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RA Digital - 11/2018

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590 Nebengebiete

590 Nebengebiete RA 11/2018 LÖSUNG Nach dieser Vorschrift sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis, über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses, aus Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses und aus dessen Nachwirkungen, aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen sowie über Arbeitspapiere. Die Bestellung zum Geschäftsführer und das zugrundeliegende Vertragsverhältnis sind strikt voneinander zu trennen. BAG, Beschluss vom 15. November 2013, 10 AZB 28/13, Rn 16, 18 [13] Die fristgerecht eingelegte und insgesamt zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht gemäß § 17a Abs. 3 GVG die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen verneint und den Rechtsstreit an das zuständige Landgericht Köln verwiesen. Denn der Kläger ist kein Arbeitnehmer iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG. [14] 1.) (…) Der Kläger war jedoch Geschäftsführer und nicht Arbeitnehmer der Beklagten. [15] a) Der Anstellungsvertrag des Geschäftsführers einer GmbH ist regelmäßig ein auf die Geschäftsbesorgung durch Ausübung des Geschäftsführeramtes gerichteter freier Dienstvertrag (...), der nachrangig zum gesellschaftsrechtlichen Organverhältnis diejenigen Rechtsbeziehungen zwischen dem Geschäftsführer und der Gesellschaft regelt, welche nicht bereits durch die organschaftliche Stellung des Geschäftsführers vorgegeben sind (...). Demgemäß haben die Parteien den zwischen ihnen geschlossenen Anstellungsvertrag ausdrücklich als „Dienstvertrag“ bezeichnet und dessen Wirksamkeit in der Präambel des Vertrages unter die aufschiebende Bedingung gestellt, dass sämtliche Arbeitsverhältnisse des Klägers mit anderen Gesellschaften bis spätestens zum 31.03.2016 beendet sind. [16] b) Daran ändert nichts, dass er vor Ausspruch der Kündigung als Geschäftsführer abberufen wurde. Dies hatte nur zur Folge, dass die negative Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, wonach Personen, die wie Geschäftsführer gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG kraft Gesetzes zur Vertretung einer juristischen Person berufen sind, nicht als Arbeitnehmer gelten, nicht mehr greift. Denn der rechtliche Charakter des Anstellungsverhältnisses eines Organvertreters ändert sich nicht allein dadurch, dass er als Organvertreter abberufen wird. Durch den Abberufungsakt wird das Anstellungsverhältnis nicht zum Arbeitsverhältnis. Die Bestellung und die Abberufung als gesetzliches Vertretungsorgan sind ausschließlich körperschaftliche Rechtsakte. Durch sie werden gesetzliche und satzungsmäßige Kompetenzen übertragen oder wieder entzogen. Als körperschaftliche Rechtsakte haben die Bestellung zum Organ und die Beendigung der Organstellung für sich allein keinen Einfluss auf den Fortbestand und die Rechtsnatur des der Organbestellung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses (…). Jura Intensiv [17] b) Das Anstellungsverhältnis des Klägers war auch im vorliegenden Fall materiell-rechtlich nicht als Arbeitsverhältnis iSd. § 611a Abs. 1 BGB ausgestaltet. Denn der Kläger leistete keine weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit. Die vom Kläger vorgetragenen Beschränkungen seiner Geschäftsführerbefugnisse, etwa bei der Einstellung von Arbeitnehmern oder der Begründung von Dauerschuldverhältnissen, führen nicht zur Annahme eines Arbeitsverhältnisses. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 11/2018 Nebengebiete 591 aa) Beschränkungen der Geschäftsführerbefugnis sind dem GmbH- Recht immanent und können per se keine persönliche Abhängigkeit des Geschäftsführers begründen. Dies ergibt sich schon aus § 37 Abs. 1 GmbHG, wonach ein Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft verpflichtet ist, die Beschränkungen einzuhalten, die für den Umfang seiner Vertretungsbefugnis durch den Gesellschaftsvertrag oder durch die Beschlüsse der Gesellschafter festgesetzt sind. (...) [19] bb) Demgemäß begründen die im Dienstvertrag unter § 2 als zustimmungspflichtig bezeichneten Geschäfte keine persönliche Abhängigkeit des Klägers. Gleiches gilt für die Verpflichtung des Klägers, die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung vorzulegen. Diese Pflicht ergibt sich unmittelbar aus § 42a GmbHG, (...). [20] cc) Die vertraglichen Pflichten des Klägers zur Anzeige von Dienstverhinderungen (§ 7 des Dienstvertrags) oder zur Abstimmung seines Urlaubs (§ 6 Nr. 5 des Dienstvertrags), waren für die Tätigkeit des Klägers nicht prägend und erscheinen auch im Rahmen eines freien Dienstvertrages im Hinblick auf die Kontroll- und Informationsbedürfnisse der Gesellschafter ohnehin sinnvoll und geboten. [21] c) Vielmehr müssen zur Annahme eines Arbeitsverhältnisses weitere Umstände hinzutreten, aus denen sich ergibt, dass der Anstellungsvertrag aufgrund der nach der Beendigung der Organstellung verrichteten Tätigkeiten nachträglich zum Arbeitsvertrag geworden ist (...). So liegt der Fall hier aber nicht. Der Kläger war weder vor der Bestellung zum Geschäftsführer noch danach als Arbeitnehmer für die Beklagte tätig. Vielmehr haben die Parteien in ihrem Dienstvertrag ein etwaiges Arbeitsverhältnis vorsorglich ausdrücklich aufgehoben und ein Fortbestehen als ruhendes Arbeitsverhältnis ausdrücklich ausgeschlossen. [22] 2.) Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen lässt sich schließlich nicht damit begründen, es liege ein Fall vor, in dem die geltend gemachten Ansprüche lediglich auf eine arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage gestützt werden könnten (sog. sic-non-Fall). Jura Intensiv [23] a) Hauptbeispiel für einen solchen Fall ist die auf die Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses gerichtete Klage. Die entsprechenden Tatsachenbehauptungen des Klägers sind in einem solchen Fall "doppelrelevant", nämlich sowohl für die Rechtswegzuständigkeit, als auch für die Begründetheit der Klage (...). Mit der Verneinung der Zuständigkeit wäre der Rechtsstreit auch in der Sache praktisch entschieden. Würde der Rechtsstreit verwiesen, so müsste das Gericht, wenn es der Begründung folgt, die zur Verweisung geführt hat, die Klage als unbegründet abweisen (...). In evident untauglicher Weise hat der Anwalt des Klägers versucht, gesetzliche Pflichten des GmbH- Geschäftsführers in Indizien für eine persönliche Abhängigkeit umzudeuten, womit er – wenig überraschend – gescheitert ist. Das LAG legt hier sehr schön die Voraussetzungen für einen „sic-non- Fall“ vor: Macht der Kläger einen Anspruch geltend, welchen er nach seinem Vortrag nur als Arbeitnehmers haben kann, ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet. [24] b) Ein sic-non-Fall liegt hier nicht vor. Die Klage enthält auch nach der Klageerweiterung nicht ausschließlich Klageanträge, die nur dann begründet sein können, wenn das Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist und nach wirksamer Beendigung der Organstellung als solches fortbestand oder wieder auflebte. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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