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RA Digital - 11/2018

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602 Referendarteil:

602 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 11/2018 Der Landrat wird gebeten, zu gegebener Zeit in diesem Sinne die Medien zu informieren.“ Die damalige Beschlussfassung auf Vorrat wurde mündlich dahingehend erläutert, dass zum Zeitpunkt der Sitzung nicht bekannt sei, ob der „Eichsfeldtag“ tatsächlich durchgeführt werde. Sollte die Veranstaltung stattfinden, könne jedoch zeitnah reagiert werden. Am 20.08.2018 veröffentlichte der Antragsgegner auf seiner Homepage [...] eine Pressemitteilung mit folgendem Wortlaut: Da es um die rechtliche Bewertung der Pressemitteilung geht, ist der Wortlaut im Tatbestand wiederzugeben (Tatbestand als Spiegelbild der Entscheidungsgründe). Keine (bloße) inhaltliche Zusammenfassung der umstrittenen Äußerungen, da dies fehleranfällig ist. Antragstellung: Indikativ Perfekt Vorbringen der Antragstellerin: Konjunktiv Präsens Anträge: Indikativ Präsens Auch hier: wörtliche Wiedergabe, keine inhaltliche Zusammenfassung „Interfraktionellen Antrag beschlossen Solidarisch gegen sogenannten Eichsfeldtag Der Kreisausschuss ruft nach einem Beschluss in der letzten Sitzung die Einwohnerinnen und Einwohner des Landkreises Göttingen auf, sich an den Protestaktionen gegen den sogenannten „Eichsfeldtag“ der NPD am 01.09.2018 in Leinefelde zu beteiligen. Mit einem überparteilichen Antrag haben sich die Gruppe SPD/ Die Grünen/ FWLG, die Gruppe Die Linke/ Piraten/ Partei sowie die Fraktionen von CDU und FDP dazu geäußert: „Leinefelde liegt keine 35 Kilometer Luftlinie und keine Stunde Fahrzeit von Göttingen entfernt. Mit Bedauern stellen wir fest, dass jetzt rechtsextreme Kreise wieder umfangreich mobilisieren und versuchen, diese rechtsextreme Veranstaltung als familienfreundliches Event zu tarnen. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese gewaltbereite rechtsextreme Szene wieder in unserer Region stärker Fuß fasst!“ Der Kreisausschuss des Landkreises Göttingen bittet daher seine Einwohnerinnen und Einwohner, das örtliche Bündnis bei den Protestaktionen gegen diese Veranstaltung zu unterstützen.“ Hiergegen wandte sich die Antragstellerin zunächst außergerichtlich. Mit Schreiben vom 23. August 2018 mahnte sie den Antragsgegner ab und forderte ihn zur Entfernung seiner Pressemitteilung von seinem Internetauftritt sowie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung unter Fristsetzung bis Montag, den 27. August 2018, 12:00 Uhr, auf. Nach erfolglosem Ablauf der Frist hat die Antragstellerin das erkennende Gericht am 27. August 2018 um einstweiligen Rechtsschutz ersucht. Jura Intensiv Sie ist der Auffassung, sie könne die Entfernung der streitgegenständlichen Pressemitteilung im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Folgebeseitigungsanspruches beanspruchen. Die Beschlussfassung durch den Kreisausschuss des Antragsgegners sei rechtswidrig. Die verfahrensgegenständlichen Äußerungen verstießen gegen die Verpflichtung des Antragsgegners zu parteipolitischer Neutralität sowie gegen das Sachlichkeitsgebot. Darüber hinaus fehle es dem Antragsgegner an der Kompetenz, sich zu Vorgängen in einem anderen Bundesland zu äußern, diesbezüglich Resolutionen zu erlassen und seine Einwohner aufzufordern, Gegenveranstaltungen zu unterstützen. Die Antragstellerin beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die auf seiner Homepage veröffentlichte Pressemitteilung vom 20. August 2018 insoweit von dort zu entfernen, als darin behauptet wird: Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 11/2018 Referendarteil: Öffentliches Recht 603 „Der Kreisausschuss ruft nach einem Beschluss in der letzten Sitzung die Einwohnerinnen und Einwohner des Landkreises Göttingen auf, sich an den Protestaktionen gegen den sogenannten „Eichsfeld Tag“ der NPD am 01.09.2018 in Leinefelde zu beteiligen.“ „Der Kreisausschuss des Landkreises Göttingen bittet daher seine Einwohnerinnen und Einwohner, das örtliche Bündnis bei den Protestaktionen gegen diese Veranstaltung zu unterstützen.“ Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen. Bei dem Beschluss seines Kreisausschusses handele es sich um eine politische Stellungnahme. Durch die Veröffentlichung der Pressemitteilung sei sein Landrat nur dessen Verpflichtung zur Ausführung von Beschlüssen seines Kreisausschusses nachgekommen. Insoweit sei in der Pressemitteilung kein Aufruf zur Teilnahme an Gegendemonstrationen durch seinen Landrat selbst zu sehen. Der von seinem Kreisausschuss gefasste Beschluss sei rechtmäßig. Seine Verbandskompetenz ergebe sich vorliegend aus dem Umstand, dass sich das Veranstaltungsmotto an seine Einwohnerinnen und Einwohner richte und sich damit auf sein Gebiet beziehe. Der Aufruf zur Teilnahme an Gegendemonstrationen sei schließlich deshalb zurecht erfolgt, weil die NPD vom Bundesverfassungsgericht für verfassungsfeindlich erklärt worden sei. [...] II. Der Antrag ist zulässig und begründet, denn die Antragstellerin hat für ihr Begehren einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund mit der für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dazu ist gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. den §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft zu machen, dass der Antragsteller zur Abwendung dieses Nachteils auf sofortige gerichtliche Hilfe angewiesen ist (sog. Anordnungsgrund) und dass bei summarischer Prüfung ein materieller Anspruch auf Sicherung des bisherigen Zustands („status quo“) besteht (sog. Anordnungsanspruch). Zudem darf die vorläufige Regelung zur Sicherung des bestehenden Zustands regelmäßig nicht dazu führen, dass die Hauptsache rechtlich oder zumindest faktisch vorweggenommen wird. Solchen, die Hauptsache vorwegnehmenden Anträgen ist im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise dann stattzugeben, wenn das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte. Jura Intensiv Hiervon ausgehend hat die Antragstellerin einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Dieser ergibt sich aus dem Umstand, dass sich der Aufruf des Antragsgegners auf ein termingebundenes, unmittelbar bevorstehendes Ereignis - den „Eichsfeldtag“ der Antragstellerin, der am kommenden Samstag stattfindet - bezieht und damit Rechtsschutz in der Hauptsache nicht mehr rechtzeitig zu erlangen wäre. […] Vorbringen des Antragsgegners: Konjunktiv Präsens. Üblich und zu empfehlen ist ein Einleitungssatz, wie: „Zur Begründung führt er aus, …“; „Er ist der Ansicht …“. Ergebnissatz zu Beginn der Entscheidungsgründe (Urteilsstil). Obersatz im Fall des § 123 I VwGO mit Differenzierung zwischen Sicherungs- und Regelungsanordnung Beachte: Vorwegnahme der Hauptsache gehört an den Anfang der Begründetheitsprüfung, weil sich dadurch der Maßstab für die Erfolgsaussichten des Antrags verschärft (schwere und unzumutbare Nachteile erforderlich). Typische Formulierung, um die Subsumtion einzuleiten In einer Klausur sollte zunächst der Anordnungsanspruch geprüft werden, weil er den Klausurschwerpunkt darstellt. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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