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RA Digital - 11/2019

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564 Zivilrecht

564 Zivilrecht RA 11/2019 Die Konstruktion, die B1-GmbH zwischen K und den Veranstalter D1 e.V. zu schieben, hat mit der Beklagten und ihren Interessen und Bedürfnissen nichts zu tun. dass die Rechtswirkungen eines allein zwischen der Streitverkündeten und der Beklagten geschlossenen Vertrages auch die Klägerin als rechtlich unabhängige Rechtspersönlichkeit, welche diesem Vertrag nicht beigetreten ist und ihm nicht einmal ausdrücklich zugestimmt hat, treffen. Ein Vertrag ist nicht zu Lasten Dritter wirksam. (…) Fraglich ist aber, ob der Gestattungsvertrag analog § 566 BGB Wirkung zugunsten der B entfalten kann. § 566 BGB regelt den Grundsatz, dass Veräußerung die Miete nicht bricht. Hier liegt keine Veräußerung vor. Die Begründung, dass § 566 BGB auf den Fall des Mietaufhebungsvertrages zwischen Vermieter und Mieter zugunsten des Entleihers Wirkung entfaltet, ist der Beklagten nicht so gelungen, dass es das Gericht überzeugt hat. Das Gesetz trifft in § 546 II BGB eine klare Regelung des hier vorliegenden Falles. [30] (…) Die Klägerin ist auch nicht infolge der Einschaltung der Streitverkündeten in die Vertragsverhältnisse oder infolge der Aufhebung des mit dieser geschlossenen Mietvertrages entsprechend § 566 BGB an den Gestattungsvertrag der Streitverkündeten mit der Beklagten gebunden. Der Schutzzweck dieser Vorschrift ist nicht erfüllt. Die Beklagte hatte die Grundstücksfläche von vorneherein nicht von der Eigentümerin, sondern lediglich von der Mieterin überlassen bekommen. Der Verlust des Nutzungsrechts der Streitverkündeten als Mieterin an die Klägerin als Eigentümerin ist mit der Übertragung des Eigentums durch den Vermieter an einen Erwerber nicht vergleichbar. Vielmehr wird diese Situation gerade durch die Vorschrift des § 546 Abs. 2 BGB geregelt, die es dem Vermieter gestattet, nach Ende des Mietvertrages die vermietete Sache auch von einem Dritten zurückzufordern, welchem der Mieter die Mietsache überlassen hatte. Eine mittelbare, auf den Hintergründen der geschlossenen Verträge basierende Bindung auch der Klägerin, welche gegebenenfalls aus Treu und Glauben hätte anzunehmen sein können, besteht wie oben dargelegt gerade nicht. Die Motivation bei der Gründung der Streitverkündeten führt nicht dazu, dass die Klägerin und diese gleichsam als Einheit anzusehen wären, so dass bei Entfallen der Streitverkündeten als Untervermieterin die Klägerin an ihrer Stelle - vergleichbar einem gewerblichen Zwischenvermieter von Wohnraum im Sinne des § 565 BGB - in den Mietvertrag einträte. Jura Intensiv Folglich kann B keine Rechte aus dem Gestattungsvertrag gegenüber K herleiten und ist zur Räumung der Teilfläche und zur Entfernung des „Sarotti-Häuschens“ verpflichtet. B. Anspruch aus § 985 BGB Mangels eines Rechts zum Besitz im Sinne des § 986 BGB muss die Besitzerin B der Eigentümerin K die Teilfläche herausgeben. C. Ergebnis K kann von B die Räumung der Teilfläche sowie die Entfernung des Holzpavillons namens „Sarotti-Häuschen“ verlangen. FAZIT Am Wortlaut des § 546 II BGB gab es nichts zu deuten oder zu reduzieren. Mit der Aufhebung des Hauptmietvertrages verliert der Dritte sein Besitzrecht und ist zur Herausgabe verpflichtet. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 11/2019 Zivilrecht 565 Problem: Obhutspflichten des Heimträgers gegenüber den Heimbewohnern Einordnung: Schuldrecht, Deliktsrecht BGH, Urteil vom 22.08.2019 III ZR 113/18 EINLEITUNG Es ist ein schmaler Grad, auf dem sich Pflegekräfte bewegen. Einerseits wollen und sollen sie hilfsbedürftigen Menschen nicht den letzten Rest an Eigenständigkeit nehmen, andererseits tragen sie die Verantwortung für die Hilfsbedürftigen auch bei simplen Alltagsvorgängen. Wo hört Unglück auf und wo beginnt das Unrecht? Der BGH entschied in der Revision zugunsten der Heimbewohnerin. SACHVERHALT Die 1969 geborene K ist geistig behindert und leidet an dem so genannten Prader-Willi-Syndrom, wodurch eine deutliche Intelligenzminderung besteht. Ferner ist sie insulinpflichtige Diabetikerin (Diabetes mellitus Typ 2), was ein verringertes Schmerzempfinden zur Folge hat. Heimleitung und Pflegepersonal kannten die Erkrankungen. K wird von ihrer Mutter rechtlich betreut. Seit März 2012 lebt sie in einem Wohnheim für Menschen mit einer geistigen Behinderung, das von B als Trägerin betrieben wird. In Nr. 1.2 des Heimvertrags vom 30. März 2012 wird die Einrichtung wie folgt beschrieben: „Das Wohnheim ist ein stationäres Leistungsangebot der Eingliederungshilfe für den Personenkreis erwachsener Menschen mit geistiger Behinderung, die der Förderung und Unterstützung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft bedürfen.“ Nachdem K mehrfach mit Einwilligung der Betreuerinnen des Heims ohne Hilfestellung komplikationsfrei gebadet hatte, nahm sie am 19.04.2013 mit Erlaubnis ein Bad. K ließ daraufhin heißes Wasser in eine mobile, in der Dusche bereit gestellte Sitzbadewanne ein, wobei die Temperaturregelung über einen Einhebelmischer ohne Begrenzung der Heißwassertemperatur erfolgte. Anders als in früheren, problemlos verlaufenen Fällen, war das ausströmende Wasser so heiß, dass die Klägerin schwerste Verbrühungen an beiden Füßen und Unterschenkeln erlitt. Sie schrie lautstark, konnte sich aber nicht selbst aus der Situation befreien. Dies gelang erst, als ein anderer (behinderter) Heimbewohner ihr zur Hilfe eilte, das Wasser abließ und eine Pflegekraft herbeirief. Es steht fest, dass das ausströmende Wasser 60 Grad Celsius heiß war. Ferner steht fest, dass die vor dem Jahr 2005 eingebaute, zentrale Wasseraufbereitung des Heims keinen technischen Defekt aufwies. Es entspricht dem Stand der Wissenschaft, dass in zentralen Anlagen aufbereitetes Wasser einmal täglich auf mindestens 60 Grad Celsius erhitzt werden muss, um die Gefahr der Verseuchung des Trinkwassers mit Legionellen abzuwenden. Seit Juni 2005 existiert die DIN EN 806-2 („Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen - Teil 2: Planung“). Nach Satz 1 der Nr. 9.3.2 sind Anlagen für erwärmtes Trinkwasser so zu gestalten, dass das Risiko von Verbrühungen gering ist. Entsprechend wird in Satz 2 ausgeführt, dass an „Entnahmestellen mit besonderer Beachtung der Auslauftemperaturen“ (z.B. Krankenhäuser, Schulen, Seniorenheime - die Jura Intensiv LEITSATZ DER REDAKTION 1. Ein Heimbewohner, der dem Heimträger zum Schutz seiner körperlichen Unversehrtheit anvertraut ist, kann erwarten, dass der Heimträger ihn vor einer - jedenfalls in einer DIN-Norm beschriebenen - Gefahrenlage schützt, wenn er selbst auf Grund körperlicher oder geistiger Einschränkungen nicht in der Lage ist, die Gefahr eigenverantwortlich zu erkennen und angemessen auf sie zu reagieren. 2. Um die daraus folgende Obhutspflicht zu erfüllen, muss der Heimträger, soweit dies mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand möglich und für die Heimbewohner sowie das Pflege- und Betreuungspersonal zumutbar ist, nach seinem Ermessen entweder die Empfehlungen der DIN-Norm umsetzen oder aber die erforderliche Sicherheit gegenüber der dieser Norm zugrunde liegenden Gefahr auf andere Weise gewährleisten, um Schäden der Heimbewohner zu vermeiden (Bestätigung und Fortführung des Senatsurteils vom 28. April 2005, III ZR 399/04). Die Sachverhaltsdarstellung erfolgt deshalb so umfangreich und detailliert, weil es bei der Einzelfallabwägung auf die Details ankommt. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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