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RA Digital - 10/2020

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508 Zivilrecht

508 Zivilrecht RA 10/2020 II. Zwischenergebnis Somit besteht kein Anspruch auf Schadensersatzanspruch aus § 823 II BGB i.V.m. Art. 6 I, 27 I EG-FGV oder Art. 5 VO 715/2997/EG. B. Anspruch aus § 823 II BGB i.V.m. § 263 StGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 823 II BGB i. V. m. § 263 StGB haben. Lies zur Täuschung des Organs und des verfassungsmäßig berufenen Vertreters BGH, RA 2020, 337. Fraglich ist, ob Stoffgleichheit des rechtswidrig erschlichenen Vermögensvorteils und dem Vermögensschaden gegeben ist. Was Stoffgleichheit bei § 263 StGB bedeutet, sollten alle Kandidaten wissen. Um Stoffgleichheit festzustellen, muss zunächst feststehen, was genau der Vermögensschaden des K ist. Definition Vermögensschaden § 263 StGB Dies ist nicht nur ein entscheidender Aspekt des Urteils, sondern auch der Grund, warum die Redaktion erneut einen VW-Fall ins Heft aufnimmt: Wegen Art. 103 GG und des daraus folgenden Analogieverbotes bestehen Unterschiede beim Begriff des Vermögensschadens bei § 826 BGB (siehe RA 2020, 337 ff.) und § 263 StGB. I. Schutzgesetzverletzung § 263 StGB schützt die individuellen Vermögensinteressen des Betrogenen vor den Folgen des betrügerischen Handelns und ist damit ein Schutzgesetz. Fraglich ist, ob B im vorliegenden Fall K betrogen hat. Dies setzt voraus, dass sämtliche objektiven und subjektiven Merkmale des Betrugstatbestands im Sinne von § 263 I StGB erfüllt sind. Ob K durch ein Verhalten eines verfassungsmäßig berufenen Vertreters im Zusammenhang mit der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung (…) in strafrechtlich relevanter Weise getäuscht worden ist und ob die Täuschung fortgewirkt und auch noch im August 2016 beim Kläger einen strafrechtlich relevanten Irrtum erregt hat, kann dahinstehen, wenn es an der Bereicherungsabsicht und der in diesem Zusammenhang erforderlichen Stoffgleichheit des erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteils mit einem etwaigen Vermögensschaden fehlt. [19] Der subjektive Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB setzt die Absicht voraus, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Dabei müssen der vom Täter erstrebte Vermögensvorteil und der verursachte Vermögensschaden einander „spiegelbildlich“ entsprechen (...), das eine muss also „gleichsam die Kehrseite des anderen“ sein (…). Dazu müssen erstrebter Vermögensvorteil und eingetretener Vermögensnachteil durch dieselbe Vermögensverfügung vermittelt sein (…). Der Vorteil muss dem Täter oder dem Dritten direkt aus dem geschädigten Vermögen zufließen (…). Für die Absicht, einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, genügt es, dass es dem Täter auf den Vermögensvorteil als sichere und erwünschte Folge seines Handelns ankommt, mag auch der Vorteil von ihm nur als Mittel zu einem anderweitigen Zweck erstrebt werden (…), etwa weil es sich bei ihm um ein notwendiges Zwischenziel zur Erreichung eines Endziels handelt (.). Jura Intensiv Um dies beurteilen zu können, muss feststehen, dass K einen Vermögensschaden erlitten hat. [21] Ein Vermögensschaden im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des Gesamtwerts seines Vermögens führt. Die Bewertung des Vermögensschadens im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB erfolgt nach objektiven wirtschaftlichen Gesichtspunkten. § 263 StGB schützt weder das bloße Affektionsinteresse noch die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit noch die Wahrheit im Geschäftsverkehr, sondern allein das Vermögen (…). Entgegen der Ansicht der Revision liegt daher allein im Abschluss eines Vertrages, den der Betroffene ohne die Täuschung nicht geschlossen hätte, noch kein Vermögensschaden im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB (…). Im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 10/2020 Zivilrecht 509 und Analogieverbot (…) sind die Anforderungen an die Feststellung eines Vermögensschadens im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB andere als an die Feststellung eines Schadens im Sinne von § 826 BGB. [22] Bei einem - wie hier - durch behauptetes betrügerisches Verhalten bewirkten Vertragsabschluss ergibt ein Vergleich der Vermögenslage vor und nach dem Vertragsabschluss, ob ein Vermögensschaden eingetreten ist. Dabei sind die beiderseitigen Vertragsverpflichtungen zu vergleichen (Eingehungsschaden). Dieser zunächst durch die rein rechnerische Gegenüberstellung der wirtschaftlichen Werte der gegenseitigen vertraglichen Ansprüche bestimmte Schaden materialisiert sich mit der Erbringung der versprochenen Leistung des Geschädigten (Erfüllungsschaden) und bemisst sich nach der Differenz zwischen dem wirtschaftlichen Wert der Leistung und demjenigen der Gegenleistung, soweit eine solche vom Täter erbracht wird (…). Ergibt sich danach ein Wertgefälle zum Nachteil des durch die Täuschung Betroffenen, weil er etwa gegen Bezahlung des vollen Kaufpreises eine minderwertige Ware erhält, so liegt ein Vermögensschaden vor (…). [23] Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger vorliegend dann einen Vermögensschaden erlitten, wenn das von ihm erworbene Fahrzeug im Hinblick auf die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung und etwaige damit verbundene Risiken den vereinbarten und gezahlten Kaufpreis nicht wert war. Die Vermögenseinbuße ist dann auf die Differenz zwischen dem gezahlten Kaufpreis und dem Wert des vom Kläger erworbenen Fahrzeugs zu beziffern (…). Ob unter diesen Umständen Stoffgleichheit zwischen dieser etwaigen Vermögenseinbuße des K und den denkbaren Vermögensvorteilen, die ein verfassungsmäßiger Vertreter der B (§ 31 BGB) für sich oder einen Dritten erstrebt haben könnte, besteht, ist fraglich. [25] Eine Absicht der verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten, sich bzw. die Beklagte an dem Gebrauchtwagenverkauf unmittelbar zu bereichern, ist aus Rechtsgründen schon deshalb ausgeschlossen, weil sie bzw. die Beklagte aus dem Kaufvertrag zwischen dem Kläger und der Autohaus S. GmbH über den streitgegenständlichen Gebrauchtwagen keinen unmittelbaren Vorteil ziehen konnten (…). Ein etwaiger dem Kläger entstandener Schaden kann stoffgleich allenfalls mit dem Vorteil sein, der der Autohaus S. GmbH aus dem Fahrzeugverkauf zugeflossen ist. [26] Aber auch eine Absicht der verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten, der Autohaus S. GmbH einen mit dem Schaden des Klägers stoffgleichen Vermögensvorteil zu verschaffen, kann - weitere Feststellungen sind nicht zu erwarten - ausgeschlossen werden. Insbesondere kann die Bereicherung der Autohaus S. GmbH um den Anteil des Kaufpreises, der über den Wert des Fahrzeugs hinausging, nicht als notwendiges und beabsichtigtes Zwischenziel zur Erreichung der eigenen Ziele der verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten angesehen werden. Wie der Senat in seinem Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 (…) zu einer Haftung der Beklagten aus § 826 BGB ausgeführt hat, bestand - wovon das Berufungsgericht auch im vorliegenden Fall ausgegangen ist - das Ziel der verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen von Fahrzeugen mit unzulässiger Abschalteinrichtung darin, diese Fahrzeuge kostengünstiger als ihr sonst möglich zu produzieren, möglichst viele von Jura Intensiv Entscheidender Aspekt des Urteils – die unterschiedlichen Schadensbegriffe Die normativen Schadenserwägungen des Bürgerlichen Rechts stoßen im Strafrecht schnell an die Grenzen des Art. 103 GG. Eingehungsschaden Erfüllungsschaden Hier liegt ein entscheidender Unterschied zu § 826 BGB. Bei § 826 BGB war der Abschluss des Vertrages der Schaden, hier kommt es auf die Wertminderung beim Fahrzeug an. Im Examenssachverhalt steckt der Teufel im Detail. Im Fall BGH, RA 2020, 337 handelte es sich um einen Neuwagen, im vorliegenden Fall handelt es sich um einen Gebrauchtwagen. Hierin erkennt der VI. Zivilsenat den entscheidenden Unterschied. Achten Sie im Examensfall auf dieses Detail! Bei der Täuschung der Öffentlichkeit mit der Abschalteinrichtung wollte B ihren Gewinn durch den Verkauf von Neuwagen steigern. Das stellt einen sittenwidrig herbeigeführten Schaden für jeden Neuwagenkäufer dar, weil er den Vertrag ohne die Täuschung nicht geschlossen hätte. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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