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RA Digital - 10/2022

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506 Zivilrecht

506 Zivilrecht RA 10/2022 ankommt. Der Anspruch setzt folglich nur voraus, dass in einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner von seiner synallagmatischen Hauptleistungspflicht gem. § 275 BGB frei geworden ist und keine den Anspruch auf die Gegeneistung erhaltende Ausnahme greift. In diesem Fall entfällt nämlich der Anspruch auf die Gegenleistung gem. § 326 I BGB, weshalb eine bereits erbrachte Gegenleistung gem. §§ 346 IV, 346 I BGB auch ohne Rücktrittserklärung zurückgefordert werden kann. I. Gegenseitiger Vertrag Bei einem gegenseitigen Vertrag stehen Leistung und Gegenleistung im Synallagma. Der Schuldner erbringt die Leistung um den Empfang der Gegenleistung willen (do ut des). Dies ist beim am 23.06.2019 geschlossenen Mietvertrag der Fall. Inhalt der Leistungspflicht des B Die CoronaSchVO in der damalig gültigen Fassung verbot B, dem K die Räume zur Veranstaltung einer Hochzeitfeier zu überlassen. Vor der Überlassung der Mietsache gilt Allgemeines Schuldrecht. Deshalb liegt hier ein Fall der rechtlichen Unmöglichkeit gem. § 275 I BGB vor. Abgrenzung von BGH RA 02/2022, 77 ff. = Urteil vom 12.01.2022, XII ZR 8/21 Der Senat grenzt von der Entscheidung des BGH in RA 05/2022, 225 ff. ab. Dem Fall des BGH lag eine CoronSchVO zugrunde, welche die bloße Überlassung der Räume eben nicht verbot. II. Freiwerden des B von seiner synallagmatischen Hauptleistungspflicht gem. § 275 BGB B müsste von seiner im Synallagma stehenden Hauptleistungspflicht wegen Unmöglichkeit gem. § 275 BGB frei geworden sein. In Betracht kommt eine echte Unmöglichkeit gem. § 275 I BGB. Eine solche liegt vor, wenn der Leistungserfolg für den Schuldner oder jedermann dauerhaft nicht erbringbar ist. B schuldete K die Überlassung der Räume am 22.05.2020, damit K dort eine Hochzeitsfeier abhalten konnte. Fraglich ist, ob dies dauerhaft rechtlich unmöglich geworden ist. Dies hängt entscheidend davon ab, ob B dem K nach der CoronaSchVO NW in der am 22.05.2020 gültigen Fassung die Räume zur Abhaltung einer Hochzeitsfeier überlassen durfte. [45] In § 14 Abs. 3 CoronaSchVO NW (i.d.F. vom 19.5.2020) hieß es sinngemäß, dass gastronomische Betriebe nach Abs. 1 und 2 Räumlichkeiten für Veranstaltungen und Versammlungen nach § 13 Abs. 3 - zu denen eine Hochzeitsfeier nicht gehörte - unter den dort genannten Voraussetzungen zur Verfügung stellen dürfen, andere Veranstaltungen, Versammlungen und Zusammenkünfte seien bis auf Weiteres nicht zulässig. Abs. 4 ordnete die entsprechende Geltung dieser Regelungen für die Vermietung von Räumlichkeiten ohne gastronomischen Service (Hervorhebung d. Verf.) an, wenn dieser durch Dritte („Catering“) oder den Mieter selbst erfolgt. [46] Damit war dem Beklagten die Zurverfügungstellung der angemieteten Räumlichkeiten zur Durchführung einer Hochzeitsfeier als vertraglich konkludent vereinbartem Zweck, mithin die Leistungserbringung, am 22.5.2020 untersagt. [47] Da der Leistungsaustausch bei dem Inkrafttreten der CoronaSchVO in der genannten Fassung am 20.5.2020 noch nicht vollständig erfolgt war, die Überlassung des Mietobjekts vielmehr noch ausstand, lag ein Fall der (rechtlichen) Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB) vor. (…) [48] Der Fall liegt im Übrigen anders als der vom Bundesgerichtshof (Urt. vom 12.1.2022, Az. XII ZR 8/21, Tz. 34) entschiedene, in dem durch die betreffende Allgemeinverfügung weder der dortigen Beklagten die Nutzung der angemieteten Geschäftsräume noch der dortigen Klägerin die Überlassung der Mieträumlichkeiten verboten worden war. [49] Er unterscheidet sich auch von dem Sachverhalt, der dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 2.3.2022 (Az. XII ZR 36/21) zugrundelag. Dort ging es um die Anmietung von Räumlichkeiten im Amtsgerichtsbezirk Gelsenkirchen für eine Hochzeitsfeier am 1.5.2020. Der Bundesgerichtshof stellt im Rahmen der Prüfung der - von ihm verneinte - Voraussetzungen des § 326 Abs. 5 BGB fest, die maßgebliche CoronaSchVO habe „Regelungen, die eine gewerbliche Überlassung von Mieträumen an Privatpersonen untersagt hätten“, nicht enthalten (Tz. 20). Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 10/2022 Zivilrecht 507 [50] Mit der CoronaSchVO i.d.F. vom 19.5.2020 ist jedoch in § 14 Abs. 3 und 4 konkret jegliche Zurverfügungstellung bzw. Überlassung vermieteter Räumlichkeiten zu Veranstaltungszwecken untersagt worden. Damit ist auch nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs am 22.5.2020 Unmöglichkeit eingetreten (...). III. Keine den Anspruch erhaltende Ausnahme von § 326 I BGB Fraglich ist zum einen, ob in § 537 I 1 BGB eine Gefahrtragungsregel zu sehen ist, die als eine den Anspruch erhaltende Ausnahme von § 326 I BGB anzusehen ist und zum anderen, ob die Voraussetzungen dieser Rechtsnorm überhaupt vorliegen. 1. In der Person des Mieters liegender Grund § 537 I 1 BGB fordert einen in der Person des Mieters liegenden Grund. Fraglich ist, ob dies angesichts des mit der CoronaSchVO in der Fassung vom 19.05.2020 kollidierenden Zwecks, in den Räumlichkeiten eine (Hochzeits-) Feier abzuhalten, der Fall ist. [54] Entscheidend ist, dass die Parteien mit dem Abschluss der beiden inhaltlich zusammenhängenden und aufeinander bezogenen Verträge den Zweck, in den Räumlichkeiten eine Hochzeitsfeier abzuhalten, aus der Sphäre eines „in der Person des Mieters“ liegenden Grundes zum Mietzweck erhoben haben. Der Mietzweck umschreibt die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien über die Nutzung der Mietsache (...). Damit hat der Beklagte zu 2) konkludent das Risiko übernommen, die Räumlichkeiten am vorgesehenen Tag für eine Feier zur Verfügung stellen zu können bzw. zu dürfen (...). [55] (...). Es bleibt daher bei der Regelung, wonach der Schuldner - hier der Beklagte zu 2) als Vermieter - die Vergütungsgefahr trägt (§ 326 Abs. 1 BGB). 2. Ausfall der Hochzeit Fraglich ist, ob es eine den Anspruch erhaltende Ausnahme darstellt, dass die Hochzeit ohnehin ausgefallen ist. [57] Der „Ausfall“ der Hochzeit stellt in der Tat einen „in der Person des Mieters“ liegenden Grund dar, der unter § 537 Abs. 1 S. 1 BGB fällt und die Verpflichtung zur Zahlung der Miete für die Überlassung der „B“ grundsätzlich unberührt lässt. [58] Doch setzt das Fortbestehen der Mietzahlungspflicht gem. § 537 Abs.1 S. 1 BGB ebenfalls voraus, dass der Beklagte seinerseits zur Erfüllung seiner Verpflichtungen am 22.5.2020 in der Lage war. Daran fehlt es aus den dargelegten Gründen. Jura Intensiv Begründung, warum der Fall anders liegt als in BGH RA 05/2022, 225 Die §§ 536 ff. BGB gelten erst ab Überlassung der Mietsache an den Mieter. Der Senat setzt sich dennoch mit den in der Berufungsbegründung vorgetragenen Argumenten auseinander. Vor der Überlassung der Mietsache gilt Allgemeines Schuldrecht. Dies stellt der Senat in der Randnummer 58 unten klar. Weil die Überlassung ohnehin rechtlich unmöglich war, kann es auf den Ausfall der Hochzeit, mithin auf § 537 BGB gar nicht ankommen. B. Ergebnis K hat einen Anspruch gegen B auf Rückzahlung der an B überwiesenen 2.200 € aus §§ 326 IV, 346 I BGB. FAZIT Vor der Überlassung der Mietsache gilt Allgemeines Schuldrecht. Ist dem Vermieter die Überlassung der Mietsache an den Mieter aufgrund der Regelungen einer Corona-Schutzverordnung verboten, liegt ein Fall der rechtlichen Unmöglichkeit gem. § 275 I BGB vor. Der Anspruch auf die Gegenleistung entfällt grundsätzlich gem. § 326 I BGB, sofern keine den Anspruch auf die Gegenleistung erhaltende Ausnahme eingreift. Vorab geleistete Mietzahlungen können Mieter gem. §§ 326 IV, 346 I BGB ohne zurückfordern, ohne den Rücktritt erklären zu müssen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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