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RA Digital - 11/2022

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576 Zivilrecht

576 Zivilrecht RA 11/2022 Hier knüpft der Senat an seine eigene gefestigte Rechtsprechung an, siehe BGH, Beschluss vom 16. 06.2011, VII ZB 12/09 Rn. 8. Die Ausweitung der gefestigten Rechtsprechung auf psychische Erkrankungen ist möglich. Deshalb kann ein Pkw unter diesen Umständen auch gem. § 811 I Nr. 1 lit. c ZPO unpfändbar sein. Die Unpfändbarkeit des Pkw kann sich aber daraus ergeben, dass ihn S benötigt, um damit die aus seiner psychischen Erkrankung herrührenden Nachteile teilweise zu kompensieren und seine Eingliederung in das öffentliche Leben wesentlich zu erleichtern. [27] So unterliegt der Pkw eines gehbehinderten Schuldners nach der bereits zu § 811 Abs. 1 Nr. 12 ZPO a.F. ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht der Pfändung, wenn die Benutzung des Pkw erforderlich ist, um die Gehbehinderung teilweise zu kompensieren und die Eingliederung des Schuldners in das öffentliche Leben wesentlich zu erleichtern. Die Pfändung eines Fahrzeugs hat demnach zu unterbleiben, wenn sie dazu führt, dass der Schuldner in seiner Lebensführung stark eingeschränkt und im Vergleich zu einem nicht behinderten Menschen entscheidend benachteiligt wird (...). Diese Rechtsprechung kann angesichts des erweiterten sachlichen Anwendungsbereichs der Neuregelung in § 811 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ZPO nunmehr auch bei psychischen Erkrankungen anwendbar sein: Ist dem Schuldner wegen einer psychischen Erkrankung die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar, kann auch dies zur Unpfändbarkeit eines Pkw des Schuldners „aus gesundheitlichen Gründen“ führen, wenn die Benutzung des Pkw erforderlich ist, um die Erkrankung teilweise zu kompensieren und die Eingliederung des Schuldners in das öffentliche Leben, wozu auch das etwa nötige Aufsuchen von Ärzten gehört, wesentlich zu erleichtern (...). Weil dies laut Sachverhalt hier der Fall ist, liegt ein Verstoß gegen das Pfändungsverbot des § 811 I Nr. 1 lit. c ZPO vor. C. Ergebnis Die Vollstreckungserinnerung des S gem. § 766 I ZPO ist zulässig und begründet. FAZIT Mit der Reform des § 811 I Nr. 1 ZPO zum 01.01.2022 stellen sich viele Fragen zum Pfändungsschutz neu. Somit ist es nunmehr denkbar, dass der Pkw eines Schuldners gem. § 811 I Nr. 1 lit. c ZPO unpfändbar ist, wenn er zwingend erforderlich ist, um die aus der psychischen Erkrankung des Schuldners herrührenden Nachteile teilweise zu kompensieren Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 11/2022 Referendarteil: Zivilrecht 577 Speziell für Referendare Problem: Verhältnis zwischen § 199 III 1 Nr. 2 BGB und § 548 BGB Einordnung: Mietrecht, BGB-AT BGH, Urteil vom 31.08.2022 VIII ZR 132/20 EINLEITUNG Die größten „Feinde“ eines Gebäudes sind Wasser und Feuer. Unsachgemäße Baumaßnahmen können diesbezüglich zu erheblichen Folgeschäden führen, wenn Mängel nicht offensichtlich sind. Meist reicht ein vergessener Arbeitsschritt, wie hier das Verbauen einer wasserfesten Dichtung, um Jahrzehnte später kostenintensive Substanzschäden am Gebäude zu verursachen. In diesem Zusammenhang stellen sich häufig rechtliche Fragen hinsichtlich der Verjährung von behaupteten Ansprüchen. Hierzu die folgende als erstinstanzliches Urteil dargestellte Entscheidung. TATBESTAND Die Kläger (K) sind Eigentümer und Vermieter einer im Jahr 1981 von den Beklagten zu 1 und 2 (B1 und B2) gemieteten im vierten Obergeschoss gelegenen Wohnung in Berlin. In den ersten Jahren des Mietverhältnisses statteten B1 und B2 das ursprünglich mit Holzdielen ohne Fußbodenentwässerung versehene Badezimmer mit einem Fliesenfußboden nebst Bodenabfluss aus. Die Arbeiten wurden nicht fachgerecht ausgeführt, weil eine Dichtung unterhalb der Fliesen nicht erstellt wurde. Am (…2022) drang in dem unmittelbar darunter gelegenen Badezimmer der Wohnung im dritten Obergeschoss schwallartig Wasser durch die Decke. Im Zuge der Schadensaufnahme stellte ein vereidigter Sachverständiger fest, dass die Decke einsturzgefährdet war, weil mehrere Deckenbalken durch über Jahre eingedrungene Feuchtigkeit beschädigt worden waren. Der zur Wiederherstellung erforderliche Aufwand ist nicht abschließend ermittelt. Die K behaupten, eine Genehmigung für die Umbaumaßnahmen sei zu keinem Zeitpunkt erteilt worden. Ein Defekt an anderen wasserleitenden Systemen, beispielsweise der Heizung, sei nicht festgestellt worden, insbesondere sei es zu keinen relevanten Druckveränderungen gekommen. Die Kläger beantragen, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Kläger 37.643,09 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem (…) zu zahlen sowie festzustellen, dass die Beklagten alle weiteren Kosten für eine etwaige Schadensbeseitigung auf Grund des Eindringens von Wasser auf Grund von nicht sach- und fachgerechter Ausführung von Umbaumaßnahmen durch die Beklagten im Badezimmer zu tragen haben. Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen. Jura Intensiv LEITSATZ § 548 I BGB enthält für die von dieser Bestimmung erfassten Ansprüche des Vermieters eine abschließende Sonderregelung, die der allgemeinen Regelung des § 199 III 1 Nr. 2 BGB vorgeht, so dass eine Anspruchsverjährung vor Rückgabe der Mietsache an den Vermieter nicht eintreten kann. Hinweis: Um Entscheidungsreife herzustellen, mussten hier Ergänzungen im Tatbestand vorgenommen werden. Das Unstreitige wird im Indikativ Imperfekt dargestellt. Ausnahmen – insbesondere hier – sind Umstände, die sich auf die Gegenwart beziehen. Wichtig für den Feststellungsantrag Der streitige Parteivortrag wird im Präsens und indirekter Rede dargestellt. Trennen Sie zwischen Tatsachenbehauptungen und Rechtsansichten. Aktuelle Anträge sind hervorzuheben. Dies erfolgt stets durch Einrücken, Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 313 Rn 19. Feststellungsantrag hinsichtlich weiterer zurzeit aber noch nicht bezifferbarer Kosten, hierzu Thomas/ Putzo-Seiler, § 256 Rn 14 f. Abweisungsantrag der Beklagten © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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