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RA Digital - 10/2019

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524 Referendarteil:

524 Referendarteil: Zivilrecht RA 10/2019 Problem: Rechtswirkung der Ausschlagung der Nacherbschaft für Ersatznacherben Einordnung: Erbrecht, Sachenrecht LG Bremen, Urteil vom 19.08.2019 2 O 179/19 LEITSATZ Die tatsächliche Vermutung gemäß § 2142 II BGB kann widerlegt sein, wenn die pflichtteilsberechtigten Nacherben eines Stammes ihr Nacherbenrecht ausschlagen, der Pflichtteilsanspruch nicht werthaltig ist und der Erblasser Ersatznacherben berufen hat. Bange machen gibt´s nicht! In Ruhe durchatmen und eine Skizze anfertigen. Wenn die Familienverhältnisse verstanden sind, ist der Fall wirklich gut nachvollziehbar. Wichtig: Aufgrund der Vor-/Nacherbenregelung gemäß § 2100 BGB vermengen sich die Vermögensmassen der Ehegatten nicht, Palandt/ Weidlich, § BGB, 2100 Rn 2. Sie bleiben „Sondervermögen, Die Erbfolge der F ist daher irrelevant, da die Kläger Rechte aus der Erbenstellung bzgl. des E geltend machen und mit dem Tod der F originär dessen Erben (E) geworden sind. Ausschlagung der Nacherbschaft der Kinder des E gemäß § 2142 I BGB Keine Rechtsfähigkeit der Erbengemeinschaft: Rubrum: beide Kläger aufführen! Palandt/Weidlich, BGB § 2032 Einf. Rn 1 EINLEITUNG Im vorliegenden Fall streiten sich die Enkel des Erblassers als Ersatznacherben mit dem beklagten Grundstückseigentümer um die Frage, ob die letzte Ehefrau des Erblassers als befreite Vorerbin unentgeltlich ein zum Nachlass des Erblassers zugehöriges Grundstück an den Beklagten hat veräußern dürfen. Die Besonderheit des Falles liegt darin, dass die eigentlichen Nacherben die Nacherbschaft ausgeschlagen haben. Die Entscheidung zeigt, wie die gesetzliche Vermutung des § 2142 II BGB widerlegt werden kann. TATBESTAND Die Kläger zu 1) (K1) und zu 2) (K2) sind Miterben in der Erbengemeinschaft der Nacherben des Erblassers (…) (E). E errichtete am 20.08.1976 in (…) gemeinsam mit seiner dritten Ehefrau (F) ein gemeinschaftliches Testament. Darin setzte E die F als seine befreite Vorerbin ein und bestimmte zu seinen Nacherben seine Töchter T1 (aus erster Ehe), T2 und T3 (beide aus zweiter Ehe). T2 ist die Mutter der K1 und T3 die der K2. Zu seinen Ersatznacherben bestimmte E die Abkömmlinge seiner Kinder zu gleichen Teilen, folglich K1 und K2. E war bei Errichtung des zuvor genannten Testaments alleiniger Eigentümer an dem Grundstück (…) eingetragen im Grundbuch des AG (…). E verstarb am 05.02.1978. T1, T2 und T3 schlugen das Nacherbenrecht gegenüber dem Nachlassgericht aus. Der Nachlass war überschuldet, wobei die Höhe streitig ist. Das zuvor bezeichnete Grundeigentum wurde aufgrund eines Erbscheins vom 14.09.1979 auf F übertragen. Am 26.04.2016 übertrug F das Grundeigentum an dem streitgegenständlichen Grundstück mit notariellem Übertragungsvertrag schenkungsweise auf den Beklagten (B). Bei diesem handelt es sich um einen Sohn einer der Nacherbinnen der F. Am 04.10.2016 verstarb F, woraufhin das gemeinschaftliche Testament vom 20.08.1976 erneut eröffnet wurde. Mit anwaltlichem Schreiben vom 22.06.2017 forderten K1 und K2 den B erfolglos auf, die streitgegenständlichen Grundstücke auf die Erbengemeinschaft, bestehend aus K1 und K2, zu übertragen. Jura Intensiv K1 und K2 sind der Ansicht, ihnen stehe aufgrund des Nacherbenfalles ein Rückübertragungsanspruch gegen B in Bezug auf das streitgegenständliche Grundstück zu. F als befreite Vorerbin habe nicht schenkungsweise über den Grundbesitz verfügen dürfen. Wegen der Ausschlagung der (Nach-) Erbschaft durch T1, T2 und T3 (Kinder des E) seien K1 und K2 als deren Abkömmlinge als Nacherben nachgerückt. Dies ergebe sich aus der testamentarischen Ersatznacherbenregelung. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 10/2019 Referendarteil: Zivilrecht 525 K1 und K2 beantragen, B zu verurteilen, hinsichtlich des Grundeigentums, eingetragen im Grundbuch des AG (…), Grundstück lfd. Nr. (…), die Grundbuchberichtigung dahingehend zu bewilligen, dass K1 und K2 in Erbengemeinschaft Eigentümer sind. Der Antrag ist falsch, entspricht aber dem in der Originalentscheidung und auch dem originalen Hauptsachetenor. Hierzu mehr in den Entscheidungsgründen B beantragt, die Klage abzuweisen. B behauptet, T1, T2 und T3 hätten – aufgrund der Überschuldung des Nachlasses – vergeblich Pflichtteilsansprüche in Höhe von 60.000 DM geltend gemacht. Diese Verpflichtung sei aber später kompensiert worden. F habe eine Verbindlichkeit des E zur Zahlung von Zins- und Tilgungsleistungen auf eine Hypothek für das Haus seiner zweiten Ehefrau (E2) erfüllt, wozu F nicht verpflichtet gewesen sei. T1, T2 und T3 sowie F hätten eine Einigung dahingehend getroffen, dass nach der erfolgten Tilgung dieser Verbindlichkeit ihre Pflichtteilsansprüche befriedigt seien. Ferner ist B der Ansicht, dass K1 und K2 kein Anspruch aus der Nacherbschaft zusteht. Die Übertragung des streitgegenständlichen Grundeigentums sei am 26.04.2016 wirksam erfolgt. Die Ersatznacherbenfolge durch K1 und K2 habe nicht dem tatsächlichen oder hypothetischen Willen des E entsprochen, weil die T1, T2 und T3 die Nacherbschaft - unstreitig - ausgeschlagen hätten. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die Klage ist zulässig und begründet. Der klägerische Antrag ist als Prozesshandlung auslegungsfähig, sodass zu ermitteln ist, worauf das Begehren der Kläger tatsächlich gerichtet ist. Entgegen dem Antrag auf Grundbuchberichtigung meinen die Kläger, ihnen stehe aus Bereicherungsrecht ein Anspruch auf Auflassung gemäß § 925 I BGB des streitgegenständlichen Grundstückes sowie auf Bewilligung der Eintragung in das entsprechende Grundbuch gemäß § 19 GBO zu. Der Anspruch besteht gemäß § 816 I 2 i.V.m. § 2113 II 1 BGB. Derjenige, der durch die unentgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten (F) über einen Gegenstand unmittelbar einen rechtlichen Vorteil erlangt (B), ist den Berechtigten (K1 und K2) gegenüber zur Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten verpflichtet. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Durch den Abschluss des Übertragungsvertrages vom 26.04.2016 zwischen F und B liegt eine unentgeltliche Verfügung des streitgegenständlichen Grundeigentums vor, durch welche der B unmittelbar einen rechtlichen Vorteil erlangt hat. Zudem handelte F als Nichtberechtigte. Der Berechtigung zur unentgeltlichen Übertragung des Grundeigentums mit Übertragungsvertrag vom 26.04.2016 steht § 2113 II BGB entgegen, wonach die unentgeltliche Verfügung eines Vorerbens über ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück im Falle des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam ist, als eine solche das Recht des Nacherben vereitelt oder beeinträchtigt. Eine derartige Beschränkung oder Vereitelung der Nacherbschaft liegt auf Seiten der Kläger vor. Jura Intensiv [28] Die tatsächliche Vermutung des § 2142 Abs. 2 BGB sieht das Gericht hier allerdings als widerlegt an. Es geht im Wege einer Gesamtschau davon aus, dass der Erblasser nach seinem mutmaßlichen Willen „ein anderes“ im Sinne der zuvor genannten Norm bestimmt hat. Auslegung des Antrages der Kläger. Klage allein auf Auflassung wäre ebenfalls rechtlich ausreichend, da die grundbuchrechtliche Erklärung als mitenthalten gilt, Hügel/Holzer, GBO, § 19 Rn 12. Achtung wegen des Begriffs „Grundbuchberichtigung“ in der Originalentscheidung. Kein Anspruch gemäß § 894 BGB. Der Antrag wäre unbegründet. Das Grundbuch ist nicht falsch. Die Übereignung des Grundstückes durch F an B ist wirksam. Es besteht lediglich ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Herbeiführung einer anderen dinglichen Rechtslage. § 816 I 2 BGB - rechtl. Vorteil des Dritten (B) (+) - unentgeltliche Verfügung (+) - F als Nichtberechtigte (+) grds. wegen § 2142 II BGB (-) gesetzl. Vermutung widerlegt (+) - Wirks. d. Verf. ggü. Dritten (B) (+) § 2142 II BGB (lesen!) Vermutung, dass entgegen der „normalen“ gesetzl. Erbfolge gem. § 1953 II BGB hier nicht die Abkömmlinge der ausschlagenden Erben zur Erbschaft berufen sind. Auslegungskriterium für die Willenserklärung des Erblassers ist dessen mutmaßlicher Wille, statt vieler: BGH, NJW 2019, 2317. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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