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RA Digital - 11/2019

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600 Referendarteil:

600 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 11/2019 Eltern ein Jahrbuch nebst Illustrationen zur Verfügung zu stellen, um sich gegenüber diesem (beschränkten) Personenkreis nach außen darzustellen. Die Beeinträchtigung der Rechte des Klägers ist dagegen gering. Das Foto wurde im dienstlichen Bereich aufgenommen und zeigt den Kläger in einer völlig unverfänglichen, gestellten Situation. Zur Anwendung kommt hier die vom BVerfG im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zur Systematisierung von Eingriffen und deren Rechtfertigung entwickelte Sphärentheorie. 2. Teil der Begründung Zur konkludenten Einwilligung: BGH, Urteil vom 11.11.2014, VI ZR 9/14, juris Rn 6 Das Gericht setzt sich im Folgenden ausführlich mit den Einwänden des unterlegenen Klägers auseinander. Veröffentlichung auf der Schulhomepage nicht mit Veröffentlichung im Jahrbuch vergleichbar. Schulleitung als richtiger Adressat für einen Widerspruch Der Kläger ist von daher lediglich in der sog. Sozialsphäre betroffen, die einem geringeren Schutz unterliegt als die Intim- oder Privatsphäre. Der Verbreitung der Bilder stehen auch keine besonderen schützenswerten Interessen des Klägers i.S.d. § 23 Abs. 2 KUG entgegen, insbesondere sind die Bilder in keiner Weise unvorteilhaft oder ehrverletzend. Selbst wenn man eine Einwilligung nach dem KUG für erforderlich halten würde, hat der Kläger diese jedenfalls erteilt. Die Einwilligung nach § 22 KUG bedarf keiner besonderen Form, sondern ist auch konkludent möglich. Eine solche konkludente Einwilligung hat der Kläger gegeben, indem er sich beim Fototermin mit den beiden Schülergruppen hat ablichten lassen. Dies, obwohl er wusste oder jedenfalls hätte wissen müssen, dass die Schule derartige Klassenfotos bereits in der Vergangenheit für Jahrbücher verwendet hat. Wer sich angesichts dieser Praxis mit einer Klasse bzw. einem Kurs fotografieren lässt, muss mit einer Verbreitung der Bilder rechnen, zumal schon das gewählte Format der Bilder auf eine Veröffentlichungsabsicht hindeutete. Der Beweggrund für die Teilnahme des Klägers an dem Fototermin spielt insoweit keine Rolle. Ebenso wenig führt sein Widerspruch gegen die Veröffentlichung von Fotos auf der Homepage der Schule zu einer anderen Einschätzung. Es handelt sich hierbei um einen völlig anderen Sachverhalt: Auf der Homepage veröffentlichte Bilder sind für einen unbegrenzten Personenkreis einsehbar, wohingegen das Jahrbuch von vornherein nur einem begrenzten Personenkreis, nämlich den Schülerinnen und Schülern, zugänglich gemacht werden sollte. Angesichts dessen bestand kein Anlass, vom Widerspruch gegen die Veröffentlichung von Bildern auf der Homepage auf einen Widerspruch gegen die Veröffentlichung von Bildern im Jahrbuch zu schließen. Dies gilt umso mehr, als die hier streitgegenständlichen Fotos nicht digital verfügbar und die vom Kläger gerügten Missbrauchsmöglichkeiten von daher reduziert sind. Jura Intensiv Soweit der Kläger vorträgt, er habe gegenüber der Fotografin einer Veröffentlichung ausdrücklich widersprochen, ist dies ebenfalls unerheblich. Dem Kläger war bekannt, dass allein die Schulleitung die Entscheidung über die Veröffentlichung der von der Fotografin lediglich zur Verfügung gestellten Klassenfotos trifft. Von daher hätte er seinen Widerspruch dem Schulleiter gegenüber erklären müssen. Auf eine allgemeine Abwehrhaltung gegen die „Amerikanisierung“ des Schulsystems und die damit einhergehende Jahrbuch-Praxis kann der Kläger sich nicht mit Erfolg berufen. Indem er an den Klassenfotos teilgenommen hat, hat er sich von dieser Haltung gerade distanziert. Es stellt ein widersprüchliches Verhalten dar, die Veröffentlichung von Fotos einerseits strikt abzulehnen und sich andererseits auf Fotos ablichten zu lassen, die offensichtlich dem Zweck der Veröffentlichung dienen. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 11/2019 Referendarteil: Öffentliches Recht 601 Überdies ist der Anspruch - und dies ist selbstständig tragend - wegen tatsächlicher und rechtlicher Unmöglichkeit nicht mehr realisierbar .Die Wiederherstellung des früheren Zustandes ist tatsächlich unmöglich, weil keine Kenntnis über den Verbleib der Jahrbücher besteht. Ob es dem Beklagten zumutbar wäre, sich eine entsprechende Kenntnis zu verschaffen, kann offenbleiben, da der Kläger einen entsprechenden Auskunftsanspruch gegenüber dem Beklagten jedenfalls nicht geltend gemacht hat. Die Erfüllung des Anspruchs ist auch rechtlich unmöglich. Auf welcher (zivil-rechtlichen Grundlage der Beklagte von den Käufern eine Herausgabe verlangen könnte, ist nicht ersichtlich. Dem Kläger steht ferner kein Anspruch auf Unterlassen einer weiteren Verbreitung der Jahrbücher zu. Rechtsgrundlage für diesen Anspruch ist der gleichfalls gewohnheitsrechtlich anerkannte öffentlichrechtliche Abwehr- und Unterlassungsanspruch. Er setzt neben einer Rechtsverletzung durch eine rechtswidrige Beeinträchtigung (grund-) rechtlich geschützter Positionen des Betroffenen zusätzlich voraus, dass die Gefahr einer Wiederholung des rechtswidrigen Eingriffs droht. Eine solche Wiederholungsgefahr ist hier nicht gegeben. Es droht keine weitere Veröffentlichung von Bildern des Klägers in einem Jahrbuch des Gymnasiums A.. Sämtliche Jahrbücher aus dem Schuljahr 2015/2016 sind bereits verkauft mit Ausnahme des im Schularchiv verbliebenen Exemplars, das nur dem internen Gebrauch dient. Da der Kläger zwischenzeitlich an eine andere Schule versetzt wurde, kommt eine Wiederholungsgefahr auch nicht mit Blick auf Folgejahre in Betracht. [...]“ FAZIT Die Entscheidung des VG Koblenz ist als Vorlage für eine Examensklausur bestens geeignet. Sie enthält sowohl prozessuale als auch materiell-rechtliche examensrelevante Probleme. In prozessualer Hinsicht geht es um die Auslegung von § 54 II BeamtStG und die Frage, wann es bei Klagen eines Beamten der Durchführung eines Vorverfahrens bedarf. Im materiellen Recht sind der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungs- und Unterlassungsanspruch zu prüfen. Die Frage nach der Zulässigkeit der Veröffentlichung von Lichtbildern in Schuljahrbüchern zählt dabei zwar nicht zum Standardwissen, das im Examen erwartet wird Die Entscheidung des VG Koblenz zeigt jedoch anschaulich, wie mit sauberer Subsumtionstechnik, dem Bezug zu bekannten Rechtsfragen und -figuren (allgemeines Persönlichkeitsrecht, Sphärentheorie) und einer umfassenden Auswertung des Vortrags der Beteiligten auch unbekannte Probleme gelöst werden können. Jura Intensiv Eine Unmöglichkeit der Wiederherstellung ist in der Praxis nur selten anzunehmen. Kein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch Hier hätte noch klarer herausgestellt werden können, dass es bereits an einer Rechtsverletzung durch eine rechtswidrige Beeinträchtigung mangelt und darüber hinaus (auch) keine Wiederholungsgefahr besteht. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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