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RA Digital - 11/2016

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602 Referendarteil:

602 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 11/2016 Die (angeblich) fehlende Bestimmtheit wird bei Nutzungsuntersagungen häufig gerügt. Entscheidend ist, dass der Adressat in der Lage ist zu erkennen, was genau von ihm verlangt wird. Hierbei kommt es auf den objektiven Erklärungswert des VA unter Berücksichtigung aller Umstände an. „Problemaufhänger“: Betreff des Bescheides war ungenau. Typische Formulierung, um das Vorbringen eines Beteiligten einzubinden. Die einschlägige Ermächtigungsgrundlage ist richtigerweise ganz am Anfang, also noch vor der formellen Rechtmäßigkeit, zu nennen. Formelle Illegalität Sehr häufiges Problem in BauR- Klausuren im 2. Examen: Ist die umstrittene Errichtung oder Nutzung einer baulichen Anlage durch existierende Genehmigungen oder den Bestandsschutz legitimiert (Stichwort: „Variationsbreite“). Verlangt eine genaue Untersuchung der erteilten Genehmigungen bzw. bisher ausgeübten Nutzung. Zum „mitgezogenen“ Betriebsteil vgl. BVerwG, Urteile vom 22.1.2009, 4 C 17.07, BRS 74 Nr. 109, und vom 30.11.1984, 4 C 27.81, BRS 42 Nr. 81. Keine Legalisierung durch frühere zulässige Nutzung, da jetzige Nutzung wesensverschieden. Keine Legalisierung durch Vorbescheid, Beschluss der Gemeindevertretung und Eintragung ins Grundbuch Die in Ziffer 1 des Bescheides angeordnete Nutzungsuntersagung ist entgegen der Auffassung des Klägers nach § 37 Abs. 1 VwVfG, der über § 1 VwVfG Bbg anwendbar ist, hinreichend bestimmt. Die Untersagung bezieht sich auf die “Nutzung des Lagerplatzes auf dem o.g. Grundstück” und damit auf den gesamten, mit ca. 6.100 m2 bezeichneten und in der Begründung näher erläuterten Teilbereich des Grundstücks, der als Lagerfläche genutzt wird und nicht lediglich auf dessen Erweiterung. Dies ergibt sich auch hinreichend deutlich daraus, dass dem Kläger zudem eine „vollständige Beräumung“ aufgeben wird. Dass im Betreff des Bescheides das Vorhaben als “Erweiterung des bestehenden Lagerplatzes im Außenbereich“ bezeichnet ist, macht die Nutzungsuntersagung nicht unbestimmt. Diese Bezeichnung ist vielmehr – wie der Beklagte zutreffend ausgeführt hat – dem Umstand geschuldet, dass sich der Lagerplatz im Vergleich zu den Vorjahren, in denen unterschiedliche Behörden bereits mit dem Grundstück befasst waren, deutlich erweitert hat. Die Nutzungsuntersagung selbst lässt jedoch klar und eindeutig erkennen, dass sie sich auf den Lagerplatz insgesamt und nicht auf eine Erweiterung bezieht, so dass der Kläger sein Verhalten ohne weiteres danach ausrichten konnte. Die Nutzungsuntersagung rechtfertigt sich aus § 73 Abs. 3 BbgBO, wonach die Nutzung einer baulichen Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht, untersagt werden kann. Die tatbestandlichen Voraussetzungen zum Erlass der Nutzungsuntersagung liegen vor. Die Nutzung des streitgegenständlichen F...zur Lagerung von Baustoffen, Containern, Paletten, Steinen, Reifen, Fässern, Baumaschinen, Autos und Bauschutt erfolgt formell illegal, da der Kläger über keine Baugenehmigung für die diesbezügliche Nutzung verfügt. Es bedarf indes einer Baugenehmigung für diese Nutzung, da es sich um ein genehmigungspflichtiges Vorhaben im Sinne von § 54 BbgBO handelt. […] Die vormalige Nutzung als Lagerplatz zu DDR-Zeiten entbindet die gegenwärtige Nutzung nicht vom Erfordernis einer Baugenehmigung. Selbst dann, wenn Teile des Flurstücks - wie der Kläger vorträgt - von der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) als Mietenplatz sowie dem A... zum Vorhalten von Düngemitteln genutzt worden sind, unterscheidet sich die nunmehr dort ausgeübte Nutzung davon signifikant. Die ursprüngliche Nutzung war landwirtschaftlicher Art und deshalb jedenfalls von der Privilegierung eines landwirtschaftlichen Betriebes „mitgezogen“. Die der bisherigen Nutzung zukommende Variationsbreite des nach § 35 Abs. 1 BauGB bevorrechtigten landwirtschaftlichen Betriebes ist mithin mit der Nutzungsaufnahme durch den Kläger verlassen worden. Für die neue Nutzung des Flurstücks durch den gewerblich tätigen Kläger gelten andere öffentlich-rechtliche Anforderungen als für die vormalige landwirtschaftliche Nutzung. Eine genehmigungsfreie Nutzungsänderung […] kann angesichts dessen nicht angenommen werden. Jura Intensiv Eine Baugenehmigung für die gegenwärtige Nutzung wurde nicht erteilt. Eine Legalisierung der Nutzung ist ebenso wenig in dem von der G... am 14. Mai 1992 erteilten sog. „Vorbescheid“ zu sehen. Dieser steht einer Baugenehmigung nicht gleich. Entsprechendes gilt sowohl für den – wohl niemals umgesetzten – Beschluss der Gemeindevertretung Inhaltsverzeichnis

RA 11/2016 Referendarteil: Öffentliches Recht 603 der G... vom 20. September 1990 zur beabsichtigten Aufstellung eines Flächennutzungsplanes als auch für die Eintragung der Nutzungsartenänderung im Grundbuch im Jahr 1991. Ferner ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass eine Nutzungsuntersagung auch die Verpflichtung zum Entfernen von Gegenständen beinhalten kann, wenn sich die rechtswidrige Nutzung gerade im Vorhandensein bestimmter Gegenstände manifestiert. Üblicherweise trifft dies bei Lagerplätzen zu. Weil die rechtswidrige Nutzung eines Grundstücks als Lagerplatz fortdauert, solange dort die Lagerung von Gegenständen anhält, beinhaltet die Anordnung, die rechtswidrige Nutzung zu unterlassen, regelmäßig zugleich die Verpflichtung, die gelagerten Gegenstände und eine vorhandene Einfriedung zu entfernen. Die vorliegend erfolgte Anordnung, den Lagerplatz vollständig zu beräumen, ist deshalb Nutzungsuntersagung im engeren Sinne und kann folglich auf § 73 Abs. 3 BbgBO gestützt werden. Ermessensfehler sind ebenfalls nicht gegeben. Im Hinblick auf die rechtmäßige bauliche Entwicklung sichernde Ordnungsfunktion des formellen Baurechts rechtfertigt grundsätzlich bereits allein die formelle Illegalität der in Rede stehenden baulichen Anlage eine Nutzungsuntersagung. Die Bauaufsichtsbehörde kann sich also damit begnügen, lediglich insoweit Erwägungen anzustellen. Der betroffene Bauherr wird durch die Nutzungsuntersagung nämlich lediglich so gestellt wie der rechtstreue Bauherr, der zunächst den Ausgang eines Baugenehmigungsverfahrens abwartet, bevor er ein genehmigungspflichtiges Vorhaben errichtet und/oder nutzt. Ein Absehen von der Nutzungsuntersagung kann deshalb nur geboten sein, wenn das Vorhaben offensichtlich materiell legal, d.h. genehmigungsfähig ist, oder unter Bestandsschutz steht oder wenn bei atypischen Fallgestaltungen ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip vorliegt. Offensichtlich ist die materielle Rechtmäßigkeit aber nur dann, wenn sich die Übereinstimmung des Vorhabens mit den Vorschriften des materiellen Baurechts derart aufdrängt, dass jegliche nähere Prüfung von vornherein entbehrlich erscheint. Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit ist schon deshalb zu verneinen, weil das klägerische Grundstück im Außenbereich belegen ist, in welchem die Errichtung nicht privilegierter baulicher Anlagen in aller Regel öffentliche Belange beeinträchtigt (vgl. § 35 Abs. 3 BauGB). Auf einen bis heute fortwirkenden Bestandsschutz kann sich der Kläger nach den obigen Ausführungen schon deshalb nicht berufen, weil eine - wohl früher stattgefundene - landwirtschaftliche Nutzung aufgegeben wurde und weder der „Vorbescheid“ noch die Eintragung der Nutzungsartenänderung das Vorhaben zu legalisieren vermögen. Dass eine atypische Fallgestaltung gegeben sein könnte, ist gleichfalls nicht zu erkennen. Jura Intensiv Wichtig! EGL für Nutzungsuntersagung kann auch den Erlass einer Räumungsverfügung legitimieren. Also kein Rückgriff auf baurechtliche Generalklausel erforderlich. Vgl. OVG Brandenburg, Beschluss vom 4.9.1995, 3 B 53/95; VG Potsdam, Beschluss vom 14.1.2009, 4 L 577/08, und Beschluss vom 13.12.2010, VG 4 L 521/09. Unzulässiger Gutachtenstil Grundsatz: Formelle Illegalität für Nutzungsuntersagung ausreichend Unzulässiger Gutachtenstil Zentrales Argument dafür, dass formelle Illegalität grds. ausreichend ist. Ausnahmen: Vorhaben ist offensichtlich genehmigungsfähig, steht unter Bestandsschutz oder wegen einer atypischen Fallgestaltung liegt ein Verstoß gegen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor. Nach Darlegung der allgemeinen Grundsätze erfolgt die Subsumtion des konkreten Sachverhalts. Inhaltsverzeichnis

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