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RA Digital - 11/2016

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566 Zivilrecht

566 Zivilrecht RA 11/2016 II. Rücktrittsgrund Als Rücktrittsgrund kommt vorliegend §§ 437 Nr. 2, 440 S. 1, 323 I BGB in Betracht. 1. Kaufvertrag Am 13.04.2015 schlossen die Parteien einen Kaufvertrag i.S.d. § 433 I BGB über einen zehn Jahre alten PKW Renault Rapid zum Kaufpreis von 1.450 €. In einem Gutachten hätten Sie hier zunächst prüfen müssen, ob der Hinweis auf die neue TÜV-Plakette als konkludente Beschaffenheitsvereinbarung der Verkehrssicherheit des PKW gem. § 434 I 1 BGB zu deuten war. Sämtliche Ausführungen hierzu hat des LG Heidelberg allerdings beim vertraglichen Ausschluss und beim Klauselverbot gemäß § 444 BGB verortet. Dies ist in einer die Klage abweisenden Entscheidung nicht unüblich. Deshalb haben wir den Aufbau des versprochenen Urteils nicht verändert. Ahmen Sie dies aber nicht in Ihrer Examensklausur nach! Prüfen Sie dort sorgfältig, ob durch den Hinweis auf die TÜV-Plakette ein Mangel gem. § 434 I 1 BGB vorliegt, machen Sie sich dann die Auslegung des Gerichts zu eigen. Stellen Sie dann den Mangel nach § 434 I 2 2. Fall BGB fest und prüfen Sie anschließend die vertraglichen und gesetzlichen Ausschlussgründe. Darstellung der Rspr. des BGH zum Gebrauchtwagenhändler und der Unterschied zum privaten Verkäufer Wer vom Kraftfahrzeughändler mit eigener Werkstatt erwirbt, misst der Erklärung „TÜV neu“ die Bedeutung bei, das Fahrzeug sei verkehrssicher, weil er auf die Sach- und Fachkompetenz des Händlers vertraut. Ein privater Verkäufer hat nicht dieselbe Sach- und Fachkompetenz und auch nicht dieselben Prüfmöglichkeiten wie ein Kraftfahrzeughändler mit eigener Werkstatt. 2. Mangel bei Gefahrübergang Weiterhin müsste der Renault mangelhaft bei Gefahrübergang i.S.d. § 434 BGB sein. Gem. § 434 I 2 Nr. 2 BGB ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Hier war der PKW aufgrund der Durchrostung bei Übergabe gem. § 446 S. 1 BGB nicht verkehrssicher. Folglich lag ein Mangel bei Gefahrübergang vor. 3. Kein vertraglicher Ausschluss Weiterhin dürften die Gewährleistungsrechte nicht wirksam ausgeschlossen worden sein. Gem. § 444 Alt. 2 BGB darf sich B auf die Vereinbarung, durch die die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen werden, nicht berufen, soweit er eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat. Eine solche Beschaffenheitsvereinbarung könnte in der Angabe „TÜV neu“ zu sehen sein. „Die Vertragsinhalt gewordene Angabe des Beklagten, das Fahrzeug habe „neuen TÜV“, beinhaltet nicht die stillschweigende Erklärung, das Fahrzeug sei verkehrssicher und habe die Prüfplakette zu Recht erhalten. Folglich besteht im Hinblick auf den vertraglich wirksam vereinbarten Gewährleistungsausschluss auch kein Rücktrittsgrund.“ „Für die Auslegung der Angabe des Beklagten, das Fahrzeug habe neuen TÜV, ist wie bei jeder Willenserklärung in erster Linie maßgebend, wie sie der Kläger als Erklärungsempfänger verstehen durfte. Hierbei ist von wesentlicher Bedeutung, dass der Beklagte den PKW als Privatperson verkauft hat und nicht als gewerblicher Gebrauchtwagenhändler mit eigener Werkstatt.“ „Der Käufer, der von einem Kraftfahrzeughändler mit eigener Werkstatt einen Gebrauchtwagen erwirbt, will in aller Regel selbstverständlich ein verkehrssicheres, den Vorschriften der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) entsprechendes Fahrzeug erhalten. Wird ihm zugesagt, das Fahrzeug habe im Zeitpunkt der Übergabe neuen TÜV, erwartet er nicht nur die Durchführung der Hauptuntersuchung und Zuteilung der Plakette, sondern ein den Vorschriften der StVZO tatsächlich entsprechendes, verkehrssicheres Fahrzeug. Bei dem Erwerb eines Gebrauchtwagens von einem Privatverkäufer kann der Käufer demgegenüber bei interessengerechter Auslegung nicht erwarten, dass der Verkäufer dieselben Möglichkeiten zur Untersuchung des Fahrzeuges und Kenntnisse wie ein Kraftfahrzeughändler mit eigener Werkstatt hat.“ „Zu Recht ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass der Beklagte den PKW als Privatperson verkauft hat.“ Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis

RA 11/2016 Zivilrecht 567 „Anders als das Amtsgericht ist die Kammer jedoch nicht der Auffassung, dass ein vernünftiger Erklärungsempfänger in der Situation des Klägers die Vertragsinhalt gewordene Angabe des Beklagten, das Fahrzeug habe neuen TÜV, auch in dem Sinne einer Erklärung des Inhalts verstehen durfte, dass die Hauptuntersuchung ordnungsgemäß durchgeführt, die Plakette zu Recht erteilt worden und das Fahrzeug tatsächlich auch verkehrssicher sei. Nach Überzeugung der Kammer würde ein solches Verständnis die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten eines Privatverkäufers, dem in der Regel - anders als einem Kraftfahrzeughändler mit eigener Werkstatt - keine eigene Sachkunde, erst recht aber nicht eine höhere Sachkunde als dem TÜV unterstellt werden kann, außer Acht lassen und daher den Sinngehalt einer solchen Erklärung überspannen. Demnach konnte der Kläger der Erklärung des Beklagten, das Fahrzeug habe neuen TÜV, bei sinngerechter Auslegung nur entnehmen, dass die Hauptuntersuchung durchgeführt und die Plakette erteilt wurde.“ „Zwar hat der Bundesgerichtshof unlängst entschieden, dass die in einem Kaufvertrag enthaltene Eintragung „HU neu“ bei interessengerechter Auslegung die stillschweigende Vereinbarung beinhalte, dass sich das verkaufte Fahrzeug im Zeitpunkt der Übergabe in einem für die Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO geeigneten verkehrssicheren Zustand befinde und die Hauptuntersuchung durchgeführt sei. Dort handelte es sich bei dem Verkäufer jedoch um einen gewerblichen Autohändler, weshalb der BGH auf seine früheren Entscheidungen zu der Vereinbarung „TÜV neu“ verwiesen hat, denen ebenfalls Kaufverträge mit gewerblichen Kraftfahrzeughändlern zugrundelagen. Um einen gewerblichen Händler handelt es sich bei dem Beklagten allerdings gerade nicht. Hiervon abgesehen erscheint fraglich, ob nicht selbst im Bereich des gewerblichen Kraftfahrzeughandels danach unterschieden werden muss, ob der Verkäufer sein Gewerbe auf den reinen An- und Verkauf beschränkt oder darüber hinaus auch über eine eigene Werkstatt verfügt.“ Jura Intensiv Mithin liegt keine Garantie für die Beschaffenheit des Fahrzeugs gem. § 444 Alt. 2 BGB vor. B kann sich auf den wirksam vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen. Bei privaten Verkäufern bedeutet der Hinweis auf die TÜV-Plakette nur, dass sie erteilt wurde. Jede andere Auslegung überspannt den Sinngehalt der Aussage. Rspr. zur „HU neu“ ist ebenfalls nicht heranzuziehen, da sie zu gewerblichen Verkäufern ergangen ist. B. Ergebnis K steht gegen B kein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 1.450 € gem. §§ 437 Nr. 2, 440 S. 1, 323 I, 346 I BGB zu. FAZIT Ein privater Gebrauchtwagenverkäufer, der angibt, das Fahrzeug habe „neuen TÜV“, erklärt damit nicht zugleich stillschweigend, die TÜV-Plakette sei dem Fahrzeug zu Recht zugeteilt worden und bei seiner Übergabe an den Käufer verkehrssicher. Die Grundsätze, die der BGH für Gebrauchtwagenhändler mit eigener Werkstatt entwickelt hat, gelten insoweit nicht. Die Gewährleistungsrechte können daher zum Nachteil des Käufers wirksam ausgeschlossen werden, soweit der Verkäufer den Mangel nicht arglistig verschwiegen oder eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung getroffen hat. Inhaltsverzeichnis

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