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RA Digital - 11/2019

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592 Öffentliches Recht

592 Öffentliches Recht RA 11/2019 getroffenen Regelungen tragen dem einzigartigen Gefahrenpotenzial des Umgangs mit Waffen Rechnung. Der staatlichen Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) kommt in diesem Zusammenhang eine erheblich gesteigerte Bedeutung zu.“ Demnach entfaltet § 5 II Nr. 2b) WaffG im Verhältnis zu § 5 II Nr. 3 WaffG keine Sperrwirkung. II. Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung Tatbestandlich verlangt § 5 II Nr. 3a) WaffG, dass die Vereinigung, deren Mitglied K ist, Bestrebungen verfolgt, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind. Parallele zu Art. 9 II GG Definition „verfassungsmäßige Ordnung“ Konkretisierung des Merkmals „gerichtet“ Kämpferisch-aggressive Haltung erforderlich Subsumtion: Auftreten der NPD in Sachsen Fazit: NPD erfüllt die Voraussetzungen „[23] […] Für die Auslegung kann auf die Rechtsprechung zu Art. 9 Abs. 2 GG zurückgegriffen werden. […] Das Schutzgut der verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 GG umfasst […] die elementaren Grundsätze der Verfassung, namentlich die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG, das Demokratieprinzip und den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit. Weiter muss sich eine Vereinigung gegen diese elementaren Grundsätze „richten“. Hierfür reicht es nicht aus, dass sie sich kritisch oder ablehnend gegen diese Grundsätze wendet oder für eine andere Ordnung eintritt. Anders als bei Art. 21 Abs. 2 GG, der fordert, dass eine Partei „darauf ausgeht“, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen, muss jedoch nicht bereits eine konkrete Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung eingetreten sein. Entscheidend ist, ob die Vereinigung als solche nach außen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber den elementaren Grundsätzen der Verfassung einnimmt. Dazu genügt aber, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will, wie dies für eine mit dem Nationalsozialismus wesensverwandte Vereinigung kennzeichnend ist. Sie muss ihre Ziele hingegen nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen. [25] […] Die NPD strebt auch in Sachsen danach, das Mehrparteiensystem abzuschaffen und an dessen Stelle einen autoritär geführten Staat zu errichten, in dem sich der Einzelne der Gemeinschaft unterordnen muss. Die NPD erkennt die Menschenwürde nur bei den durch ihre Abstammung definierten Mitgliedern der „Volksgemeinschaft“ an. Denjenigen Menschen, die sie nicht als Bestandteil dieser „Volksgemeinschaft“ und deshalb als Bedrohung der „deutschen Volkssubstanz“ ansieht, will die NPD Grundrechte verweigern und einen niedrigeren Rechtsstatus zuweisen. Aus der rassistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Ausrichtung ergibt sich eine Wesensverwandtschaft mit dem historischen Nationalsozialismus, auch wenn sich die NPD hierzu nicht offen bekennt. Ihre Ziele verfolgt die NPD nicht nur mit gewöhnlicher Parteiarbeit, sondern u.a. auch dadurch, dass sie den Staat diffamiert, in der Bevölkerung vorhandene Ängste und Protesthaltungen verschärft und in sozialen Medien, oft auch ohne unter dem Parteinamen in Erscheinung zu treten, fremdenfeindliche Agitation betreibt. [26] Diese tatsächlichen Feststellungen […] sind ohne weiteres geeignet, die rechtliche Würdigung des Oberverwaltungsgerichts zu tragen, dass im Fall der NPD Bestrebungen vorliegen, die im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind. Wer das Ziel verfolgt, die Geltung des Grundsatzes der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG für Teile der Bevölkerung außer Kraft zu setzen Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 11/2019 Öffentliches Recht 593 sowie elementare Bestandteile des Demokratieprinzips zu beseitigen, und zur Erreichung dieses Ziels auf unterschiedlichen Ebenen Aktivitäten entfaltet, die neben der Teilnahme am regulären politischen Meinungskampf auch Diffamierungen und Agitation umfassen, nimmt nach außen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber den elementaren Grundsätzen der Verfassung ein. […]“ III. Unterstützung der Bestrebungen durch K Weiterhin muss K gem. § 5 II Nr. 3a) WaffG die Bestrebungen der NPD unterstützt haben. „[28] Aus dem bereits erörterten systematischen Verhältnis zu § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG a.F. folgt, dass die bloße Mitgliedschaft in einer Vereinigung, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtete Bestrebungen verfolgt, für sich genommen nicht ausreicht, um den Tatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. zu erfüllen und von einer Unterstützung dieser Bestrebungen durch den Betroffenen auszugehen. […] Entsprechendes muss zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen […] auch für die rein passive Teilnahme an Parteiveranstaltungen gelten, selbst wenn diese wiederholt erfolgt. Zur Regelunzuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst.a WaffG a.F. führen andererseits entgegen einer verbreiteten Ansicht nicht nur solche Aktivitäten, die die Bereitschaft erkennen lassen, die Waffe zukünftig zum Kampf gegen die verfassungsmäßige Ordnung einzusetzen. Denn der Regelung liegt die Annahme des Gesetzgebers zugrunde, dass die aktive Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen die - im Einzelfall widerlegbare - Prognose eines waffenrechtlich relevanten Sicherheitsrisikos rechtfertigt, ohne dass darüber hinaus noch ein konkreter Bezug zum Einsatz von Waffen erforderlich ist. [29] Bei der Abgrenzung zwischen relevanten Unterstützungshandlungen und lediglich untergeordneten Aktivitäten wie der Zahlung von Mitgliedsbeiträgen hat das Oberverwaltungsgericht das Kriterium der Außenwirkung der konkreten Betätigung herangezogen und in der Sache zutreffend die wesentlichen Fallgruppen herausgearbeitet, in denen es gerechtfertigt erscheint, von einer Unterstützung im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. auszugehen. Hierzu zählt jedenfalls die Wahrnehmung von leitenden Funktionen in der Partei. Wer herausgehobene Ämter wie dasjenige des Vorsitzenden oder des stellvertretenden Vorsitzenden in einer verfassungsfeindlichen Partei oder einer ihrer Gliederungen übernimmt, bringt damit zum Ausdruck, dass er sich mit den gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Bestrebungen der Partei in besonderem Maße identifiziert und sich dauerhaft hierfür einsetzen will. Zudem hat ein solcher Funktionsträger maßgeblichen Einfluss auf die Art und Weise, wie sich die Partei nach außen hin präsentiert. Dies gilt […] auch für Mitglieder eines Kreisvorstands. Selbst wenn es zuträfe, was hier offen bleiben kann, dass mit der Wahrnehmung von Parteiämtern auf dieser Ebene in erster Linie organisatorische Aufgaben ohne gesteigerte Einflussmöglichkeiten auf den Inhalt von Parteiprogrammen, die Ausrichtung von Landtags- oder Bundestagswahlkämpfen oder die Aufstellung von Kandidaten für Landtags- oder Bundestagswahlen verbunden sind, ist doch gerade die ständige organisatorische Präsenz auf der kommunalen Ebene für die öffentliche Wahrnehmung einer Partei bedeutsam. Jura Intensiv Konkretisierung des Merkmals „unterstützen“ durch Vergleich mit § 5 II Nr. 2b) WaffG: Bloße Mitgliedschaft genügt nicht Ebenfalls nicht ausreichend: (wiederholte) passive Teilnahme an Parteiveranstaltungen Vgl. VG Leipzig, Beschluss vom 5.10.2015, 3 L 183/15, juris Rn 23; Beaucamp, DÖV 2018, 709, 711 Andererseits nicht erforderlich: Bereitschaft zum Einsatz der Waffe Entscheidend: Identifizierung mit den Bestrebungen der Partei und öffentliches Auftreten • Fallgruppen des „unterstützens“ i.S.v. § 5 II Nr. 3a) WaffG: • Vorsitzender oder stv. Vorsitzender auf Bundes-, Landes, Kreis- oder Gemeindeebene • Mitglied des Kreisvorstands • Abgeordneter im Bundes-, Landesoder Kommunalparlament • Kandidat bei einer Bundes-, Landes- oder Kommunalwahl © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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