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RA Digital - 11/2017

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578 Referendarteil:

578 Referendarteil: Zivilrecht RA 11/2017 Typische Antragsfassung bei Beratungshaftung: Die Beteiligung muss hinreichend genau benannt werden, dies geschieht i.d.R. durch Angabe der Wertpapierkennnummer, sog. „WKN“. Eine andere Variante des TB-Aufbaus bei einer Widerklage wäre es, die Anträge erst nach dem Beklagtenvorbringen zu zitieren. Dies bietet sich an, wenn der Vortrag zur Widerklage einen wesentlich anderen Sachverhalt betrifft als der zur Klage. Die Verjährungseinrede steht hier im Präsens, da sie noch fortwirkt. Eine durchgeführte Beweisaufnahme wird in der Prozessgeschichte erwähnt. Das Beweisthema kann aufgrund des Verweises auf den Beschluss erfahren werden. Bezüglich des Ergebnisses wird unter Angabe des Datums und der Seitenzahl auf das Protokoll verwiesen. Siehe zu Vertriebsmitarbeitern als Erfüllungsgehilfen BGH, Urteil vom 14.05.2012, II ZR 69/12 und vom 14.07.2003, II ZR 202/02 Eigene Haftungsgrundlage des Beklagten zu 2) aus §§ 280 I, 311 III 2, 241 II BGB Der Kläger beantragt, die Beklagten zu verurteilen, Zug um Zug gegen Rückübertragung der Beteiligung an der F GmbH & Co. KG, WKN ..., an ihn 80.000 € zu zahlen sowie Zinsen in Höhe von 4 % p.a. hieraus seit dem 23.09.2007. Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen. Die Beklagte zu 1 beantragt drittwiderklagend, festzustellen, dass der Drittwiderbeklagten aus der durch den Beklagten zu 2) am 16.09.2007 durchgeführten Anlageberatung gegenüber der Beklagten zu 1) keinerlei Schadensersatzansprüche zustehen. Die Drittwiderbeklagte beantragt, die Widerklage abzuweisen. Die Beklagten erheben die Einrede der Verjährung. Sie meinen, der Verjährungseintritt sei dadurch gegeben, dass dem Kläger und seiner Frau die Anlagerisiken aufgrund fehlender Lektüre des Prospekts grob fahrlässig verborgen geblieben seien. Das Gericht hat Beweis erhoben aufgrund des Beweisbeschlusses vom …, Bl. … d.A., durch Vernehmung des Klägers und der Drittwiderbeklagten als Parteien. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom …, Bl. … d.A. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die Klage ist zulässig und begründet. Die zulässige isolierte Drittwiderklage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) sowohl aus eigenem als auch aus abgetretenem Recht einen Schadensersatzanspruch gemäß § 280 I 1 BGB wegen Schlechterfüllung eines Anlageberatungsvertrages, der sich auf die beantragte Rückabwicklung nebst Ersatz entgangenen Gewinns erstreckt. Die Beklagte zu 1) muss sich die fehlerhafte, auf Fahrlässigkeit beruhende Beratung durch den Beklagten zu 2) gem. § 278 BGB zurechnen lassen, weil dieser ihr Erfüllungsgehilfe ist. Jura Intensiv Unstreitig hat sich die Beklagte zu 1) als Gründungsgesellschafterin für die vertraglichen Verhandlungen über den Beitritt von Anlegern zu der Fondsgesellschaft eines Vertriebs bedient, sowie den von diesem eingeschalteten Untervermittlern - hier dem Beklagten zu 2) - die geschuldete Aufklärung der Beitrittsinteressenten überlassen, weshalb sie für deren unrichtige oder unzureichende Angaben nach § 278 BGB haftet. Die persönliche Haftung des Beklagten zu 2) ergibt sich aus dem aufgrund der familiären Beziehung zu dem Kläger und der Drittwiderbeklagten bestehenden Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens und der erheblichen Einflussnahme auf den Vertragsschluss, § 311 III 2 BGB. Eine fehlerhafte Beratung seitens des Beklagten zu 2), die sowohl bei ihm als auch über § 278 BGB zur Haftung bei der Beklagten zu 1)führt, liegt darin, dass der Beklagte zu 2) den Kläger und die Drittwiderbeklagte mündlich unrichtig oder unvollständig beraten hat. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 11/2017 Referendarteil: Zivilrecht 579 Unstreitig ist dem Kläger und der Drittwiderbeklagten nicht rechtzeitig ein fehlerfreier Emissionsprospekt übergeben worden, so dass die erforderliche objektgerechte Beratung nicht hierdurch ersetzt worden ist. Darüber hinaus ist es den hierfür nach den allgemeinen Grundsätzen beweisbelasteten Kläger und Drittwiderbeklagten gelungen, zur vollen Überzeugung des Gerichts i.S.v. § 286 I ZPO nachzuweisen, dass seitens der Beklagten verschiedene Beratungsfehler vorlagen. Die seitens des Klägers als Zeugin angebotene Ehefrau kann nicht mehr als solche vernommen werden, da sie nunmehr aufgrund ihrer prozessualen Stellung als Drittwiderbeklagte Partei ist und deshalb nicht mehr Zeugin sein kann. Allerdings waren der Kläger und die Drittwiderbeklagte aufgrund des vorliegenden Anbeweises von Amts wegen als Parteien zu vernehmen, § 448 ZPO. In diesem Rahmen haben ihre glaubhaften Angaben das Gericht überzeugt. Der Beklagte zu 2) war seinerseits nicht als Partei zu vernehmen, da es hierfür am erforderlichen Anbeweis fehlte. „Auf die hier vorliegende Fallkonstellation eines nur zwischen den Parteien selbst ohne Zeugen geführten Gesprächs finden die Vorschriften der §§ 445 ff. ZPO über die Parteivernehmung Anwendung, die subsidiär gegenüber der vorrangigen Ausschöpfung anderweitiger - hier nicht zur Verfügung stehender - Beweismittel ist. (…) Eine außerdem mögliche Parteivernehmung von Amts wegen nach § 448 ZPO hat grundsätzlich das Bestehen einer gewissen Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Behauptungen der beweisbelasteten Partei aufgrund des bisherigen Verhandlungsergebnisses bei einer non-​liquet-​Situation im Übrigen zur Voraussetzung. Dieser sogenannte „Anbeweis“ kann sich aus einer schon durchgeführten Beweisaufnahme oder aus dem sonstigen Verhandlungsinhalt, insbesondere aus einer Anhörung nach § 141 ZPO oder aus Ausführungen der Partei nach § 137 IV ZPO ergeben.“ Dabei ergibt sich vorliegend diese gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des klägerischen Vorbringens daraus, dass der Kläger bei seiner informatorischen Anhörung in der erstinstanzlichen Verhandlung nach § 141 ZPO unter anderem ausdrücklich angegeben hat, ihm und der Drittwiderbeklagten sei bei dem Beratungsgespräch am 16.09.2007 erklärt worden, dass sie „Zinsen bekommen und eine Altersvorsorge haben“ und außerdem „immer an das Geld herankommen“ würden (Sitzungsprotokoll S. 2). Die angebliche Geeignetheit der empfohlenen Kapitalanlagen als Altersvorsorge und die jederzeitige Verfügbarkeit der angelegten Gelder haben beide Eheleute dabei übereinstimmend als ursächlich für ihre Anlageentscheidung bezeichnet. Jura Intensiv Diese Angaben erscheinen plausibel. Für ihre Richtigkeit spricht insbesondere die unstreitig gebliebene Tatsache, dass die als Arbeiter und Altenpflegerin tätigen und zum Zeichnungszeitpunkt noch ungefähr zehn Jahre vor Rentenbeginn stehenden Eheleute ihr ganzes, nicht übermäßig großes Vermögen bis zu dessen „Optimierung“ durch den Beklagten zu 2) nur in sehr sicheren und als klassische Altersvorsorgeanlagen zu bezeichnenden Kapitalanlagen wie Sparbüchern, Lebens- und Rentenversicherungen sowie Bausparverträgen angelegt hatten. Demgegenüber sind die streitigen unternehmerischen Beteiligungen an einem spekulativen Handel mit Bei der Anlageberatung ist die sogenannte subjekt- und objektgerechte Beratung geschuldet. Letztere bezieht sich auf das Anlageobjekt (z.B. die darin liegenden Risiken). Die rechtzeitige – wann dies der Fall ist, ist eine Frage des Einzelfalls – Übergabe eines fehlerfreien Prospekts kann eine etwaige individuelle und mündliche Beratung ersetzen. Aufgrund der Widerklage scheidet die Ehefrau als Zeugin aus. Dies ist der Zweck der Drittwiderklage. Allerdings half dem Kläger und seiner Frau hier die mögliche – und vom BGH in der Originalentscheidung für notwendig erachtete und ggü. dem Berufungsgericht angeordnete – Parteivernehmung. Diese ist im Falle des § 448 ZPO nur unter engen, aber hier vorliegenden Voraussetzungen zulässig. Dies sind die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Parteivernehmung von Amts wegen bei Vorliegen des „Anbeweises“. Sie dazu BGH, Urteil vom 08.07.2010, III ZR 24/09 und vom 19.04.2002, V ZR 90/01. Der Anbeweis ergibt sich hier aus der informatorischen Anhörung. Der Kläger und die Drittwiderbeklagte mussten daher also zweimal „vernommen“ werden, einmal im Rahmen der Anhörung, die zur Präzisierung des Streitstands gehört, und einmal formell im Rahmen der Beweisaufnahme. Umfassende Würdigung der verschiedenen Angaben des Klägers und seiner Frau, auch durch den BGH! © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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