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RA Digital - 11/2018

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586 Referendarteil:

586 Referendarteil: Zivilrecht RA 11/2018 Typisch: Im Falle der Verletzung einer VSP hilft dem Kläger bei der Kausalität der Anscheinsbeweis. Diesen muss der Beklagte widerlegen. Gelingt dies nicht, wird ebenso das Verschulden vermutet. § 840 BGB regelt bei mehreren Haftungsschuldnern nach außen hin die gemeinsame Haftung. Wie sie untereinander und im Verhältnis zum Streithelfer haften, ist Frage ihres Innenverhältnisses und für ihre Haftung nach außen irrelevant. Maßstab des § 254 BGB: Verstoß gegen die gebotene Eigenvorsorge, Außerachtlassen der erforderlichen Sorgfalt gegenüber sich selbst, siehe BGH, Urteil vom 17.06.2014, VI ZR 281/13 Subsumtion des Verhaltens des Zeugen L Abwägung der Verursachungsbeiträge, um die Haftungsquote zu ermitteln. Entscheidend war die Dunkelheit als Ursache, die auch den Zeugen zu höherer Vorsicht hätte anhalten müssen. Übergang auf den Träger der Sozialversicherung Anspruchshöhe Die Beklagte zu 2) haftet kraft Übernahme für Gefahren, die von den Bauarbeiten ausgehen (vgl. oben). Kausalität und Verschulden werden nach den obigen Grundsätzen vermutet. Auch die Zweitbeklagte haftet daher dem Grunde nach. Beide Beklagte haften als Gesamtschuldner gem. § 840 I BGB. Dem Zeugen L fällt jedoch ein unfallursächliches Mitverschulden zur Last, welches mit 50 Prozent zu bemessen ist. „[30] Eine Anspruchskürzung nach § 254 BGB setzt voraus, dass der Geschädigte an der Entstehung des Schadens zurechenbar mitgewirkt hat im Sinne eines Verstoßes gegen die gebotene Eigenvorsorge. Wer diejenige Sorgfalt außer acht lässt, die nach Lage der Dinge erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, muss nach Treu und Glauben eine Kürzung seines Anspruchs hinnehmen. Das ist dann anzunehmen, wenn der Verletzte diejenige Sorgfalt außer acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigener Schäden anzuwenden pflegt. Nach diesen Grundsätzen fällt dem Zeugen L ein haftungsminderndes Mitverschulden zur Last. Er konnte erkennen, dass es im Hof dunkel war. Er wusste auch, dass Bauarbeiten stattfanden und ist nach seinen Angaben sogar über die Querstrebe eines Gerüstes gestiegen. Aufgrund des Gesamtbildes hätte ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung von Eigenschäden damit gerechnet, dass sich im Zuge der Bauarbeiten Hindernisse wie etwa Vertiefungen auf dem Hof befinden könnten, und sich mit höchster Sorgfalt tastend fortbewegt, wobei der Unfall dann vermeidbar gewesen wäre. Das Gericht gewichtet die wechselseitigen schuldhaften Verursachungsbeiträge im wesentlichen gleich hoch, so dass sich eine hälftige Haftung der Beklagten ergibt. Ausschlaggebend ist dabei insbesondere die Überlegung, dass Hauptursache des Unfalles die zur Unfallzeit herrschende Dunkelheit war, die den Graben nicht erkennbar machte. Diese war zwar von den Parteien nicht zu beeinflussen, schlägt aber gleichgewichtig auf beiden Seiten haftungsbegründend zu Buche. Gerade wegen der Möglichkeit eines Personenverkehrs in Hof bei Dunkelheit wäre der Graben besser abzusichern gewesen; umgekehrt hätte gerade die herrschende Dunkelheit den Zeugen L in Kenntnis von den Bauarbeiten zur höchsten Sorgfalt anhalten müssen.“ Jura Intensiv Der Schadensersatzanspruch des Zeugen L ist gemäß § 116 SGB X auf die Klägerin übergegangen, soweit sie Leistungen in Bezug auf das gegenständliche Unfallereignis zu erbringen hat. Unter Berücksichtigung der Haftungsquote von 50 % ergibt sich somit der zuerkannte Zahlungsanspruch nebst Zinsen. Die mit den Anlagen K 2 bis K 12 belegten medizinischen Leistungen waren unfallbedingt erforderlich. Von der Gesamtsumme von 17.680,83 € haben die Beklagten die Hälfte zu erstatten. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 11/2018 Referendarteil: Zivilrecht 587 Der Feststellungsantrag zu 2) ist zulässig. Insbesondere liegt das nach § 256 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse vor. Die Klägerin kann hinsichtlich zukünftiger Schäden, die sich noch in der Entwicklung befinden, noch keine Leistungsklage erheben. Auch der Feststellungsantrag ist zu 50 % begründet. Er hätte nur dann abgelehnt werden können, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund gegeben ist, mit dem Eintritt eines künftigen Schadens wenigstens zu rechnen, wenn also vorliegend nicht mit weiteren unfallbedingten Aufwendungen der Klägerin für den Zeugen L zu rechnen wäre. „Die Klägerin beruft sich (unter Vorlage einer zahnärztlichen Stellungnahme, Anlage K 13) insoweit darauf, dass infolge des Unfalls mehrere Zähne des Zeugen überkront werden mussten und die Kronen bei der mutmaßlichen Restlebensdauer des Zeugen noch mehrfach erneuert werden müssten. Die Beklagten berufen sich dem gegenüber darauf, dass der Zeuge schon vor dem Unfall Kronen hatte und diese auch ohne den Unfall irgendwann hätten erneuert werden müssen. Die diesbezügliche Argumentation der Beklagten ist aus mehreren Gründen unbehelflich. Zum einen erfolgt sie ins Blaue hinein; aus den vorliegenden Unterlagen ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der Zeuge schon vor dem Unfall Kronen hatte, so dass die Beklagtenseite hier ohne jeden Anhaltspunkt spekuliert; soweit in Anlage K 13 von einer „Erneuerung der Kronen“ die Rede ist, bezieht sich dies offensichtlich auf die Zukunft und besagt nicht, dass der Zeuge schon vor dem Unfall Kronen hatte. Und zum anderen liegt es unabhängig von dieser Fragestellung angesichts der dokumentierten Schwere der Gesichts- bzw. Gebissverletzungen des Zeugen nicht fern, dass hierwegen zukünftig weitere Leistungspflichten der Klägerin entstehen können.“ Die Klageforderung ist nicht verjährt. Jura Intensiv Die Verjährungseinrede hat zunächst nur die Beklagte zu 2) erhoben. Damit stellt sich die Verjährungsproblematik hinsichtlich der Beklagten zu 1) nicht, § 425 II BGB. Verjährung ist auch in Richtung gegen die Beklagte zu 2) nicht eingetreten. Regulär hätte der Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist am 31.12.2010 begonnen und damit am 31.12.2013 geendet (§ 195, 199 BGB). Für den Beginn der Verjährung von nach § 116 SGB X übergegangenen Regressansprüchen kommt es auf die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis der Mitarbeiter der Regressabteilung des Versicherungsträgers an, vorherige Kenntnisse des Geschädigten lösen den Verjährungsbeginn nicht aus. Nach unwidersprochenem Klägervortrag erhielt diese im Lauf des Jahres 2010 Kenntnis von dem Unfall. Bei Feststellungsanträgen sollten Sie immer kurz etwas zur Zulässigkeit, insbesondere zum Feststellungsinteresse schreiben Das Gericht führt zwar nicht aus, um welche Voraussetzung es sich hier handelt, aber es handelt sich eigentlich auch um eine Frage des Feststellungsinteresses, siehe dazu BGH, Urteil vom 09.01.2007, VI ZR 133/06, Rn 5 Bestreiten ins Blaue hinein kann das Gericht ignorieren. Dann wird diese Tatsache wie eine unstreitige behandelt. Allerdings muss dargestellt werden, warum das Gericht das Bestreiten für einen Vortrag ins Blaue hinein hält. Nur die Beklagte zu 2 hat die Einrede erhoben. Bei Gesamtschuldnern wirken Einreden gem. § 425 BGB nur gegen und zugunsten des Gesamtschuldners und gegen den sie erhoben werden. Knifflige Rechtsfrage: Auf wessen Kenntnis kommt es für den Verjährungsbeginn bei übergegangenen Ansprüchen an? (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, § 199 BGB, Rz. 26 mwN) Die Verjährung war jedoch nach § 203 BGB durch Verhandlungen gehemmt vom 18.07.2012 bis zum 22.10.2015. Insoweit muss sich die Beklagte zu 2) die Verhandlungen ihrer Haftpflichtversicherung (A) mit der Klägerin gem. § 100 VVG in Verbindung mit Ziffer 5.2 AHB zurechnen lassen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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