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RA Digital - 11/2022

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584 Referendarteil:

584 Referendarteil: Zivilrecht RA 11/2022 Rechtssystematisch empfehle ich in einer Urteilsklausur einen abweichenden Aufbau, siehe Fazit Vielmehr ergibt sich der personelle Umfang des Versicherungsschutzes aus dem Versicherungsvertrag selbst. Die ausdrückliche Vereinbarung, dass nur eine Person, Herr C. W. das Fahrzeug fahren darf, spricht gegen den Versicherungsschutz des B. [16] (…) Solche ausdrücklichen Regelungen stehen der Annahme, die Parteien des Versicherungsvertrages hätten den Versicherungsschutz stillschweigend auch auf diese anderen Personen erstrecken wollen, entgegen. Vorletzter Punkt: Neben der möglichen – aus Rechtsgründen nicht einschlägigen – Möglichkeit der fehlenden Durchsetzbarkeit des Anspruches gem. § 548 BGB prüft das Gericht nunmehr den vertraglich vereinbarten Regressverzicht. Letzter Punkt: Prüfung des „Angehörigenprivilegs“ Die Klausel aus dem Versicherungsvertrag, wonach bei einer berechtigten Nutzung des Fahrzeugs ein Regressanspruch bei fahrlässiger Beschädigung ausgeschlossen ist, ist ebenfalls nicht einschlägig. Unerheblich ist, ob B tatsächlich seitens der M die Erlaubnis zur Fahrzeugnutzung hatte. B handelte aufgrund der Alkoholisierung grob fahrlässig, sodass der Regressverzicht aus diesem Grunde bereits nicht eingreift. § 86 Abs. 3 VVG steht der Geltendmachung des Anspruches ebenfalls nicht entgegen. Hiernach besteht der Regressanspruch des Versicherers nicht gegen eine Person, die mit dem Versicherten bei Eintritt des Schadens in häuslicher Gemeinschaft lebt. B lebt in häuslicher Gemeinschaft mit M. Diese ist aber nicht Versicherungsnehmerin, sondern T als Eigentümer des Fahrzeuges. Eine häusliche Gemeinschaft zwischen T und B besteht nicht. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I 1, 709 ZPO. FAZIT Der Aufbau sollte in einer Klausur überdacht werden. Der Begin mit der Abgrenzung zwischen § 426 BGB und § 86 VVG überzeugt. Wird sodann aber § 86 VVG i. V. m. Deliktsrecht angeprüft, stehen hier als Probleme im Raum die Fragen, ob • der übergegangene Anspruch gem. § 548 BGB verjährt ist, • § 86 I VVG tatbestandlich erfüllt ist, • die Ausnahme des § 86 III VVG einschlägig ist und ob • ein schuldrechtlicher Regressverzicht in den AGB tatbestandlich erfüllt ist. Da K aus abgetretenem Recht vorgeht, sollte meiner Meinung nach vorab die Wirksamkeit der Abtretung geprüft werden, folglich § 86 I VVG, sodann nach Bejahung den möglichen Ausschluss über § 86 III VVG. Dies fällt unter den klassischen Prüfungspunkt „Anspruch entstanden“. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, ist die Abtretung kraft Gesetzes nicht eingetreten. Nachfolgend sollte der schuldrechtliche Regressverzicht, weil dieser von der Wertungsfrage der groben Fahrlässigkeit abhängt, geprüft werden, denn dieser betrifft nicht mehr die Wirksamkeit der Abtretung, sondern die Geltendmachung des abgetretenen Anspruchs. Als Letztes – weil zum Prüfungspunkt „Anspruch durchsetzbar?“ zugehörig – sollte die Frage nach der Verjährung gem. § 548 BGB beantwortet werden. Besteht der Anspruch im Ergebnis, kommt es auf die Reihenfolge der Abarbeitung der Punkte nicht zwingend an. Überzeugend ist aber in einer Klausur eine Struktur, welche eine wissenschaftliche Struktur erkennen lässt und damit wahrscheinlich auch den Lösungshinweisen des Prüfungsamtes entspricht. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 11/2022 NEBENGEBIETE Nebengebiete 585 Arbeitsrecht Problem: Auch „kleine Fehler“ können sich summieren Einordnung: Verhaltensbedingte Kündigung Sächsisches LAG, Urteil vom 17.04.2022 9 Sa 250/21 EINLEITUNG Die vorliegende Entscheidung bietet eine geradezu mustergültige Wiederholung wichtiger Grundsätze der verhaltensbedingten Kündigung und des Abmahnungserfordernisses. Sie wurde deshalb ausgesucht; die Bezüge zum konkreten Fall wurden massiv gekürzt. SACHVERHALT Die zum Kündigungszeitpunkt 51 Jahre alte, drei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Klägerin ist seit März 2016 bei der Beklagten als Kreditsachbearbeiterin Baufinanzierung Schwerpunkt Bewertung mit einem durchschnittlichen Bruttogehalt i.H.v. 3.573 € monatlich beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Vollzeitmitarbeiter. Weiterhin besteht eine Arbeitsanweisung „Procedure zur Informationssicherheit am Arbeitsplatz und Clean Desk Policy“. Weil die Klägerin mehrfach gegen die Richtlinien verstoßen hatte, erhielt sie mehrere Abmahnungen. Im November 2020 fand bei der Beklagten ein Umzug statt. Die Klägerin war zu diesem Zeitpunkt erkrankt. Auf Anfrage stimmte die Klägerin zu, dass ihr Gruppenleiter im Beisein eines Betriebsratsmitglieds sich um ihren Schreibtisch kümmerte. Dabei wurde festgestellt, dass in dem unverschlossenen Schreibtisch der Klägerin mehrere Markt- und Beleihungswertermittlungen und Prüfbögen der Qualitätssicherung mit den jeweiligen Kundendaten abgelegt waren. Jura Intensiv Am 11.12.2020 sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin die streitgegenständliche ordentliche Kündigung zum 28.2.2021 aus. Ist die Klage gegen die Kündigung begründet? LEITSATZ DER REDAKTION: Selbst „kleine Fehler“ können zu einer wirksamen Kündigung führen. Insbesondere, wenn diese kleinen Fehler zuvor abgemahnt wurden. Eine Abmahnung muss jedoch – ebenso wie eine Kündigung – verhältnismäßig sein. Auszug aus der Arbeitsanweisung: „Es ist dafür Sorge zu tragen, dass schützenswerte oder geheime Informationen – egal ob in papierhafter Form oder auf dem Bildschirm – nicht durch Dritte eingesehen werden können. Wenn der Arbeitsplatz verlassen wird oder unbeaufsichtigt ist: Sind schützenswerte Akten, Datenträger oder Hardware mit Informationen ordnungsgemäß wegzuschließen oder ordnungsgemäß zu entsorgen. (…)“ LÖSUNG III. Die Klage ist hinsichtlich des Kündigungsschutzantrages aber unbegründet, denn die Kündigung der Beklagten vom 11.12.2020 ist als verhaltensbedingte Kündigung wirksam und hat das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 28.02.2021 beendet. 1. Das ergibt sich nicht bereits aus §§ 4, 7 KSchG, denn die Klägerin ist mit der Geltendmachung der Unwirksamkeit nicht präkludiert. Sie hat nach Erhalt der schriftlichen Kündigung am 16.12.2020 mit Eingang der Klage beim Arbeitsgericht am 30.12.2020 und Zustellung am 14.01.2020 binnen der Frist von 3 Wochen rechtzeitig Klage erhoben, § 253 I ZPO, §§ 187 I, 188 II BGB hier i.V.m. § 167 ZPO. Die Verzögerung der Zustellung stammt aus der Sphäre des Gerichts, sie erfolgte damit demnächst im Sinne des § 167 ZPO. § 167 ZPO ist ein absoluter „Klassiker“ in Klausuren: Die Zustellung erfolgt im Sinne dieser Norm „demnächst“, wenn der Kläger in seiner anhängig gemachten Klage alles in seiner Sphäre liegende getan hat, damit die Klage zugestellt werden kann. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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