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RA Digital - 10/2019

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538 Referendarteil:

538 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 10/2019 Klageerhebung: Indikativ Perfekt Klagebegründung: Konjunktiv Präsens Vorfeld nicht angemeldet. Der polizeiliche Einsatzleiter entschied daraufhin, den Zugang zum Stadion zu verschließen, um die geplanten Kontrollen zu ermöglichen. [...] Per Lautsprecherdurchsage teilte die Polizei den Fans mit, dass die Capes abzulegen seien, bevor der Zugang zum Innenbereich des Stadions gewährt werden könne. Die Fans weigerten sich jedoch zunächst, dieser Forderung Folge zu leisten und verharrten unmittelbar vor bzw. in den Sektoren der Vereinzelungsanlage. Dadurch entstand ein erheblicher Druck nachrückender Fans auf den Zugang zum ersten Sektor der Vorsperre. Da die Polizei ein gewaltsames Überwinden der Absperrungen befürchtete, drohte sie mehrfach den Einsatz eines Wasserwerfers an. In der Zone vor der Vereinzelungsanlage befanden sich zu dieser Zeit noch mehrere hundert Gästefans, die von dem Geschehen im vorderen Bereich keine Kenntnis hatten. Die einsatzbegleitende Einheit der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Duisburger Polizei veröffentlichte um 17.44 Uhr über den offiziellen Twitter-Account der Polizei Duisburg (@polizei_nrw_du) einen Beitrag. Dieser lautete: „#MSVFCM Stau am Gästeeingang, einige Fans haben sich Regencapes angezogen, um die Durchsuchung zu verhindern.“ Beigefügt war ein um 17.36 Uhr aufgenommenes Foto, das zum Großteil mit Regencapes bekleidete Fans an den Eingangsschleusen des Gästebereichs zeigte. Der Tweet wurde in der Folgezeit gelöscht. [...] Laut Auskunft des Deutschen Wetterdienstes vom 21. November 2017 fiel am 24. Februar 2017 in der Zeit von 17.30 Uhr bis 18.00 Uhr an der 13 km Luftlinie südlich der Schauinsland-Reisen-Arena liegenden Messstation kein Niederschlag. Mit Schreiben vom 12. August 2017 wandte sich die Klägerin an den Beklagten und forderte von diesem Schadenersatz in Höhe von 150,00 Euro, da sie durch den Tweet als eine Person dargestellt worden sei, die berechtigte polizeiliche Maßnahmen verhindere. Im Übrigen habe sie keine Einwilligung zur Veröffentlichung eines Bildnisses ihrer Person erteilt. Der Beklagte lehnte dieses Ansinnen ab, da das Absetzen des Tweets unter die allgemeine Pressefreiheit falle. Darüber hinaus sei die Klägerin auf dem Lichtbild nicht erkennbar. Jura Intensiv Die Klägerin hat am 6. Oktober 2017 Klage erhoben. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend: Bei dem veröffentlichten Tweet handele es sich um einen rechtswidrigen Verwaltungsakt. Sie sei durch die Maßnahme in ihren Rechten aus § 22 KunstUrhG verletzt und habe ein Restitutionsinteresse. Sie habe keine Einwilligung zur Veröffentlichung des Bildes erteilt. Nach dem Absetzen des Tweets sei sie von zahlreichen Personen angesprochen und gefragt worden, warum sie denn eine Durchsuchung habe verhindern wollen und ob sie etwas zu verbergen gehabt habe. Die Absendung des Tweets stelle auch einen Verstoß gegen § 43 LBG NRW dar. Aufgrund dieser Vorschrift erfolge das Betreiben eines Twitter-Accounts durch die Polizei. Hierzu gehörten auch Äußerungen von Pressesprechern einer Behörde, zu denen ein dazu beauftragter twitternder Beamter zähle. Die Öffentlichkeitsarbeit des Staates unterliege dem Neutralitätsund Sachlichkeitsgebot. Dieses sei vorliegend verletzt worden, da der Tweet das Geschehen wahrheitswidrig darstelle. Weder sie noch die anderen Fußballfans hätten die Absicht gehabt, die Durchsuchung zu verhindern. Es habe keine sachliche Grundlage dafür gegeben, den Fans diese Absicht zu unterstellen. [...] Das Überziehen eines durchsichtigen Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 10/2019 Referendarteil: Öffentliches Recht 539 bzw. weißen Capes könne eine Durchsuchung einer Person etwas erschweren, es sei jedoch nicht geeignet, die Durchsuchung zu verhindern. [...] In dem Tweet sei ein Geschehnis ohne sichere Tatsachenbasis vorschnell und voreingenommen dargestellt worden. Der Tweet stelle eine subjektive Äußerung mit suggestiver Wirkung dar, die das in der Öffentlichkeit bestehende Bild der gewalttätigen und konfliktsuchenden Fans befeuere. Eine solche Darstellung sei mit der sachlichen und wahrheitsgemäßen Berichterstattungspflicht der Polizei nicht vereinbar. [...] Die Klägerin beantragt, festzustellen, dass die - unter dem offiziellen Account @polizei_nrw_du durchgeführte - Maßnahme des Beklagten am 24. Februar 2017 - das Absetzen eines Tweet in dem sozialen Netzwerk Twitter mit der Formulierung: [...] unter Einbindung eines Lichtbildes, auf dem auch sie in einem Regencape bekleidet gewesen ist (Zeit der Absetzung des Tweets 17:44 Uhr), rechtswidrig gewesen ist. Das beklagte Land beantragt, die Klage abzuweisen. Zu Begründung trägt es im Wesentlichen vor: Die Klage sei bereits unzulässig, da sie sich gegen das Polizeipräsidium Duisburg und damit gegen den falschen Beklagten richte. Zudem sei die gewählte Klageart nicht statthaft. Eine Feststellungsklage nach § 43 VwGO komme nicht Betracht, da eine solche Klage das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses voraussetze. Das Absenden eines Tweets stelle weder ein Rechtsverhältnis dar, noch werde ein solches dadurch begründet. Der Tweet stelle auch keinen Verwaltungsakt dar, da es an einer Regelungswirkung fehle. [...] Die Feststellungsklage sei zudem gemäß § 43 Abs. 2 VwGO subsidiär. [...] Ein Rehabilitationsinteresse der Klägerin bestehe nicht. Sie sei auf dem verfahrensgegenständlichen Lichtbild nicht zu erkennen. Es werde daher mit Nichtwissen bestritten, dass die Klägerin mehrfach auf das Foto und ihre in diesem Zusammenhang stehende Tätigkeit angesprochen worden sei. Die Klägerin sei auch nicht in ihrem Recht aus § 22 KunstUrhG verletzt. Von dem Grundsatz, dass ein Bildnis nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden dürfe, griffen vorliegend zwei Ausnahmen. Es sei § 23 Abs. 1 Nr. 3 KunstUrhG einschlägig, da die Person während der Teilnahme an einer Versammlung oder einem Aufzug ähnlichen Vorgang gezeigt werde. Zudem habe die Polizei gemäß § 24 KunstUrhG zum Zwecke der öffentlichen Sicherheit gehandelt. Die Aktion habe sich aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht so dargestellt, dass sie ausschließlich zur Erschwerung der Durchsuchungsmaßnahmen ausgeführt worden sei. Eine abweichende Interpretation ließen Ort und Zeit des Geschehens nicht zu. [...] Die Regencapes seien auch geeignet gewesen, die Feststellung der Identität von Personen in Menschenmengen bei Einsatz von Kameras zumindest zu erschweren, zum Teil sogar vollständig zu verhindern. Die Polizei habe die Personen auch deshalb identifizieren müssen, um die Einhaltung der Bereichsbetretungsverbote kontrollieren zu können. Ferner sei auch gegen das Verbot der Teilnahme an einer öffentlichen Veranstaltung unter freiem Himmel in einer Aufmachung, die geeignet und darauf gerichtet sei, die Feststellung der Identität zu verhindern, Jura Intensiv Anträge: Indikativ Präsens Beklagtenvorbringen: Präsens Konjunktiv Da die Frage nach dem richtigen Beklagten in den Entscheidungsgründen nicht problematisiert wird, ist dieser Einwand auch nicht im Tatbestand zu erwähnen • Verstoß gegen das sog. Spiegelbildlichkeitsprinzip. Das ist in einer Klausur unbedingt zu vermeiden. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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