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RA Digital - 11/2021

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562 Zivilrecht

562 Zivilrecht RA 11/2021 I. Kaufvertrag Der hierzu nötige Kaufvertrag wurde am 23.10.2015 in der erforderlichen Form notarieller Beurkundung geschlossen. II. Mangel gem. § 434 BGB zur Zeit des Gefahrübergangs Über den Gefahrübergang trafen die Parteien eine vertragliche Regelung, nach der die Gefahr am 23.10.2015 übergegangen ist. Fraglich ist, ob zu dieser Zeit ein Sachmangel i.S.d. § 434 BGB vorgelegen hat. Ständige Rechtsprechung zum Beschaffenheitsbegriff: BGH, Urteile vom 19.04.2013, V ZR 113/12, vom 15.06.2016, VIII ZR 134/15 Weder ausdrückliche noch konkludente Vereinbarung Maklerexposé als öffentliche Äußerung des Verkäufers, von der er sich distanzieren muss BGH, Urteil vom 09.02.2018, BGH V ZR 274/16 1. Sachmangel gem. § 434 I 1 BGB Fehlt der Kaufsache eine Beschaffenheit, obwohl die Parteien ihr Vorliegen vereinbart haben, ist die Sache gem. § 434 I 1 BGB mangelhaft. Unter Beschaffenheiten versteht man sämtliche Eigenschaften sowie sonstige Sachmerkmale, die für Wert und Tauglichkeit der Sache erheblich sind, folglich Faktoren, die der Sache selbst anhaften, als auch alle Beziehungen der Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben. Gemäß dieser weiten Definition würde auch die Sanierungsfähigkeit im Hinblick auf eine zu erlangende Baugenehmigung eine Beschaffenheit darstellen. Indem nur ein Teil des Objekts so sanierungsfähig ist, dass nur zum Teil eine Umbaugenehmigung erlangt werden kann, fehlt es an einer solchen hier. Eine ausdrückliche Vereinbarung fehlt hier. Fraglich ist, ob sie konkludent aufgrund des Übersendens des Exposés seitens des Maklers zu sehen ist. Zum einen ist dies schon deshalb fraglich, weil nicht B das Exposé übersendet hat. Zum anderen ist aufgrund der Formstrenge des § 311b I 1 BGB bei einem Grundstückskaufvertrag nur vereinbart, was Inhalt der Urkunde geworden ist. In die notarielle Urkunde vom 23.10.2015 ist der Inhalt des Exposés nicht eingeflossen, sodass kein Sachmangel gem. § 434 I 1 BGB vorliegt. 2. Sachmangel gem. § 434 I 2 Nr. 2 i.V.m. S. 3 BGB Jedoch könnte ein Sachmangel gem. § 434 I 2 Nr. 2 i.V.m. S. 3 BGB vorliegen. Dann muss sich die Sache entweder nicht für die gewöhnliche Verwendung eignen oder die Beschaffenheit nicht aufweisen, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Der Zustand des Objekts war der K aufgrund ihrer Besichtigung bekannt. Jedoch gehören zu den Beschaffenheiten nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB auch, was nach Satz 3 aufgrund einer öffentlichen Äußerung des Verkäufers oder seines Gehilfen zu erwarten war. Hier könnte der Inhalt des Maklerexposés prägend gewesen sein. Jura Intensiv [8] Nach § 434 Abs. 1 Satz 3 gehören zu der Sollbeschaffenheit auch die Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers erwarten darf, wozu auch Angaben in einem Exposé zählen. Ob die sog. Visualisierung, bei der es sich um eine bildliche Darstellung der Bebauungsmöglichkeit für das gekaufte Grundstück handeln dürfte, ebenfalls eine öffentliche Äußerung der Beklagten zu 1 im Sinne dieser Vorschrift darstellt, weil sie für einen nicht von vorneherein fest bestimmten Personenkreis bestimmt war, hat das Berufungsgericht offengelassen und ist zugunsten der Klägerin zu unterstellen. Die Käuferin konnte deshalb aus objektiver Sicht erwarten, dass sie das Kaufobjekt entsprechend der Visualisierung sanieren konnte. Somit steht fest, dass es sich beim Exposé um eine öffentliche Äußerung des Verkäufers handelt. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 11/2021 Zivilrecht 563 Fraglich ist aber, ob hier der Ausnahmefall des § 434 I 3 Hs. 2 BGB vorliegt. Nach diesem gehören Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers über bestimmte Eigenschaften der Sache erwarten kann, nicht zur Beschaffenheit nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB, wenn sie die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte. Ausnahme des § 434 I 3 2. Hs. BGB [12] Ob eine öffentliche Äußerung des Verkäufers die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte, unterliegt tatrichterlicher Würdigung und ist etwa dann anzunehmen, wenn die öffentliche Äußerung bei Vertragsschluss noch nicht vorlag oder sie zwar vorlag, der Käufer sie aber nicht kannte, oder wenn es dem Käufer bei dem Vertragsschluss allein auf eine Beschaffenheit oder einen Verwendungszweck ankam, für den die in der öffentlichen Äußerung behandelten Umstände ohne Bedeutung waren [13] Dabei ist mit der „Kaufentscheidung“ im Sinne des § 434 Absatz 1 Satz 3 Halbsatz 2 BGB der Abschluss des Kaufvertrags gemeint. Maßgeblich für die Beurteilung, ob eine öffentliche Äußerung des Verkäufers über eine Eigenschaft des Grundstücks die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte, ist deshalb entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht der Zeitpunkt, zu dem der Käufer sich entschlossen hat, das Grundstück zu erwerben, sondern der Zeitpunkt der notariellen Beurkundung des Grundstückskaufvertrags. Bei getrennten Urkunden über Angebot und Annahme (§ 128 BGB) kommt es auf die notarielle Beurkundung des bindenden Angebots des Käufers zum Erwerb des Grundbesitzes an. [14] Ist der Käufer zu dem Kauf entschlossen, der Kaufvertrag aber noch nicht geschlossen, ist eine Kaufentscheidung im Sinne des § 434 Absatz 1 Satz 3 Halbsatz 2 BGB noch nicht gegeben. Im Rahmen der Privatautonomie hat nämlich jede Partei bis zum Vertragsabschluss das Recht, von dem in Aussicht genommenen Vertrag Abstand zu nehmen. Bis zum Abschluss des Kaufvertrags ist der Käufer frei, den Vertrag zu schließen oder nicht. [15] Das wird bei einem Grundstückserwerb besonders deutlich. Der Grundstückskaufvertrag kommt erst mit der notariellen Beurkundung zustande (§ 311b Absatz 1 Satz 1 BGB). Bis dahin sind die späteren Vertragsparteien nicht gebunden und können von dem Abschluss des Grundstückskaufvertrags noch im Notartermin Abstand nehmen, ohne sich - von dem Ausnahmefall einer besonders schwerwiegenden Treuepflichtverletzung abgesehen - schadensersatzpflichtig zu machen. Das zeigt, dass der Käufer bis zu der notariellen Beurkundung des Vertrags durch öffentliche Äußerungen des Verkäufers über Eigenschaften der Kaufsache bei seiner Entscheidung, den Kaufvertrag zu schließen oder nicht, beeinflusst werden kann. Anders als das Berufungsgericht meint, waren deshalb auch Angaben zur Bebaubarkeit des Grundstücks, die nach der E-Mail der Klägerin vom 11. Oktober 2015 gemacht wurden, geeignet, ihre Kaufentscheidung zu beeinflussen. [16] Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts lässt sich auf der Grundlage des Sachvortrags der Klägerin auch nicht ein Sachmangel aufgrund der im Exposé gemachten Angaben verneinen. Nach dem Inhalt des Exposés, wonach es sich um ein sanierungsfähiges Objekt, bestehend aus zwei Mehrfamilienhäusern mit acht bezugsfreien Wohneinheiten handele, konnte die Käuferin erwarten, dass eine Sanierung der Mehrfamilienhäuser mit insgesamt acht Wohnungen Jura Intensiv Beispielsfälle Entscheidender Zeitpunkt ist der Vertragsschluss Begründung: Vertragsfreiheit, die das Recht gewährt, noch im Notartermin vom Vertragsschluss Abstand zu nehmen © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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