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RA Digital - 11/2018

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574 Zivilrecht

574 Zivilrecht RA 11/2018 Problem: Schadensersatz bei Verstoß gegen ein erbvertragliches Verfügungsverbot Einordnung: Erbrecht, Schuldrecht AT LG Saarbrücken, Urteil vom 27.09.2018 14 O 35/17 LEITSATZ 1. Verstößt der potenzielle Erblasser gegen ein erbvertraglich vereinbartes schuldrechtliches Verfügungsverbot hinsichtlich des Immobiliennachlasses durch Veräußerung des Grundstücks, so hat der potenzielle Erbe mangels kausalem Schaden durch die hierin bestehende Pflichtverletzung keinen Anspruch auf Schadenersatz unter Zugrundelegung der Differenzhypothese nach §§ 249 ff. BGB. 2. Ist in einem Erbvertrag geregelt, dass die potenziellen Erblasser sich bei einem Verstoß gegen das Verfügungsverbot „schadensersatzpflichtig in Geld“ machen, so ist der gewollte Schadensumfang durch Auslegung des Erbvertrags nach §§ 133, 157 BGB zu bestimmen. Tritt hierbei der Wille der Vertragsparteien, dem potenziellen Erben eine bestimmte, von den gesetzlichen Regelungen abweichende Position zu verschaffen nicht eindeutig hervor, ist im Zweifel das Eintreten der gesetzlichen Folgen der §§ 249 ff. BGB als gewollt anzusehen. EINLEITUNG Der vorliegende Fall befasst sich mit einer Schadensersatzklausel in einem Erbvertrag, nach der das Kind Anspruch auf Schadenersatz in Geld hat, wenn der überlebende Elternteil nach dem Tod des anderen Elternteils über eine Immobilie der Eltern verfügt. SACHVERHALT Die Klägerin (K) ist die Tochter der Beklagten (B). Durch notariellen Vertrag vom 19.07.2002 schloss K mit ihren Eltern, der B und deren am 10.09.2008 verstorbenen Ehemann, einen Erbvertrag. In diesem Erbvertrag setzten sich die Eltern der K gegenseitig als alleinige unbeschränkte Erben ihres ganzen Vermögens ein. Als Erbin des bzw. der Letztversterbenden und für den Fall des gleichzeitigen Ablebens setzten die Eheleute ihre Tochter ein. K verzichtete gleichzeitig mit Wirkung zulasten ihrer gegenwärtigen und zukünftigen Abkömmlinge auf den gesetzlichen Pflichtteil am Nachlass des erstversterbenden Elternteils. Darüber hinaus verpflichteten sich die Eheleute bzw. der Überlebende von ihnen, insbesondere im Hinblick auf den Pflichtteilsverzicht der Tochter, über ihren Immobiliennachlass nicht ohne Zustimmung der Tochter zu verfügen. Der Erbvertrag lauter unter Ziffer 8 wie folgt: „Im Hinblick auf den vorstehenden Pflichtteilsverzicht der Tochter, verpflichten sich beide Eheleute bzw. der Überlebende von Ihnen, über ihren Immobiliennachlass nicht ohne Zustimmung der Tochter zu verfügen, d.h. insbesondere nicht zu verkaufen, zu verschenken, zu vertauschen und nicht grundbuchmäßig zu belasten, widrigenfalls sie in Geld schadensersatzpflichtig würden.“ Nach dem Tod ihres Vaters macht K im Hinblick auf den Erbvertrag keinerlei Pflichtteilsansprüche geltend. B adoptiert im Jahr 2010 ihre Enkelin A, die Tochter der K, die bei ihr und ihrem verstorbenem Ehemann größtenteils aufgewachsen ist. In der Folgezeit veräußert B ihr Haus zu einem Kaufpreis von 225.000 €. Dieses stand vor dem Tod ihres Ehemanns jeweils zur Hälfte im Eigentum beider Ehegatten. Am 01.02.2017 verzieht B nach Hamburg. Am 27.02.2017 zahlt B einen Betrag i.H.v. 28.125 € an K. K ist der Ansicht, die Adoption ihrer Tochter sei nur zu dem Zwecke erfolgt, um über deren Pflichtteilsrecht den Wert ihres Erbes zu schmälern. Durch den Verkauf habe B zudem bewusst und vorsätzlich gegen die Verpflichtung im Erbvertrag vom 19.07.2002 verstoßen. Sie, die K, habe erst am 13.02.2017 vom Hausverkauf erfahren und habe daher weder Einwände erheben noch ihre Zustimmung versagen können. Die Zahlung der B sei erfolgt, ohne dass diese die Ansprüche abschließend abgelten sollte. K verlangt daher von B Schadensersatz i.H.v. 196.875 € aus § 280 I BGB. B erwidert, dass die Adoption der A nicht geschehen sei, um die Erbeinsetzung der K zu hintertreiben, sondern weil A seit ihrer Geburt im Haushalt der Großeltern lebte und dadurch ein intensives Eltern-Kind-Verhältnis entstanden sei. Zudem habe K Kenntnis von ihren Veräußerungsabsichten gehabt. Zu Recht? Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 11/2018 Zivilrecht 575 PRÜFUNGSSCHEMA A. K gegen B gem. § 280 I BGB I. Schuldverhältnis II. Pflichtverletzung III. Vertretenmüssen IV. Schaden i.S.d. §§ 249 ff. BGB B. Ergebnis LÖSUNG A. K gegen B gem. § 280 I BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Schadensersatz i.H.v. 198.000 € gem. § 280 I BGB haben. I. Schuldverhältnis Das zwischen den Parteien zu Grunde liegende Schuldverhältnis liegt in dem zwischen den Parteien sowie dem verstorbenen Ehemann der B geschlossenen notariellen Erbvertrag vom 19.07.2002. II. Pflichtverletzung Eine Pflichtverletzung könnte in der Eigentumsübertragung des streitgegenständlichen Grundstücks durch B liegen. „[30] In dem Erbvertrag haben sich B und ihr verstorbener Ehemann gegenüber der K explizit dazu verpflichtet über das Grundstück nicht ohne die Zustimmung der Tochter zu verfügen. Es kann hierbei dahinstehen, ob die K, wie es B behauptet, Kenntnis von deren Veräußerungsabsichten hatte. Denn es wurde hier ein Verfügungsverbot ohne die Zustimmung der K explizit vereinbart. Ihre bloße Kenntnis und eine daraus resultierende fehlende Reaktion kann vor diesem Hintergrund nicht ohne weiteres als stillschweigende konkludente Zustimmung zu dem Verkauf nach §§ 133, 157 BGB ausgelegt werden. Von einem objektiven Empfängerhorizont aus Position der B kann die bloße Nichtäußerung der K hier nicht als Zustimmung zu dem streitgegenständlichen Verkauf des Grundstücks angesehen werden. Die lediglich schuldrechtliche Verpflichtung gegenüber der K, über das Grundstück nicht dinglich zu verfügen, ist auch in Ansehung von § 137 BGB wirksam zwischen den Parteien des Erbvertrags vereinbart worden.“ Jura Intensiv Rechtsgeschäftliche Verfügungsverbote entfalten gem. § 137 S. 1 BGB keine dinglichen Wirkungen. § 137 S. 2 BGB stellt aber klar, dass ein Verstoß gegen das Verbot zu einer schuldrechtlichen Pflichtverletzung mit Schadensersatzpflicht führen kann. Da B das Grundstück ohne Zustimmung ihrer Tochter veräußerte, verstieß sie gegen die Verpflichtungen aus dem Erbvertrag. Eine Pflichtverletzung i.S.d. § 280 I BGB liegt damit vor. III. Vertretenmüssen B hat sich in dem Erbvertrag ausdrücklich dazu verpflichtet, keine Grundstücksverfügung ohne die Zustimmung ihrer Tochter vorzunehmen. Indem sie dieser vertraglichen Regelung, von der sie Kenntnis hatte, zuwider handelte, hat sie zumindest die im Verkehr erforderliche Sorgfalt i.S.v. § 276 II BGB nicht beachtet und damit fahrlässig gehandelt. B hat die Pflichtverletzung zu vertreten. IV. Schaden i.S.d. §§ 249 ff. BGB K müsste auch ein Schaden i.S.d. §§ 249 ff. BGB entstanden sein. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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