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RA Digital - 11/2021

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594 Öffentliches Recht

594 Öffentliches Recht RA 11/2021 Ausnahme hier (-), also Verstoß gegen Art. 3 III 1 GG (+) Außerdem Verstoß gegen Art. 3 I GG Da es sich bei der Förderrichtlinie nur um eine Verwaltungsvorschrift handelt, darf ein VG die unzulässige Schutzerklärung ohne Weiteres verwerfen. Deshalb hat der VGH auch die Revision zum BVerwG zugelassen. Beim Vollzug der Förderrichtlinie Elektromobilität ist keine dieser Ausnahmekonstellationen gegeben. Der Ausschluss von Antragstellern, die sich zu einer als verfassungswidrig geltenden Religion oder Weltanschauung bekennen, löst nicht ein speziell auf dieser Zugehörigkeit beruhendes Problem und bildet auch nicht den eigentlichen Kern des von der Beklagten aufgelegten Umweltprogramms. Aus Sicht der mit der Richtlinie verfolgten umweltspezifischen Förderziele bestehen zwischen Antragstellern, deren Einstellung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (mutmaßlich) widerspricht, und solchen, bei denen keine derartigen Bedenken bestehen, keine relevanten Unterschiede, die eine differenzierende Bewilligungspraxis rechtfertigen könnten. Das Anliegen des Umweltschutzes steht mit dem des Verfassungsschutzes in keinem oder jedenfalls nicht in einem so engen inneren Zusammenhang, dass sich daraus bei der Festlegung des Empfängerkreises ein hinreichend gewichtiger Unterscheidungsgesichtspunkt ergeben könnte. Die Ablehnung der Förderanträge bei fehlender Unterschrift unter die „Schutzerklärung in Bezug auf die Lehre von L. Ron Hubbard/Scientology“ verstößt auch deshalb gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, weil damit die Anhänger bzw. Mitglieder nur einer von mehreren im Verfassungsschutzbericht aufgeführten Organisationen von der Zuwendung ausgeschlossen werden. Ein sachlicher Grund für diese Diskriminierung der unter dem Einfluss von Scientology stehenden Personen gegenüber den Angehörigen anderer als verfassungsfeindlich angesehener Organisationen ist nicht ersichtlich.“ Folglich liegt auch ein Verstoß gegen Art. 3 I, III 1 GG vor. Da die geforderte Abgabe der Schutzerklärung in mehrfacher Hinsicht gegen höherrangiges Recht verstößt und damit unwirksam ist, steht ihre Ablehnung dem Förderanspruch der K nicht entgegen, sodass die Tatbestandsvoraussetzungen der Förderrichtlinie erfüllt sind. 2. Rechtsfolge Aufgrund der eingetretenen Selbstbindung der Verwaltung hat K einen gebundenen Anspruch auf die Förderung. Jura Intensiv FAZIT Bemerkenswert an der Entscheidung sind vor allem die Ausführungen des VGH München zu der bislang höchstrichterlich ungeklärten Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Gemeinde bei der Gewährung freiwilliger Leistungen neben dem primären Förderzweck das Ziel des Schutzes der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verfolgen darf. Daneben sollte man sich merken, dass die Selbstverwaltungsgarantie nicht nur Rechte für die Gemeinden beinhaltet, sondern ihnen auch Grenzen setzt, indem stets ein Bezug zu ihren örtlichen Angelegenheiten bestehen muss. Schließlich ist noch die Prüfung des mittelbaren Eingriffs in Art. 4 I, II GG besonders examensrelevant, weil er hier durch die Verweigerung einer staatlichen Förderung erfolgte, was normalerweise keine Eingriffswirkung hat. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 11/2021 Öffentliches Recht 595 Problem: Volksverhetzende Wahlwerbung („HÄNGT DIE GRÜNEN!“) Einordnung: Polizeirecht, Grundrechte OVG Bautzen, Beschluss vom 21.09.2021 6 B 360/21 EINLEITUNG Der Fall hat im Endspurt des Bundestagswahlkampfs für Aufsehen gesorgt, weil das umstrittene Wahlplakat aus Sicht vieler Beobachter schlichtweg unerträglich war. Das OVG Bautzen hatte die davon zu trennende Frage zu beantworten, ob es auch rechtlich unzulässig war das Plakat aufzuhängen. SACHVERHALT Die Partei „Der Dritte Weg“ (Antragstellerin), eine zur Bundestagswahl am 26.9.2021 zugelassene Partei, hat im Gebiet der Stadt Zwickau (Antragsgegnerin) mehrere Wahlplakate in der Farbe Grün aufgehängt. Die obere Hälfte des Plakats wird von der Aufschrift „HÄNGT DIE GRÜNEN!“ ausgefüllt. Die untere Hälfte bestimmen ein Schriftzug mit dem Wortlaut „Wählt Deutsch!“ mit daneben einem Kreuz für eine Stimmenabgabe sowie (ganz unten) in Großbuchstaben „DER DRITTE WEG“, dazwischen in kleinen Lettern www.DER-DRITTE-WEG.info. Unterhalb der (gedachten) Mittellinie in ebenfalls kleineren Buchstaben findet sich der Satz: „Macht unsere nationalrevolutionäre Bewegung durch Plakatwerbung in unseren Parteifarben in Stadt und Land bekannt.“ Nach Angaben der Antragstellerin sind die Großbuchstaben dieses Schriftzugs 2 cm hoch. Das Plakat ist grün hinterlegt. Die Stadtverwaltung der Antragsgegnerin ordnete als zuständige Behörde gegenüber der Antragstellerin die Entfernung der Wahlplakate an, weil sie eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Gestalt einer Straftat (§ 130 I StGB) darstellten. Die Antragstellerin hält diese Verfügung für rechtswidrig, weil die gebotene Anhörung nicht erfolgte und die Antragsgegnerin dem Plakat einen Bedeutungsinhalt gebe, den es bei objektiver Betrachtung nicht hätte. Die Botschaft des Plakates sei nicht auf den „Blickfang“ zu reduzieren. Ein nur flüchtiger Betrachter solle durch das im Bereich des Marketings übliche Vorgehen dazu bewegt werden, auch den ausführlicheren Text zu lesen, sich damit auseinander zu setzen und die beworbene Marke (bzw. vorliegend die beworbene Partei) im Gedächtnis zu behalten. Anhand des vorliegenden Wortlautes werde unzweideutig zum Ausdruck gebracht, dass Plakate und nicht Menschen gehängt werden sollen. Im Zuge des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens hat die Antragsgegnerin das Vorbringen der Antragstellerin zum Anlass genommen, ihre Verfügung einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Auch nach dieser Überprüfung hält an der Verfügung fest. Ist die Verfügung rechtmäßig? Jura Intensiv LÖSUNG Die Verfügung ist rechtmäßig, wenn sie auf einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage beruht, die formell und materiell fehlerfrei angewendet wurde. LEITSÄTZE (DER REDAKTION) 1. Eine fehlende Anhörung wird nicht automatisch dadurch geheilt, dass der Betroffene sich im gerichtlichen Verfahren dazu äußern kann und die Behörde dies zur Kenntnis nimmt. Erforderlich ist vielmehr, dass die Behörde das Vorbringen des Betroffenen erkennbar zum Anlass nimmt, ihre Entscheidung kritisch zu überdenken. 2. Im präventiven Polizeirecht ist die Realisierung des objektiven Tatbestands einer Strafrechtsnorm ausreichend. 3. Bei einem Aufruf, jemanden zu hängen, d.h. aufzuhängen und damit umzubringen, wird der Bereich bloßer Ablehnung und Verachtung überschritten und der Person das Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen. Das stellt einen Angriff auf die Menschenwürde dar. Obersatz © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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