallen getan. Wer schon einmal eine Wohnung zu einem angemessenen Mietpreis vermietet hat, weiß, dass dies mit einem solchen „Tapeten-Schätzchen“ nicht möglich ist – zumindest nicht ohne Abstriche beim Mietpreis und der Bonität der Mieter. IV. Kausaler, ersatzfähiger Schaden Fraglich ist, ob K ein Schaden entstanden ist. Unter Schaden versteht man eine unfreiwillige Vermögenseinbuße im Sinne der §§ 249 ff. BGB. [16] Von Rechtsirrtum beeinflusst ist jedoch die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Klägerin sei - unabhängig vom Alter und Zustand der vom Beklagten entfernten Tapetenteile - ein Schaden in Höhe von 80 % der Kosten entstanden, die für eine Neutapezierung der betreffenden Wände erforderlich wären. [17] Die Revision verweist mit Recht darauf, dass (…) der Beklagte geltend gemacht, dass die vorhandene Dekoration angesichts ihres Alters und Zustandes ohnehin wertlos gewesen und aus diesem Grund durch das Entfernen einiger abgelöster Tapetenteile überhaupt kein Schaden entstanden sei. (…) [18] Die Überlegung des Berufungsgerichts, der Klägerin sei - unabhängig vom Zustand und Alter der Tapeten - deshalb ein Schaden fast in Höhe des Neuwerts entstanden, weil der Beklagte „in die Entscheidungsfreiheit der Klägerin“ eingegriffen habe, geht fehl. Es ist nicht im Ansatz nachvollziehbar, inwiefern - wie vom Berufungsgericht erwogen - die durch die Schädigungshandlung des Beklagten angeblich vereitelte Möglichkeit der Klägerin, das Haus nach Beendigung des Mietverhältnisses mit dem Beklagten mit einer renovierungsbedürftigen Dekoration weiter zu vermieten, es rechtfertigen könnte, den Wert einer völlig verschlissenen Dekoration fast mit dem Neuwert anzusetzen. Jura Intensiv Folglich besteht mangels Schadens auch kein Anspruch der K gegen B aus §§ 280 I, 241 II BGB. B. Anspruch K gegen B aus § 823 I BGB Aus demselben Grund hat K gegen B auch keinen Schadensersatzanspruch aus § 823 I BGB. C. Ergebnis K hat gegen B keinen Anspruch auf Schadensersatz. FAZIT Gibt der Mieter ein Mietobjekt aufgrund der Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauchs i.S.d. § 538 BGB an den Vermieter zurück, kann er ohne Fristsetzung zum Schadensersatz gem. §§ 280 I, 241 II BGB verpflichtet sein. Das Entfernen wertloser Tapeten, die ohnehin hätten entfernt werden müssen, begründet keinen Schaden. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 10/2019 Zivilrecht 517 Problem: Vollziehung der Schenkung zu Lebzeiten durch über den Tod hinaus wirkende Vollmacht Einordnung: BGB AT, Schuldrecht, Erbrecht Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 04.09.2019 4 U 128/17 (leicht verkürzt sowie leicht abgewandelt) EINLEITUNG Ein vereinsamter Senior verspricht mündlich einem „Kümmerer“, dieser solle nach seinem Tod einen Gegenstand erhalten. Der Senior stirbt, der Kümmerer ist in Besitz der Sache, die Erben verklagen ihn auf Herausgabe. Wer denkt jetzt nicht an die typischen Fallgestaltungen rund um § 2301 BGB? Das Urteil des Brandburgischen OLG verdeutlicht einmal mehr, dass in der Praxis die Probleme oft im Faktischen statt im Rechtlichen liegen. SACHVERHALT K ist Erbe der 2014 verstorbenen, kinderlosen Erblasserin (W) und verlangt von B die Herausgabe eines Betrages von 191.774,65 €, hilfsweise die Zahlung von Schadensersatz, bzw. Wertersatz in gleicher Höhe. Bei dem Geldbetrag handelt es sich um Mittel, die sich B nach dem Tod der W von deren drei Sparkonten vor folgendem Hintergrund hat auszahlen lassen. W lebte bis zu ihrem Tod allein in ihrer Wohnung. Am 07.02.2014 erteilte W der Beklagten mit notariell beurkundeter Erklärung eine General- und Vorsorgevollmacht, die u. a. auch die Berechtigung umfasste, von den auf den Namen der W lautenden „Konten bei Banken und Sparkassen Geldbeträge abzuheben und Überweisungen vorzunehmen sowie Konten aufzulösen“, wobei Schenkungen nur in dem Rahmen erlaubt sein sollten, der auch einem Betreuer nach §§ 1908i, 1804 BGB gestattet ist. Die Vollmacht galt über den Tod hinaus, sollte aber von W oder nach ihrem Ableben von ihren Erben widerrufen werden können. Die Urkunde enthielt keine Hinweise darauf, dass B nach dem Tod der W hinaus persönliche Vorteile sollte ziehen dürfen. Nachdem W verstorben war, schloss B unter Vorlage der Vollmacht im Namen der noch unbekannten Erben im Wesentlichen im Zeitraum zwischen dem 29.07.2014 und dem 14.11.2014 die Sparkonten der W bei der Bank und ließ sich die jeweiligen Guthabenbeträge auszahlen. K behauptet, B habe die Sparbücher erst nach dem Tod der W an sich genommen. B behauptet, sie sei in den letzten 14 Lebensjahren die einzige Bezugsperson der W gewesen. Es habe deren Willen entsprochen, dass sie und ihre in die Versorgung der W einbezogenen Kinder als Dank für die Unterstützung und Pflege letztlich das gesamte Vermögen der Erblasserin erhalten sollten. Die Sparbücher seien ihr von der Erblasserin bereits im Januar 2014 übergeben worden. Dies sei jeweils mit dem Hinweis erfolgt, dass die Beklagte hierüber frei verfügen dürfe. K verlangt von B Zahlung von 191.774,65 €. Zu Recht? Jura Intensiv LEITSATZ DER REDAKTION Fehlt es bereits an einem, und sei es auch formunwirksamen, (schuldrechtlichen) Schenkungsversprechen im Sinne des § 516 BGB oder § 2301 BGB, kommt es auf die Frage, ob eine Vollziehung i.S.d. § 2301 Absatz 2 mithilfe einer über den Tod hinaus wirkenden Vollmacht möglich ist, nicht mehr an. Beachten Sie diesen entscheidenden Aspekt des Falles. Die Bank hat das Geld aufgrund dieser Vollmacht an B ausgezahlt. LÖSUNG A. Anspruch des K gegen B auf Herausgabe des Eigentums und des Besitzes der erlangten Bargeldsumme in Höhe von 191.774,65 € gem. § 812 I 1 1. Fall. BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Herausgabe des Eigentums und Besitzes an der erlangten Bargeldsumme haben. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

RA - Digital

Rspr. des Monats