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RA Digital - 11/2021

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612 Strafrecht

612 Strafrecht RA 11/2021 g) Absicht rechtswidriger Zueignung E und I hatten die Absicht, den Fernseher ihrem Vermögen einzuverleiben (Aneignungsabsicht) und den Willen, den Berechtigten B dauerhaft aus der Eigentümerposition zu verdrängen (Enteignungswille), haben also mit Zueignungsabsicht gehandelt. Die von E und I beabsichtigte Zueignung war rechtswidrig, da sie keinen entsprechenden Anspruch besaßen. E und I hatten auch Vorsatz bzgl. der Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung und haben somit in der Absicht rechtswidriger Zueignung gehandelt. 2. Qualifikation: § 250 II Nr. 3a) StGB E und I könnten auch eine andere Person bei der Tat körperlich schwer misshandelt haben, § 250 II Nr. 3a) StGB. BGH, Beschluss vom 30.06.2015, 3 StR 194/15, NStZ-RR 2015, 277 BGH, Urteil vom 25.03.2009, 5 StR 31/09, NJW 2009, 3041 BGH, Beschluss vom 26.7.2009, 4 StR 241/09, NStZ 2010, 150 „[20] Hingegen wird durch die Urteilsfeststellungen nicht belegt, dass die Angeklagten eine andere Person bei der Tat auch körperlich schwer misshandelt haben (§ 250 Abs. 2 Nr. 3a StGB). Das Tatbestandsmerkmal ‚bei der Tat‘ bezieht sich auf die finale Verknüpfung von Gewalt und Wegnahme. Es ist daher nur dann erfüllt, wenn eine schwere körperliche Misshandlung zur Erzwingung der Wegnahme oder zumindest zur Sicherung der Beute verübt wird. Ein schlichter räumlich-zeitlicher Zusammenhang zwischen einem Raub und einer schweren Misshandlung genügt hierfür hingegen nicht. Dies gilt sowohl für den Fall, in dem die Misshandlung der Wegnahme unmittelbar nachfolgt, als auch dann, wenn sie ihr – wie hier – unmittelbar vorausgeht.“ Im Zeitpunkt der Misshandlungen des B durch E und I hatten diese noch nicht den Willen, den Fernseher wegzunehmen (s.o. B.I.1.a.). Da diese also nicht final mit der Wegnahme des Fernsehers verknüpft waren, scheidet eine Qualifikation gem. § 250 II Nr. 3a) StGB aus. II. Rechtswidrigkeit und Schuld E und I handelten rechtswidrig und schuldhaft. Jura Intensiv III. Ergebnis E und I sind strafbar gem. §§ 249 I, 25 II StGB. In einem ähnlich gelagerten Fall kommt der BGH hingegen zur Verneinung einer konkludenten Drohung: Urteil vom 14.07.2021, 6 StR 298/21, RA-Telegramm 2021, 86. FAZIT Ein sehr schöner Fall, bei dem jeweils ein Raub bzgl. zweier unterschiedlicher Tatobjekte zu prüfen ist. Die Problematik des Fortwirkens einer abgeschlossenen Gewaltanwendung als (konkludente) Drohung ist ein Examensklassiker, im vorliegenden Sachverhalt ergänzt um weitere Probleme der Zueignungsabsicht und des Finalzusammenhangs. Angesichts der Häufigkeit, mit der die §§ 249 ff. StGB in beiden Examen geprüft werden, wird dieser Fall mit hoher Wahrscheinlichkeit als Vorlage für Examensaufgaben dienen. Eine räuberische Erpressung, §§ 253 I, 255 StGB bzgl. des Mobiltelefons würde – vergleichbar zum Ergebnis bei § 249 I StGB – an der fehlenden Absicht rechtswidriger Bereicherung scheitern. Die räuberische Erpressung bzgl. des Fernsehers würde auf Konkurrenzebene hinter dem Raub zurücktreten (Spezialitätstheorie) oder wäre bereits tatbestandlich ausgeschlossen (Exklusivitätstheorie). Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 11/2021 Referendarteil: Strafrecht 613 Speziell für Referendare Problem: Rechtlicher Hinweis bei abweichender Bewertung Einordnung: Revision, relativer Revisionsgrund BGH, Beschluss vom 26.05.2021 4 StR 550/20 EINLEITUNG § 265 StPO dient der Sicherung der umfassenden Verteidigung des Angeklagten in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht und seinem Schutz vor Überraschungen. Die Vorschrift ist ein gesetzlich geregelter Fall der Fürsorgepflicht. Mit der vorliegenden Entscheidung bestätigt der BGH seine hierzu entwickelten Grundsätze. SACHVERHALT Vor dem LG wurde gegen den A ein Verfahren wegen versuchter Vergewaltigung seiner Ehefrau geführt. Hierbei wurde ihm mit der unverändert zugelassenen Anklage vorgeworfen, seine Ehefrau auf das Bett geworfen und sich auf sie gelegt zu haben, um mit ihr gewaltsam den Geschlechtsverkehr auszuüben. Das LG hat den schweigenden A nach durchgeführter Beweisaufnahme wegen Nötigung nach § 240 I StGB zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen des LG packte der A seine Ehefrau und warf sie auf das Ehebett, um sie dazu zu bringen, sich ihm „doch noch sexuell hinzugeben“. Obwohl seine Ehefrau das Bett verlassen wollte und sich lautstark wehrte, legte sich der A auf sie und schob seine Hüfte zwischen ihre Beine. Wie von ihm beabsichtigt wurde seine Ehefrau dadurch dazu gezwungen, im Bett liegen zu bleiben und weitere Aufstehversuche zu unterlassen. Auf die Abweichung in der rechtlichen Bewertung war A durch das LG in der Hauptverhandlung nicht förmlich hingewiesen worden. Hat eine zulässige Revision des A gegen das Urteil Aussicht auf Erfolg? PRÜFUNGSSCHEMA: BEGRÜNDETHEIT EINER REVISION A. Prozessvoraussetzungen und Verfahrenshindernisse B. Verfahrensrügen C. Sachrüge Jura Intensiv LEITSATZ DER REDAKTION Ein Hinweis nach § 265 I StPO ist auch dann erforderlich, wenn die Verurteilung wegen eines milderen Strafgesetzes erfolgen soll. LÖSUNG A. Prozessvoraussetzungen und Verfahrenshindernisse Das Fehlen von Prozessvoraussetzungen oder Vorliegen von Verfahrenshindernissen ist nicht ersichtlich. B. Verfahrensrüge I. Vorliegen eines Verfahrensfehlers Das LG könnte gegen § 265 I StPO verstoßen haben, indem es den A nicht auf die Abweichung in der rechtlichen Bewertung hingewiesen hat. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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