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RA Digital - 10/2021

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542 Referendarteil:

542 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 10/2021 Speziell für Referendare Problem: Untersagung eines zulassungspflichtigen Handwerks Einordnung: Handwerksrecht VG Koblenz, Beschluss vom 01.07.2021 5 L 475/21.KO LEITSÄTZE 1. Das Gestalten aufwendiger Hochzeitsfrisuren kann eine wesentliche Tätigkeit des Friseurhandwerks im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 HwO darstellen. 2. Dies gilt auch dann, wenn dabei keine Bearbeitung der Haare im klassischen Sinne (Schneiden, Waschen, Färben) vorgenommen wird. In der Praxis enthalten Beschlüsse im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes häufig keine Gründe zu I. (Tatbestand). In der Klausur wird dagegen in den meisten Bundesländern die Darstellung der Gründe zu I. und II. gefordert. Prozessvorspann: Auslegung des Antrags nach §§ 122 I, 88 VwGO Auf unproblematische Punkte, wie hier die Zulässigkeit, sollte nur knapp im Urteilsstil eingegangen werden. EINLEITUNG Das VG Koblenz hatte im Rahmen eines gerichtlichen Eilverfahrens über die Frage zu befinden, ob das Angebot von Brautfrisuren ein zulassungspflichtiges handwerksrechtliches Gewerbe darstellt. Die Antragstellerin war Inhaberin eines Betriebs, in dem sie Brautfrisuren, Hairstyling, Komplettstyling sowie das Frisieren der Brauteltern anbot. Da eine Eintragung in die Handwerksrolle nicht erfolgt war, untersagte ihr die zuständige Behörde unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fortsetzung ihres Betriebes. Hiergegen suchte die Antragstellerin um gerichtlichen Eilrechtsschutz nach und machte geltend, bei ihrer Tätigkeit handele es sich nicht um ein Handwerk, sondern um künstlerisches Wirken, das auch nicht im stehenden Gewerbe ausgeübt werde. Sie erbringe ihre Leistungen auf Abruf bei den Kunden zu Hause, im Hotel oder in sonstigen Locations. Das VG Koblenz ist der Argumentation der Antragstellerin nicht gefolgt, sodass der Eilantrag erfolglos blieb. GRÜNDE „Die anwaltlich vertretene Antragstellerin beantragt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 8. Mai 2021 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 30. April 2021 wiederherzustellen. Dabei geht die Kammer unter Berücksichtigung der Antragsbegründung davon aus (§ 122 Abs. 1, § 88 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –), dass sich die Antragstellerin allein gegen Ziffer 1 des angegriffenen Bescheides, d.h. die von der Antragsgegnerin nach § 16 Abs. 3 Satz 1 Handwerksordnung – HwO – ausgesprochene und mit der Anordnung des Sofortvollzugs versehene Untersagungsverfügung wendet. Denn zu Beginn ihrer Antragsbegründung führt die Antragstellerin aus, sie „begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 8. Mai 2021 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 30.04.2021, wonach der Antragstellerin untersagt ist, weitere Tätigkeiten des Friseurhandwerks ohne Eintragung in die Handwerksrolle auszuüben“. Letzteres ist der Regelungsgehalt von Ziffer 1 des Bescheides vom 30. April 2021. Zu den Ziffern 2 und 3 des angegriffenen Bescheids lässt sich die Antragstellerin demgegenüber weder in ihrer Antragsbegründung noch in ihrem weiteren Schriftsatz vom 2. Juni 2021 ein. Jura Intensiv Der so verstandene Antrag ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthaft und auch sonst zulässig. In der Sache bleibt er jedoch ohne Erfolg. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 10/2021 Referendarteil: Öffentliches Recht 543 Vorab ist festzuhalten, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO den Anforderungen an die Begründung des Vollzugsinteresses nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt und auch im Übrigen in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden ist. Hiervon geht ausdrücklich auch die Antragstellerin aus. Damit bedarf es zur Entscheidung über die vorläufige Vollziehbarkeit des angefochtenen Bescheides bis zur endgültigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren einer gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO vorzunehmenden Abwägung der gegenseitigen Interessen der Beteiligten. Für das Interesse des Betroffenen, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von Belang. Ein überwiegendes Interesse eines Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene summarische Überprüfung zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, sind die sonstigen Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen und dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist stattzugeben, wenn das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs nicht überwiegt. Ausgehend hiervon überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Untersagungsverfügung vom 30. April 2021 bereits deshalb, weil diese – jedenfalls nach der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung – offensichtlich rechtmäßig ist und zudem ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht. Jura Intensiv In formeller Hinsicht ist die auf § 16 Abs. 3 Satz 1 HwO gestützte Untersagungsverfügung rechtmäßig ergangen. Die Antragsgegnerin war zu deren Erlass nach § 124b Satz 1 und 2 Halbs. 1 HwO i.V.m. § 1 Abs. 2 der Landesverordnung über Zuständigkeiten nach der Handwerksordnung und dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz zuständig. Die Antragstellerin ist mit Schreiben vom 30. Juli 2020 ordnungsgemäß angehört worden. Gleichermaßen sind die Handwerkskammer A. und die Industrie- und Handelskammer A. vor Erlass der streitbefangenen Maßnahme gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 HwO angehört worden und haben gemeinsam erklärt, dass sie die Voraussetzungen einer Untersagung als gegeben ansehen. Die von der Antragstellerin angegriffene Untersagungsverfügung vom 30. April 2021 ist auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden. Dass (auch) die Antragstellerin davon ausgeht, den Anforderungen des § 80 III 1 VwGO werde Genüge getan, ist nicht ausschlaggebend, da das Gericht aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes stets eine umfassende und vollständige Prüfung vorzunehmen hat. In einer Klausur ist sie in jedem Fall geboten. Darlegung des Maßstabs der Prüfung nach § 80 V VwGO. Die Begriffe summarische Prüfung, Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, Abwägung der widerstreitenden Interessen und ggf. auch die eigene Ermessensentscheidung des Gerichts sollten hierbei genannt werden. Ergebnissatz Rechtsgrundlage und Prüfung der formellen Rechtmäßigkeit Zu achten ist hier auf § 16 Abs. 3 Satz 2 HwO als besondere Anforderung der formellen Rechtmäßigkeit. Hiernach ist die Untersagung nur zulässig, wenn die Handwerkskammer und die Industrie- und Handelskammer zuvor angehört worden sind und in einer gemeinsamen Erklärung mitgeteilt haben, dass sie die Voraussetzungen einer Untersagung als gegeben ansehen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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