Aufrufe
vor 1 Jahr

RA Digital - 10/2022

  • Text
  • Verlagjuraintensivde
  • Beklagte
  • Entscheidung
  • Zivilrecht
  • Urteil
  • Verlags
  • Anspruch
  • Recht
  • Inhaltsverzeichnis
  • Jura
  • Intensiv
Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

526 Referendarteil:

526 Referendarteil: Zivilrecht RA 10/2022 Hinweis zur Formulierung: Klagen werden abgewiesen, zivilgerichtliche Anträge zurückgewiesen und behördliche Anträge werden abgelehnt. Erster Punkt: Ermittlung, wieso der nicht am Vertrag beteiligte Verein hier überhaupt klagebefugt ist hinsichtlich der Überprüfung der Wirksamkeit einer vertraglichen Klausel. Diese ergibt sich aus § 1 UKlaG (Habersack 105) 2. Punkt: Die streitgegenständliche Klausel ist eine AGB. 3. Punkt: kein Ausschluss nach § 307 III BGB BGH, Urteil vom 14.08.2019, IV ZR 279/17 BGH, Urteil vom 14.08.2019, IV ZR 279/17; Urteil vom 13.01.2016, IV ZR 38/14 Im vorliegenden Fall konkretisiert die Klausel die Voraussetzungen einer fristlosen verbraucherseitigen Kündigung in Form des partiellen Ausschlusses. 4. Punkt: Konkrete Inhaltskontrolle: Prüfung, ob ein Verstoß gegen § 308 Nr. 4 BGB vorliegt. In einer Klausur könnte – zum Nachweis des Strukturverständnisses – mit einem Satz erwähnt werden, dass Unwirksamkeitsgründe nach § 309 BGB nicht ersichtlich sind. § 308 Nr. 4 BGB gilt ebenfalls für Veränderungen von Nebenpflichten. Im konkreten Fall ist aber § 308 Nr. 4 BGB tatbestandlich nicht erfüllt. Der Verwender kann nicht einseitig eine vertraglich geschuldete Leistung abändern. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Grundsätzlich ist K als gemeinnütziger Verbraucherschutzverein nach § 3 I Nr. 1 UKlaG berechtigt, den Unterlassungsanspruch nach § 1 UKlaG geltend zu machen. Gemäß § 1 UKlaG kann derjenige auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, der in seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestimmungen verwendet, die nach den §§ 307 bis 309 BGB unwirksam sind. Die streitgegenständliche Klausel verstößt nicht gegen §§ 305 ff. BGB. Die streitgegenständliche Klausel ist eine AGB im Sinne des § 305 I 1 BGB. Eine Inhaltskontrolle ist zudem nicht nach § 307 III BGB ausgeschlossen, wonach eine deklaratorische Klausel nicht nach § 307 BGB unwirksam sein soll, die sodann durch eine inhaltsgleiche gesetzliche Vorschrift ersetzt werden würde (BGH, (…)). [31] Ergänzt eine Klausel Rechtsvorschriften oder füllt sie diese aus, indem sie entweder vom Gesetz eröffnete Spielräume ausfüllt oder sich die zitierte Vorschrift als von vornherein ausfüllungsbedürftig erweist, kann allerdings kontrolliert werden, ob und wie der Verwender das Gesetz ergänzt hat (BGH, (…)). Dies trifft auf die streitgegenständliche Klausel zu, denn diese wiederholt das Gesetz, hier § 314 I 2 BGB, nicht alleine, sondern konkretisiert die Voraussetzungen dieser Norm. [32] (…). Denn die Frage, wann ein wichtiger Grund zu einer fristlosen Kündigung im Sinne des § 314 Abs. 1 S. 1 BGB vorliegt, wird durch die Klausel näher umschrieben und dahin konkretisiert, dass in der konkret benannten Konstellation ein wichtiger Grund nicht vorliegt. (…). Die Klausel verstößt weiterhin auch nicht gegen § 308 Nr. 4 BGB, wonach ein einseitiger Änderungsvorbehalt grundsätzlich unzulässig ist. § 308 Nr. 4 BGB gilt für sämtliche Schuldverhältnisse und auch für Dauerschuldverhältnisse, wie dem hier vorliegenden Energieliefervertrag und findet nicht nur Anwendung, wenn Hauptleistungspflichten durch eine Klausel verändert werden, sondern ebenfalls, wenn Nebenpflichten verändert werden. Die Berechtigung zur Änderung der Verpflichtung der B, ein Kundenportal u.a. zur Kommunikation ihrer Kunden zur Verfügung zu stellen, unterliegt daher grundsätzlich der Prüfung nach § 308 Nr. 4 BGB. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die streitgegenständliche Klausel ein Recht der B beinhaltet, dies einseitig zu ändern. Jura Intensiv [39] Die Klausel enthält nach ihrem Wortlaut keine Berechtigung zur Änderung einer vertraglichen Leistung. Allerdings sind auch solche Klauseln durch § 308 Nr. 4 BGB erfasst, die mittelbar zu einem Änderungsvorbehalt führen. (…) Ob ein Leistungsbestimmungsrecht im Einzelfall vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 10/2022 Referendarteil: Zivilrecht 527 [40] Nach diesen Grundsätzen ist die Vorschrift des § 308 Nr. 4 BGB nicht anzuwenden. Denn letztlich werden den Verbrauchern durch die Klausel nicht sämtliche Rechte im Fall einer kurzzeitigen Beeinträchtigung der Verfügbarkeit des Kundenportals entzogen, was einem Recht zur Leistungsänderung gleichsteht. Vielmehr wird allein das Recht zur fristlosen Kündigung in dem genannten Fall ausgeschlossen, sodass sämtliche weiteren Rechte, die sich aus der Nichtverfügbarkeit des Kundenportals ergeben können, wie etwa ein Anspruch auf entsprechende Leistung oder insbesondere auch Schadensersatzansprüche bestehen bleiben. Die Beklagte kann daher nicht ohne Konsequenzen über die Verfügbarkeit des Kundenportals bestimmen. Ungeachtet des Umstandes, dass § 308 Nr. 4 BGB aufgrund fehlenden einseitigen Leistungsbestimmungsrechts tatbestandlich nicht erfüllt ist, ergäbe sich die erforderliche Unzulässigkeit der Klausel auch nicht aufgrund einer Unzumutbarkeit des Leistungsbestimmungsrechts des Verwenders. [43] Aus dem Erfordernis der Zumutbarkeit ergeben sich nicht nur sachliche Grenzen möglicher Änderungen; Zumutbarkeit erfordert vielmehr auch, dass die Voraussetzungen eines Eingriffs in das vertraglich vereinbarte Leistungsspektrum in der Klausel hinreichend konkretisiert werden (BGH, (…)). Hieraus ergibt sich, dass der Änderungsvorbehalt - unterstellt die Klausel enthielte einen solchen - zumutbar ist. Die Zumutbarkeit ergibt sich (…) daraus, dass eine Außerbetriebnahme des Kundenportals aufgrund eines technischen Fehlers oder wegen Wartungsarbeiten kurzzeitig durch die Beklagte zwingend erforderlich sein kann. Dabei wird (…) keine Hauptleistungspflicht beeinträchtigt. Vielmehr erfolgt die Energielieferung, die für den Kunden von überragender Bedeutung ist, weiterhin, auch wenn das Kundenportal nicht zugänglich ist. Dem Kunden ist es lediglich nicht möglich, über das Kundenportal mit der Beklagten in Kontakt zu treten. Dies ist auf einen kurzen Zeitraum beschränkt. [46] Die Formulierung wird auch hinreichend konkretisiert, weil die Verbraucher den Begriff „kurzzeitig“ als auf den zur Behebung einer Störung oder Wartung notwendigen Zeitraum beschränkt verstehen. Jura Intensiv Die Klausel ist darüberhinausgehend auch nicht aufgrund von Intransparenz unwirksam, § 307 I 2 BGB. Erforderlich ist, dass gemäß den Grundsätzen von Treu und Glauben der Verwender einer Klausel gehalten ist, Rechte und Pflichten möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Erforderlich ist eine konkrete, eindeutige und nachvollziehbare Darstellung. Schrankenloses Ermessen des Verwenders ist mit dem Transparenzgebot nicht vereinbar. [49] Bei der Beurteilung, ob das Transparenzgebot eingehalten ist, ist auf den durchschnittlicher Vertragspartner - hier damit auf den Durchschnittsverbraucher – abzustellen. [50] Der Verwender darf sich allerdings unbestimmter Rechtsbegriffe bedienen, weil die Verpflichtung zur Transparenz nur im Rahmen des Möglichen besteht. „Nicht anzuwenden“ sollten Sie vermeiden, besser: § 308 Nr. 4 BGB ist tatbestandlich nicht erfüllt. Es liegt keine einer Leistungsänderung gleichstehende Rechtsverkürzung des Verbrauchers vor. Eine Leistungsänderung liegt nicht vor. Eine Gleichstellung durch einen Rechtsausschluss ist nur gerechtfertigt, wenn dieser Vollumfänglich sich auf sämtliche Rechte bezieht. Obiter dictum: In einer Klausur wäre dies nicht erforderlich. Sie hätten § 308 Nr. 4 BGB bereits tatbestandlich verneint. BGH, Urteil vom 16.01.2018, X ZR 44/17 Inwieweit „kurzzeitig“ ein Synonym für „zur Behebung einer Störung notwendig oder zur Wartung erforderlich“ sein soll, bleibt ein Geheimnis des Senats. Letztendlich ist m. M. n. „kurzfristig“ eine inhaltslose Phrase. 5. Punkt: Prüfung d. § 307 I 2 BGB Schwierig nachzuvollziehende Argumentationskette des Gerichts. Das Wort „kurzfristig“ soll kein schrankenloses Ermessen des Verwenders implizieren. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

RA - Digital

Rspr. des Monats