578 Referendarteil: Zivilrecht RA 11/2022 Der streitige Parteivortrag der Beklagtenseite Einrede der Verjährung Ausführungen zur Verjährung sollten, soweit diese im Tatbestand erforderlich oder zumindest sinnvoll sind, an dieser Stelle erfolgen. Die Ausführungen – örtlich – zum streitigen Vortrag der Beklagten zu ziehen, würde Verständnisprobleme erzeugen, weil die Erhebung der Einrede erst danach erfolgen würde. Zulässigkeit und Begründetheit der Klage: Der Anspruch gegen den Mieter besteht grundsätzlich. Hier kann in einer Klausur selbstverständlich auch Prüfungsstoff verarbeitet werden. Zu beachten ist aber, dass es wahrscheinlich ist, dass der Anspruch besteht. Andernfalls wäre die Thematik um das Verhältnis der Verjährungsvorschriften nicht entscheidungserheblich. Einrede der Verjährung Sollte der Anspruch bereits aus § 548 I 1 BGB heraus verjährt sein, wäre die Prüfung ebenfalls sehr kurz. Hier könnte in einer Klausur mit einer knappen, aber noch eingehaltenen Frist gearbeitet werden. Diese Konstellation würde in einer Klausur abgeprüft werden. § 548 BGB ist tatbestandlich nicht erfüllt, § 199 III 1 Nr. 2 BGB aber schon! Urteilsstil: Ergebnis vorweg! Methodenlehre: Auslegung nach Wortlaut, Historie, Gesetzessystematik und Sinn und Zweck (Teleologie) der Norm. Kein Anhaltspunkt im Wortlaut für eine parallele Anwendbarkeit der Normen Die B behaupten, die Wasserschäden seien aufgrund eines Defektes in der Heizungsanlage aufgetreten, weil sich ein Sicherheitsventil, welches sich im Boden befinde, geöffnet habe und Heizungswasser hieraus getreten sei. Zudem erheben die B die Einrede der Verjährung. Hierzu vertreten die B die Rechtsauffassung, die insoweit maßgebliche Vorschrift des § 199 III 1 Nr. 2, S. 2 BGB sei nicht deswegen unanwendbar, weil Schadensersatzansprüche des Vermieters wegen einer Beschädigung der Mietsache gemäß § 548 I BGB einer besonderen Verjährungsfrist unterlägen, für die gemäß § 200 BGB ein besonderer Verjährungsbeginn gelte. Denn § 199 BGB regele nicht allein den „Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist“, sondern darüber hinaus besondere „Verjährungshöchstfristen“. Diese Fristen beanspruchten Geltung unabhängig vom Beginn der regelmäßigen Verjährung. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die Klage ist zulässig und begründet. Den K steht ein Zahlungsanspruch in geltend gemachter Höhe gem. §§ 280 I, 535 BGB zu. Zwischen den Parteien besteht ein wirksames Schuldverhältnis in Form eines Wohnraummietverhältnisses. Die Pflichtverletzung aus diesem Schuldverhältnis ergibt sich aus der unstreitig ungenehmigten und unsachgemäß ausgeführten Umbaumaßnahme der B. Soweit die B behaupten, die Wasserschäden seien aufgrund eines Defektes in der Heizungsanlage aufgetreten, sind sie ihrer Darlegungsund Beweislast nicht ausreichend nachgekommen. Die K haben schlüssig dargelegt, dass es zu keinem Druckabfall im Heizungssystem kam und somit das Auslösen des Sicherheitsventils, verbunden mit Wasseraustritt hieraus, unwahrscheinlich war. Die B haben die Pflichtverletzung zu vertreten, § 280 I 2 BGB. Gegenteiliges ist nicht vorgetragen. Der Zahlungsanspruch entspricht den behaupteten und zurzeit bekannten Reparaturkosten. Die von den B erhobene Einrede der Verjährung mit dem Ziel der berechtigten Leistungsverweigerung gem. § 214 I BGB greift nicht durch. Eine Anspruchsverjährung gemäß § 548 I 1 BGB ist nicht eingetreten, denn die K haben die Mietwohnung im Sinne dieser Vorschrift nicht zurückerhalten. Die schadensursächliche Pflichtverletzung – der unter Verstoß gegen die Regeln der Technik erfolgte Einbau der Bodenfliesen im Badezimmer – ereignete sich vor 1984 und damit über 30 Jahre vor der Klageerhebung. Zu klären ist somit, ob eine Verjährung gem. § 199 III 1 Nr. 2, S. 2 BGB eingetreten ist. Diese Norm kommt im Streitfall aber indes nicht zum Tragen. Jura Intensiv [24] Das Berufungsgericht hat verkannt, dass die Vorschrift des § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB hier nicht anwendbar ist, weil § 548 BGB für bestimmte mietrechtliche Ansprüche eine abschließende Sonderregelung enthält, die der allgemeinen Bestimmung des § 199 Abs. 3 BGB vorgeht, so dass eine Verjährung solcher Ansprüche vor der Rückgabe der Mietsache nicht eintreten kann. (…). Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 548 BGB. Weder findet sich hier der Zusatz „spätestens“, welcher darauf schließen lassen könnte, dass Ansprüche nach § 199 III 1 Nr. 2 BGB und nach § 548 BGB verjähren können, noch findet sich ein Verweis auf den allgemeinen Teil des BGB, welcher die Anwendbarkeit des § 199 III 1 Nr. 2 BGB eröffnet. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
RA 11/2022 Referendarteil: Zivilrecht 579 Die Anwendung der Verjährungshöchstfrist des § 199 III 1 Nr. 2 BGB auf die von § 548 I BGB erfassten Ansprüche des Vermieters ist auch mit der Gesetzessystematik nicht zu vereinbaren. [30] Dies ergibt sich, wie die Revision zu Recht hervorhebt, bereits aus dem Umstand, dass die Verjährungshöchstfristen der § 199 Abs. 2 bis 4 BGB im Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs normiert sind, während § 548 BGB speziellere Regelungen für bestimmte mietrechtliche Fallgestaltungen trifft. Der Gesetzgeber hat die allgemeinen Regeln des § 199 BGB „vor die Klammer“ gezogen, wodurch zum Ausdruck kommt, dass diese Bestimmungen nur Anwendung finden, soweit hiervon gesetzlich nichts Abweichendes bestimmt ist. Dem steht auch nicht entgegen, dass es sich bei den Verjährungshöchstfristen des § 199 II bis IV BGB um besonders gestaltete, eigenständige Verjährungsfristen handelt. Die Vorschrift des § 199 III BGB bestimmt lediglich Höchstfristen der regelmäßigen Verjährung (BGH (…)) und gilt damit nicht für Regelungen, die besondere Vorschriften für die Verjährung enthalten. Nichts Anderes ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des § 548 I BGB. [35] Zwar beruht die Verjährung auf den Gedanken des Schuldnerschutzes, des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit. Sie soll den Schuldner davor schützen, wegen länger zurückliegender Vorgänge in Anspruch genommen zu werden, die er nicht mehr aufklären kann, weil ihm Beweismittel für etwa begründete Einwendungen abhandengekommen oder Zeugen nicht mehr auffindbar sind (BGH, (…)). Dies rechtfertigt jedoch im Anwendungsbereich der Sondervorschrift des § 548 Abs. 1 BGB nicht ein Nebeneinander mit der dreißigjährigen Verjährungsfrist des § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB. Nicht unbeachtet bleiben darf, Jura Intensiv [36] (…) dass der Gesetzgeber sich - auch um das Mietverhältnis nicht unnötig zu belasten (BGH (…)) - dafür entschieden hat, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit nach Maßgabe des § 548 Abs. 1 BGB dadurch herzustellen, dass er die Verjährung - unabhängig von der Entstehung des Anspruchs - einerseits erst an die Rückgabe der Mietsache geknüpft hat, die Verjährungsfrist andererseits aber - unabhängig von der Entstehung des Anspruchs - auf sechs Monate beschränkt hat statt eine Regelverjährung gemäß § 195 BGB vorzusehen. Gerade im Interesse der Rechtssicherheit, der Rechtsklarheit und des Rechtsfriedens wollte der Gesetzgeber mit der gesetzlichen Regelung des § 548 Abs. 1 BGB zeitnah zur Rückgabe der Mietsache eine „möglichst schnelle“ Klärung über bestehende Ansprüche im Zusammenhang mit dem Zustand der Mietsache erreichen (BGH (…)). [37] Dazu muss der Vermieter in die Lage versetzt werden, sich durch Ausübung der unmittelbaren Sachherrschaft über die Mietsache ungestört ein umfassendes Bild von etwaigen Mängeln, Veränderungen und Verschlechterungen zu machen (BGH (…)). Der zentrale Gesetzeszweck, den Vermieter zu einer möglichst raschen Klärung seiner Ersatzansprüche anzuhalten, ist daher ausdrücklich an den Rückerhalt der Mietsache geknüpft (vgl. BGH (…)). Diese gesetzgeberische Wertung würde unterlaufen, wenn eine Verjährung von Ansprüchen Systematik: Grundlagen der Methodenlehre, die hier vorbildlich schulbuchartig abgearbeitet werden Siehe auch: BGH, Beschluss vom 21.06.2018, IX ZR 171/16 BGH, Urteil vom 19.01.2005, VIII ZR 114/04 Sinn und Zweck der Norm BGH, Urteil vom 19.12.2018, XII ZR 5/18; BGH, BGH, Urteil vom 17.02.2010, VIII ZR 104/09; BGH, Urteil vom 22.02.2018, VII ZR 253/16 BGH, Urteil vom 28.05.2008, VIII ZR 133/07 Daraus folgt ein Schutz für beide Parteien. Der Mieter ist über die kurze sechsmonatige Verjährungsfrist geschützt, der Vermieter dadurch, dass diese Frist erst mit Übergabe der Mietsache beginnt, § 548 I 2 BGB. BGH, Urteil vom 08.11.2017, VIII ZR 13/17; BGH, Urteil vom 23.10.2013, VIII ZR 402/12; BGH, Urteil vom 15.03.2006, VIII ZR 123/05 BGH, Urteil vom 23.10.2013, VIII ZR 402/12, BGH, Urteil vom 12.10.2011, VIII ZR 8/11. BGH, Urteil vom 08.11.2017, VIII ZR 13/17 © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis
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