Aufrufe
vor 1 Jahr

RA Digital - 11/2022

  • Text
  • Verlagjuraintensivde
  • Entscheidung
  • Zivilrecht
  • Anspruch
  • Recht
  • Urteil
  • Verlags
  • Inhaltsverzeichnis
  • Stgb
  • Jura
  • Intensiv
Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

572 Zivilrecht

572 Zivilrecht RA 11/2022 Stets zu prüfen sind in der Zulässigkeit der Erinnerung, sowohl im Gutachten als auch in den Gründen eines Beschlusses: - Statthaftigkeit - Zuständigkeit des Gerichts - Rechtsschutzbedürfnis. Eine Erinnerungsbefugnis ist nur zu prüfen, wenn ein Dritter die Erinnerung einlegt. Nicht zwingend erwähnt werden muss die interne Zuständigkeit des Vollstreckungsgericht gem. § 20 Nr. 17 S. 2 RechtspflegerG, nach der den Richtern und eben nicht den Rechtspflegern die Entscheidung über die Erinnerung vorbehalten bleibt. Hinweis für Referendare: Das Rechtsschutzbedürfnis muss in den Gründen des Beschlusses am Ende der Zulässigkeitsauführungen positiv festgestellt werden. (1) Folgende Sachen sin der Pfändung nicht unterworfen: 12. künstliche Gliedmaßen, Brillen und andere wegen körperlicher Gebrechen notwendige Hilfsmittel, soweit diese Gegenstände zum Gebrauch des Schuldners und seiner Familie bestimmt sind; (...) LÖSUNG A. Zulässigkeit der Erinnerung gem. § 766 I ZPO Fraglich ist, ob die Erinnerung gem. § 766 I ZPO zulässig ist. I. Statthaftigkeit Die Erinnerung ist gem. § 766 I ZPO statthaft, wenn sich der Schuldner mit formellen Einwendungen gegen das Zwangsvollstreckungsverfahren oder gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung wendet. Hier wehrt sich S mit dem Einwand, der Pkw sei unpfändbar. Dies würde angesichts der Vorschriften der §§ 811 ff. ZPO einen formellen Einwand gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung darstellen. Folglich ist die Erinnerung statthaft. II. Zuständigkeit des Amtsgerichts Erfurt Das Amtsgericht Erfurt muss zuständig sein. Zur Entscheidung über eine Vollstreckungserinnerung ist gem. § 766 I ZPO i. V. m. §§ 764 II, 802 ZPO das Vollstreckungsgericht ausschließlich zuständig. Als dieses ist anzusehen, das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung stattgefunden hat. Hier fand eine Sachpfändung im Sinne der §§ 753, 803, 808 ZPO am Wohnsitz des S in Erfurt statt. Folglich ist das Amtsgericht Erfurt als Vollstreckungsgericht zur Entscheidung über die Vollstreckungserinnerung gem. § 766 I ZPO ausschließlich zuständig. III. Rechtsschutzbedürfnis 1. In zeitlicher Hinsicht Das Rechtsschutzbedürfnis zum Einlegen der Erinnerung besteht für den Schuldner vom Beginn bis zum Ende der Zwangsvollstreckung. Hier begann die Zwangsvollstreckung mit der Pfändung des Pkw. Die Vollstreckung ist beendet, wenn dem Gläubiger der Erlös ausgekehrt wurde oder der Schuldner die Vermögensauskunft gem. §§ 802a ff. ZPO abgegeben hat und diese gem. § 802f VI ZPO als Vermögensverzeichnis beim zentralen Vollstreckungsgericht (§§ 882b, 882h ZPO) hinterlegt ist. Hier wurde weder der Erlös ausgekehrt noch eine Vermögensauskunft abgegeben. Folglich ist die Vollstreckung noch nicht beendet. Das Rechtsschutzbedürfnis besteht damit in zeitlicher Hinsicht. Jura Intensiv 2. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis Das Rechtsschutzbedürfnis besteht allgemein für den Rechtsbehelf, wenn es keinen einfacheren, kostengünstigeren Rechtsbehelf gibt, der gleich rechtsschutzintensiv ist. Die Vollstreckungserinnerung bedarf zur Einlegung keines Antrags, nicht einmal eines Kostenvorschusses, denn sie ergeht gerichtskostenfrei. Folglich gibt es keinen einfacheren und kostengünstigeren Rechtsbehelf, der zugleich rechtsschutzintensiver ist. S hatte zur Einlegung der Erinnerung auch das nötige Rechtsschutzbedürfnis. Die Erinnerung ist zulässig. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 11/2022 Zivilrecht 573 B. Begründetheit der Erinnerung Die Schuldnererinnerung ist gem. § 766 I ZPO begründet, wenn die Zwangsvollstreckung nicht oder nicht so hätte durchgeführt werden dürfen. Sie hätte nicht durchgeführt werden dürfen, wenn dadurch eine Verfahrensvorschrift verletzt worden wäre. Sie hätte nicht so durchgeführt werden dürfen, wenn die Vollstreckung nicht in der vorgenommenen Art und Weise hätte erfolgen dürfen. 1. Verfahrensverletzung Eine Verfahrensverletzung hätte vorgelegen, wenn das Vollstreckungsorgan eine Voraussetzung der Zwangsvollstreckung missachtet hätte. Dies ist im vorliegenden Fall, wo insbesondere das gem. §§ 753, 808 ZPO zuständige Organ mit einem wirksamen Titel vollstreckt hat, nicht der Fall. 2. Verstoß gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung Jedoch könnte die Pfändung des Pkw anfechtbar sein, wenn das Vollstreckungsorgan gegen die vorgeschriebene Art und Weise der Zwangsvollstreckung verstoßen hätte. Dies liegt insbesondere bei Missachtung eines Pfändungsverbotes vor. a) Verstoß gegen §§ 851 ZPO i. V. m. § 399 BGB S ist der Meinung, dass der Pkw schon deshalb unpfändbar sei, weil er mit Geldmitteln aus einer unpfändbaren Forderung bezahlt worden sei. Nach seiner Auffassung erfasse das die Forderung betreffende Pfändungsverbot des §§ 851 ZPO, 399 BGB die gekaufte Sache. [17] Es kann dahinstehen, ob ein Anspruch gegen den Fonds “Heimerziehung in der DDR”, welcher das Ziel hat, ehemaligen Heimkindern, denen Unrecht und Leid während ihrer Heimunterbringung in der ehemaligen DDR zugefügt wurde, finanzielle Hilfen zu gewähren, nach § 851 Abs. 1 ZPO, § 399 BGB unpfändbar ist, weil die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen könnte (...). Des Weiteren kann offenbleiben, ob sich die Unpfändbarkeit eines entsprechenden Anspruchs ohne Weiteres an dem zu dessen Erfüllung Geleisteten fortsetzt oder ob Unpfändbarkeit insoweit nur dann besteht, wenn dies für das Geleistete anderweitig angeordnet ist (...). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde würde sich eine etwaige Unpfändbarkeit des Anspruchs gegen den Fonds “Heimerziehung in der DDR” jedenfalls nicht an dem Pkw fortsetzen. Es kann entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht davon ausgegangen werden, dass ein Anspruch gegen den Fonds “Heimerziehung in der DDR” durch die Lieferung des Pkw erfüllt worden ist; der Pkw ist vielmehr nach dem Vorbringen des Schuldners aufgrund eines zwischen ihm und einem Händler geschlossenen Kaufvertrags überwiegend mit Mitteln aus dem genannten Fonds erworben worden. Besondere Vorschriften, welche zur Unpfändbarkeit des Pkw gerade wegen der Unpfändbarkeit eines gegen den Fonds “Heimerziehung in der DDR” gerichteten Anspruchs führen würden, sind nicht ersichtlich. [18] Die von der Rechtsbeschwerde herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofs (...) steht dem nicht entgegen. Zwar hat der Bundesgerichtshof in diesem Beschluss ausgeführt, dass eine Entschädigungszahlung, die der dortige Schuldner vom Bischöflichen Ordinariat erhalten hatte, nicht Gegenstand der Insolvenzmasse geworden ist, weil Jura Intensiv Hinweis für Referendare: Im die Prozessakte simulierenden Aufgabentext werden Sie sowohl Pfändungs- als auch Sitzungsprotokolle finden. Sie sollten deshalb regelmäßig folgende Punkte kurz ansprechen, auch wenn keine Probleme aufgeworfen wurden: - den Vollstreckungsauftrag des Gläubigers (Antrag) - die funktionelle Zuständigkeit des Gerichtsvollziehers - den Vollstreckungstitel - das Vorliegen der Klausel gem. §§ 724, 725 ZPO - ggflls. die Zustellung des Vollstreckungstitels. Sonstige Verfahrensvorschriften sollten Sie im Falle eines aufgeworfenen Problems erörtern. Die „Art und Weise“ der Zwangsvollstreckung richtet sich nach der beantragten Vollstreckungsmaßnahme, bzw. der beantragten Entscheidung. Im Falle einer Fahrnispfändung gem. §§ 803, 808 ZPO ist zu überprüfen, ob die Pfändung - am richtigen Ort - zur richtigen Zeit - im richtigen Umfang - in der richtigen Art und Weise und - in den richtigen Gegenstand erfolgt ist. Hier geht es um die Pfändung in den richtigen Gegenstand und die Prüfung der damit verbundenen Pfändungsverbote. Der Beschwerdeführer hatte sich vor dem BGH auf den Beschluss des BGH vom 22.05.2014, IX ZB 72/12 zur Opferentschädigung durch das Bischöfliche Ordinariat gestützt. Der Senat lehnt die Vergleichbarkeit beider Fälle ab, weil hier nicht die erhaltene Ausgleichszahlung gepfändet wurde sondern das rechtsgeschäftliche Surrogat aus der Ausgleichszahlung, nämlich der mit dem Geld angeschaffte PKW. Dies ist von der Wirkung des Pfändungsverbotes aus § 851 I ZPO i. V. m. § 399 BGB nicht erfasst. Fehlende Vergleichbarkeit mit dem Fall aus BGH, Beschluss vom 22.05.2014, IX ZB 72/12. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

RA - Digital

Rspr. des Monats