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RA Digital - 11/2018

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594 Öffentliches Recht

594 Öffentliches Recht RA 11/2018 Beachte: Zwar nur ein Bescheid, aber zwei VA (Aufhebung und Rückforderung)! Also getrennte Prüfung der Rechtmäßigkeit. „Aufhebung“ ist der Oberbegriff für „Rücknahme“ und „Widerruf“ § 49 VwVfG ist nicht anzusprechen, weil evident kein Widerrufsgrund i.S.v. § 49 III 1 VwVfG vorliegt. Daher ist auch nicht das Problem zu erörtern, ob § 49 VwVfG auf rechtswidrige VA anwendbar ist (vgl. dazu Kues/Baumeister, JURA INTENSIV; Allg.VerwR, Rn 213). Problem: VA-Befugnis Für Rücknahme gewohnheitsrechtlich anerkannt Rücknahme-VA zudem erforderlich, um den Rechtsgrund für die Zahlung zu beseitigen. Ausschließliche Leistungsklage auf Rückzahlung würde am wirksamen Bewilligungsbescheid scheitern. Zudem: VA-Befugnis muss nicht ausdrücklich im Gesetz normiert sein, Herleitung im Wege der Auslegung genügt, Hier: Auslegung des § 48 VwVfG zeigt, dass Rücknahme per VA erfolgen darf. Für die Rückforderung folgt das bereits aus § 49a I 2 VwVfG. LÖSUNG Die Aufhebung und die Rückforderung sind rechtmäßig, wenn ihnen eine wirksame Ermächtigungsgrundlage zugrunde liegt, die formell und materiell rechtmäßig angewendet wurde. A. Aufhebung des Bescheids vom 30.3.2009 I. Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung Mangels spezialgesetzlicher Regelungen kommt als Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung des Bescheids nur § 48 I 1, II VwVfG in Betracht. 1. Befugnis zum Handeln per Verwaltungsakt Fraglich ist jedoch, ob die Behörde gestützt auf diese Norm gegenüber T per Verwaltungsakt handeln durfte oder ob sie nicht - wie T meint - zur Leistungsklage hätte greifen müssen. „[33] Ob die Behörde durch Verwaltungsakt handeln darf, bestimmt das maßgebliche materielle Recht. Schon vor Inkrafttreten der §§ 48 ff. VwVfG war insoweit (gewohnheitsrechtlich) anerkannt, dass eine durch Verwaltungsakt zu Unrecht gewährte Leistung […] grundsätzlich durch Verwaltungsakt zurückgenommen und zurückgefordert werden durfte. Die gesetzliche Regelung hat lediglich klargestellt, dass die Behörde in diesen Fällen einen Verwaltungsakt erlassen kann und nicht darauf angewiesen ist, ihren Erstattungsanspruch in Form einer Leistungsklage […] geltend zu machen. Der Rücknahmeentscheidung als „Gegenakt“ zum (leistungsgewährenden) Grundverwaltungsakt bedarf es wegen des ebenfalls im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatzes der Gesetzesbindung und Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Eine Leistungsklage bliebe nämlich aufgrund der bei seiner (bloßen) Rechtswidrigkeit bestehenden Bindungswirkung des gewährenden Verwaltungsakts regelmäßig ohne Erfolg. Der Begünstigte könnte einem Rückforderungsbegehren der Behörde ungeachtet der Schutzwürdigkeit seines Vertrauens immer den wirksamen und ggf. bestandskräftigen Bewilligungsbescheid als Rechtsgrund der empfangenen Leistungen entgegenhalten. Bei dieser Sachlage bestünde schon rechtstechnisch keine Möglichkeit den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen. Jura Intensiv [35] Im Übrigen genügt es vor dem Hintergrund, dass der Verwaltungsakt die typische Handlungsform der Verwaltung gegenüber dem Bürger ist, wenn sich die Befugnis, durch Verwaltungsakt zu handeln, dem Gesetz im Wege der Auslegung entnehmen lässt. Die Behörde ist dabei insbesondere dann zum Erlass eines Leistungsbescheides ermächtigt, wenn sie und der Bürger gerade mit Blick auf den geltend gemachten Leistungsanspruch in einem öffentlich-rechtlichen Über- und Unterordnungsverhältnis - wie etwa im Bereich des Beamten- und Soldatenverhältnisses - stehen. [37] Die Befugnis zum Erlass eines Rücknahme- und Rückforderungsbescheids folgt vorliegend aus der gesetzlichen Möglichkeit der §§ 48, 49a VwVfG, den Verwaltungsakt, der der Rechtsgrund für das Behaltendürfen von Beihilfezahlungen ist, in rechtskonformer Weise zu beseitigen und die überzahlten Leistungen zurückerstattet zu bekommen. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 11/2018 Öffentliches Recht 595 [38] Es kommt daher nicht auf die zwischen den Beteiligten […] umstrittene Frage an, ob die Ermächtigung der Beklagten, einen Rücknahme- und Rückforderungsbescheid zu erlassen, […] (auch) aus einem früheren Sonderverhältnis zwischen der Beklagten und der auch nach dem Tode ihres Ehemanns weiter beihilfeberechtigten Mutter der Klägerin, an die der Bewilligungsbescheid vom 30. März 2009 zu Recht adressiert war, folgt.“ Einwand der T, es fehle an einer Sonderrechtsbeziehung, ist für VA- Befugnis unerheblich. Folglich durfte die Behörde per Verwaltungsakt den Bescheid vom 30.3.2009 zurücknehmen. 2. Adressatin der Rücknahme Weiterhin ist aber auch noch fraglich, ob T die richtige Adressatin des Rücknahmebescheids ist. „[39] […] Anspruchsgegner der Rücknahme ist nach § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 VwVfG der Begünstigte des zu beseitigenden Leistungsbescheides, d.h. – in aller Regel – der (ursprüngliche) Adressat des Verwaltungsakts. [41] Dies war hier die Mutter der Klägerin. Die Klägerin ist jedoch nach deren Tod als Alleinerbin nach dem in § 1922 Abs. 1, § 1967 Abs. 1 BGB niedergelegten Grundsatz in die - schon im Zeitpunkt des Erbfalls mit der Möglichkeit der Rücknahme belastete - Rechtsstellung ihrer Mutter innerhalb des durch die Beihilfebewilligung und -zahlung begründeten Rechtsverhältnisses eingetreten. […] Adressat des Rücknahmeund Rückforderungsbescheides muss daher nicht notwendig der ursprüngliche Zuwendungsempfänger selbst, sondern kann gegebenenfalls auch der Rechtsnachfolger sein. [45/47] Jedenfalls vor dem Hintergrund, dass Beihilfeansprüche vererblich sind, gilt dies gleichermaßen für den vorliegenden Fall, in dem die Beihilfe für eine ärztliche Behandlung des Beihilfeberechtigten erst nach dessen Tod unmittelbar an seine Ehefrau (und zugleich Erbin) als Begünstigte im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 VwVfG geleistet wird und erst nach deren Tod gegenüber ihrer Erbin zurückgenommen wird.“ Daher ist T die richtige Adressatin des Rücknahmebescheids. Jura Intensiv II. Formelle Rechtmäßigkeit der Rücknahme Die Rücknahme des Bewilligungsbescheids muss formell rechtmäßig sein. Problematisch ist insoweit nur die fehlende Anhörung der T vor Erlass des Rücknahmebescheids, die gem. § 28 I VwVfG hätte erfolgen müssen. Dieser Verfahrensfehler könnte jedoch gem. § 45 I Nr. 3, II VwVfG geheilt sein, und zwar mit Durchführung des Widerspruchsverfahrens. „[49] […] Danach ist der Verfahrensfehler geheilt. Die Klägerin hatte im Widerspruchsverfahren nicht nur Gelegenheit, sich zu der Sach- und Rechtslage zu äußern, sie hat diese Gelegenheit auch genutzt.“ Somit ist der Anhörungsfehler geheilt worden, sodass der Rücknahmebescheid formell rechtmäßig ist. Problem: An wen durfte der Rücknahmebescheid adressiert werden? Grundsatz: Adressat des Ausgangs- VA Ausnahme: Erbschaft oder sonstige (Gesamt)Rechtsnachfolge. Dann kann sich Rücknahme gegen den Rechtsnachfolger richten (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.08.1999, 3 C 17.98, juris Rn 17). Erbschaft umfasst auch Beihilfeansprüche (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.04.2010, 2 C 77.08) Zum Prüfungsaufbau: VA-Befugnis und die Adressatenproblematik können alternativ in der materiellen Rechtmäßigkeit erörtert werden. Problem: Fehlende Anhörung Ganz knappe Abhandlung dieses Standardproblems durch das OVG. Müsste in einer Klausur intensiver geschehen (vgl. Kues/Baumeister, JURA INTENSIV, Allg.VerwR, Rn 110). © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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