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RA Digital - 11/2022

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566 Zivilrecht

566 Zivilrecht RA 11/2022 Zur Überprüfung, ob ein Widerrufsrecht gem. §§ 312g I, 355 BGB besteht, sollte immer in drei Schritten geprüft werden: - Persönliche Anwendbarkeit - Sachliche Anwendbarkeit - Kein Ausschluss des Widerrufsrechts. Vorliegend liegt der klare Schwerpunkt der Prüfung beim Ausschlussgrund des § 312g II Nr. 1 BGB, weshalb die anderen Prüfungspunkte in angemessener Kürze abgehandelt werden dürfen. Handschriftliche Eintragung Einigung über eine Individualisierung K wurde hinsichtlich des Bestandes seines Widerrufsrechts durch verwirrende Angaben in die Irre geführt, weshalb ein Verstoß gegen Treu und Glauben seitens B vorliegt. i. S. d. § 310 III BGB außerhalb der Geschäftsräume der B geschlossen haben. Ferner darf das Widerrufsrecht nicht ausgeschlossen gewesen sein. Hier schloss K einen Vertrag zu privaten Zwecken mit der gewerblichen Händlerin B ab. Folglich handelte K als Verbraucher gem. § 13 BGB und B als Unternehmer i. S. d. § 14 BGB. Indem nach dem Inhalt des Vertrages für das gelieferte Buch ein Preis zu zahlen war, liegt ein Verbrauchervertrag vor. Indem K den Vertrag bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit eines Vertreters der B in seiner Wohnung geschlossen hat, liegt auch ein außerhalb der Geschäftsräume der B geschlossener Vertrag i. S. d. §§ 312, 312b BGB vor. Das Widerrufsrecht könnte jedoch gem. § 312g II Nr. 1 BGB ausgeschlossen sein. Dies setzt erstens einen Vertrag über die Lieferung einer Ware voraus. Dies ist hier der Fall. Ferner müsste K entweder eine individuelle Bestimmung zur Herstellung der Ware oder eine individuelle Bestimmung getroffen haben, die auf die Bedürfnisse des K zugeschnitten war. Sinn und Zweck der Norm ist es, die Erschwernis der Wiederverkäuflichkeit der Ware zu berücksichtigen, die sich aus solchen individuellen Bestimmungen zwangsläufig ergeben. Fraglich ist, wie sich die handschriftliche Eintragung des Namens des K auswirkt. [25] Auf die handschriftliche Eintragung des Namens des Klägers in die eingeklebte „Notarielle Beurkundung“ kommt es nicht an, denn eine derartige Individualisierung des Faksimiles hat der Kläger nicht bestellt. Vielmehr ist in der Bestellurkunde eine Individualisierung durch ein Messingschild angekreuzt. (...) Fraglich ist, ob die von K bestellte Individualisierung in Form der Anbringung eines Messingschildes mit seinem Namen das Widerrufsrecht gem. § 312g II Nr. 1 BGB ausgeschlossen hat. [28] (...) für das Eingreifen des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB ist (...) grundsätzlich unerheblich, ob der Unternehmer die vereinbarte Individualisierung im Zeitpunkt des Widerrufs bereits vorgenommen hat. Insofern ist allein entscheidend, ob sich die Parteien über eine tatbestandsmäßige Individualisierung der Kaufsache geeinigt haben. Wann der Unternehmer diese Individualisierung vornimmt, spielt keine Rolle. [29] Vorliegend kann sich die Beklagte auf einen Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB vor der Lieferung eines entsprechend personalisierten Faksimiles jedoch nach Treu und Glauben aus § 242 BGB nicht berufen, denn sie hat den Kläger in der Bestellurkunde über einen Ausschluss des Widerrufsrechts irreführend belehrt, indem sie dort darauf hingewiesen hat, dass das Widerrufsrecht im Falle der Personalisierung „nach Lieferung“ ausgeschlossen sei. Der durchschnittliche Adressat der Bestellurkunde ohne besondere Rechtskenntnisse konnte diesen Hinweis ohne Weiteres dahingehend verstehen, dass ein Widerrufsrecht vor der Lieferung des entsprechend personalisierten Faksimile noch nicht ausgeschlossen ist. An diesem von ihr unmittelbar durch die Gestaltung der Bestellurkunde vermittelten (rechtlich unzutreffenden) Eindruck muss sich die Beklagte unbeschadet des Umstandes festhalten lassen, dass sie in der Widerrufsbelehrung (rechtlich zutreffend aber abstrakt) darauf hingewiesen hat, dass das Widerrufsrecht im Falle einer Individualisierung der Ware generell ausgeschlossen ist. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 11/2022 Zivilrecht 567 Hier hatte B das bestellte Faksimile mit einer Personalisierung durch ein Messingschild mit dem Namen des K nicht geliefert. Sie kann sich somit auf einen etwaigen Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB aus Treu und Glauben nicht berufen. Darüber hinaus ist fraglich, ob das Widerrufsrecht nicht auch ohne den rechtlich unzutreffenden Hinweis auf der Bestellurkunde nicht ausgeschlossen wäre. Ein Ausschluss nach § 312g II Nr. 1 BGB erscheint schon deshalb zweifelhaft, weil sich das von K bestellte Messingschild ohne Einbuße an der Substanz des Faksimiles wieder entfernen und durch ein anderes gleich großes Messingschild ersetzen ließe. [32] (...) Entscheidend ist, ob die Anfertigung der Ware bzw. deren Zuschnitt auf die Bedürfnisse des Verbrauchers nicht ohne Einbuße an Substanz und Funktionsfähigkeit ihrer Bestandteile bzw. nur mit unverhältnismäßigem Aufwand wieder rückgängig zu machen ist (...) Rückbaukosten jedenfalls unter 5 % des Warenwerts sind dabei als noch verhältnismäßig anzusehen (...). [33] Auf dieser Grundlage sind die Voraussetzungen eines Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB durch die Vereinbarung der Anbringung eines Messingschildes mit dem Namen des Klägers nicht gegeben. Nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers ließe sich das Messingschild problemlos wieder entfernen und durch ein anderes, gleich großes Messingschild mit dem Namen eines anderen Käufers ersetzen. Der Wert des Messingschildes liegt unbestritten unter 20,00 € und damit weit unter 1 % des vereinbarten Kaufpreises. Die Beklagte könnte ein durch ein Messingschild für den Kläger personalisiertes Faksimile daher ohne Überschreiten der Opfergrenze wieder verkehrsfähig machen und erneut zum Kauf anbieten. Somit steht fest, dass das Widerrufsrecht nicht gem. § 312g II Nr. 1 BGB ausgeschlossen ist. II. Fristgemäße Widerrufserklärung Fraglich ist, ob der Widerruf des K mehr als sechs Monate nach Vertragsschluss und Aushändigung des Buches noch fristgemäß erfolgt ist. Dies richtet sich nach § 355 II BGB. Jura Intensiv [37] Die allgemeine Widerrufsfrist von 14 Tagen (§§ 355 Abs. 2 Satz 1, 312g Abs. 1 BGB) hatte gem. § 356 Abs. 3 S. 1 BGB noch nicht zu laufen begonnen, weil die Beklagte den Kläger nicht ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht unterrichtet hatte. [40] Die Ausschlussfrist gem. §§ 356 Abs. 3 S. 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 lit. a BGB von zwölf Monaten und 14 Tagen ab Lieferung war zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung im Januar 2021 noch nicht verstrichen. Rückbaukosten von 5 % gelten noch als verhältnismäßig. Der Sinn und Zweck des § 312g II Nr. 1 BGB, den Unternehmer vor einer Unverkäuflichkeit der Ware zu schützen, die durch die Individualisierung eintritt, ist hier nicht berührt. Die Widerrufsfrist hatte noch nicht zu laufen begonnen. Deshalb war die Widerrufserklärung noch fristgemäß. Folglich erfolgte der Widerruf auch fristgemäß. B. Ergebnis K hat gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung der 7.920 € aus einem Rückgewährschuldverhältnis gem. §§ 355 III, 357 BGB. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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