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RA Digital - 10/2021

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524 Referendarteil:

524 Referendarteil: Zivilrecht RA 10/2021 Die zuletzt genannte Ansicht überzeugt. Wichtige und korrekte Feststellung OLG Hamm, Beschluss vom 15.09.2020, 29 U 6/20; OLG Schleswig, Urteil vom 26.02.2020, 9 U 125/19 BVerfGE 128, 226, 249; BVerfG, Beschluss vom 18.07.2015, 1 BvQ 25/15 Es erfolgt also eine umfassende Abwägung für K: Art. 5 I 1, 3 I GG BVerfG, Beschluss vom 22.05.2019, 1 BvQ 42/19; BGH, Urteil vom 09.03.2012, V ZR 115/11; BGH, Urteil vom 30.10. 2009, V ZR 253/08 BVerfG, Beschluss vom 22.05.2019, 1 BvQ 42/19 BVerfG, Beschluss vom 22.05.2019, 1 BvQ 42/19 Abzuwägende Interessen der B: Art. 12 I 1 GG, Art. 5 I 1 GG, Geltung über Art. 19 III GG, sowie das Interesse, einer Haftung für das Nutzerverhalten zu entgehen. Das Recht aus Art. 5 I 1 GG erstreckt sich auch auf den Kommunikationsprozess als solchen. [59] Eine staatsgleiche Bindung der Beklagten an Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG besteht nicht. (…) Eine staatsgleiche Bindung folgt auch nicht aus der marktbeherrschenden Stellung der Beklagten im Bereich der Social-Media- Plattformen. Die Marktmacht der Beklagten ist nicht gleichzusetzen mit der Monopolstellung staatlicher Unternehmen auf dem Gebiet der öffentlichen Daseinsvorsorge wie etwa früher der Post (OLG Hamm (…), OLG Schleswig (…)). Insbesondere übernimmt die Beklagte nicht die – vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 152, 152 aaO; 128, 226, 249 f; BVerfG, NJW 2015, 2485 aaO) als Voraussetzung für eine staatsgleiche Grundrechtsbindung genannte – Bereitstellung der Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation wie etwa die Sicherstellung der Telekommunikationsdienstleistungen. Sie bietet mit ihrem Netzwerk zwar eine bedeutsame Kommunikationsmöglichkeit innerhalb des Internets an, gewährleistet aber nicht den Zugang zum Internet als solchem. Vielmehr ist die Beklagte selbst Trägerin von Grundrechten, die bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfGE (…)). (…) Folglich sind im Rahmen der praktischen Konkordanz die widerstreitenden Grundrechtspositionen abzuwägen. Seitens der K ist erstens das Recht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 I 1 GG zu berücksichtigen, denn der Beitrag der K, den die B gelöscht hat, fällt in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit. Zweitens der Schutz vor willkürlicher Ungleichbehandlung aus Art. 3 I GG zu beachten. Zwar gilt Art. 3 GG im Privatrecht aufgrund des Grundsatzes der Privatautonomie nicht schrankenlos, [64] (…) (i)n besonderen Konstellationen können sich jedoch auch für das Verhältnis Privater gleichheitsrechtliche Anforderungen aus Art. 3 I GG ergeben (BVerfG (…), BGH (…)). Ob und inwieweit dies für Betreiber sozialer Netzwerke gilt, hängt von dem Grad einer etwaigen marktbeherrschenden Stellung des Betreibers, der Ausrichtung der Plattform, dem Grad der Angewiesenheit der Nutzer auf die Plattform und den betroffenen Interessen der Plattformbetreiber und sonstiger Dritter ab (BVerfG (…)). [66] (…) Nach dem Vortrag der Beklagten wurde ihr Netzwerk in Deutschland im Jahr 2017 von 31 Millionen Menschen und im Jahr 2019 von 32 Millionen Menschen genutzt. (…) [67] (…) Aufgrund dieser Bindungswirkung („Lock-in-Effekt“) sowie ihres hohen Marktanteils und der erheblichen Reichweite ihres Netzwerks (…) verfügt die Beklagte über eine bedeutende Markt- und soziale Macht (BVerfG (…). Jura Intensiv Seitens der B sind die Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 I 1 GG, die Meinungsäußerungsfreiheit gemäß Art. 5 I 1 GG, beide über Art. 19 III GG, zu berücksichtigen sowie das Interesse, nicht für Nutzerbeiträge zivilrechtlich zu haften. Bzgl. der Berufsausübungsfreiheit ist das Geschäftsmodell der B zu berücksichtigen, wonach die Nutzer [73] frei, unbesorgt und in einem sicheren Umfeld mit anderen kommunizieren und Informationen austauschen. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 10/2021 Referendarteil: Zivilrecht 525 Die Meinungsfreiheit der B ist dahingehend relevant, dass Art. 5 I 1 GG auch den Kommunikationsprozess als solchen schützt und die B unverzichtbare Mittlerperson für den Meinungsaustausch auf der Plattform ist. Hieraus ergibt sich die grundlegende Befugnis der B dazu, Kommunikationsstandards, die über strafrechtliche Vorgaben hinausgehen, vorgeben zu dürfen. Hierbei ist die B jedoch nicht frei. Erstens muss ein sachlicher Grund vorliegen. [82] (…) Dazu dürfen sie (Entfernungsvorbehalte) nicht an bloß subjektive Einschätzungen oder Befürchtungen der Beklagten, sondern müssen an objektive, überprüfbare Tatbestände anknüpfen. Neben dem erforderlichen sachlichen Grund für eine Entfernung von Inhalten bestehen verfahrensrechtliche Anforderungen, welche mit einer Anhörungsmöglichkeit als geeignetes Mittel bedient werden können. [84] (…) Denn nur eine in einem verbindlichen Verfahren erfolgende Aufklärung des Sachverhalts gewährleistet, dass die Entscheidung der an das Gleichbehandlungsgebot gebundenen Partei auf einem sachlichen Grund beruht, der in den maßgeblichen tatsächlichen Verhältnissen hinreichend verankert ist. Die Anhörung des Nutzers bietet die Möglichkeit, eventuelle Missverständnisse hinsichtlich eines Inhalts schnell und unkompliziert aufzuklären und durch zügige Wiederzugänglichmachung eines zu Unrecht entfernten Beitrags dem Grundrecht des Nutzers auf freie Meinungsäußerung und dem Gleichbehandlungsgebot die nötige Geltung zu verschaffen. Hieraus ergeben sich zugleich die Erfordernisse, dass der betroffene Nutzer unverzüglich von der Sperrung informiert wird und dass die „gelöschten“ Beiträge nicht unwiderruflich vernichtet, sondern wiederherstellbar sind. [90] Den vorgenannten Anforderungen werden die Entfernungs- und Sperrungsvorbehalte in den Geschäftsbedingungen der Beklagten nicht in jeder Hinsicht gerecht. [93] (…) weil in den Geschäftsbedingungen der Beklagten nicht ein – nach den vorstehenden Grundsätzen erforderliches – verbindliches Verfahren vorgesehen ist, innerhalb dessen die von der Entfernung von Beiträgen und der Sperrung ihres Kontos betroffenen Nutzer Stellung nehmen können. Jura Intensiv Es ist nicht ersichtlich, dass die B diese Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Der Antrag zu 2. ist ebenfalls begründet. Die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr folgt aus der vorliegenden Pflichtverletzung der B. Der weitere Klageantrag ergibt sich aus § 888 I 1, 2 ZPO. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I 1 ZPO sowie auf § 709 S. 1 ZPO. FAZIT Die mittelbare Wirkung von Grundrechten im Zivilrecht über die Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen, beispielsweise in Generalklauseln, wird im Assessorexamen gern geprüft. Daher ist diese Entscheidung hochgradig examensrelevant. Anforderungen an Einschränkung: 1. Bestehen eines sachlichen Grundes 2. Anhörungsmöglichkeit des Betroffenen 3. Pflicht zum in Kenntnis setzen des Betroffenen 4. Wiederherstellbarkeit des gelöschten Posts Vertretenmüssen der Pflichtverletzung. Der vertragliche Anspruch auf Unterlassen erfordert auch im Rahmen von § 280 BGB eine Wiederholungsgefahr wie in § 1004 I 2 BGB. Da es sich um keinen Zahlungsanspruch handelt, gilt § 709 S. 2 ZPO nicht. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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