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RA Digital - 11/2022

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590 Öffentliches Recht

590 Öffentliches Recht RA 11/2022 1. Drittschützende Wirkung §§ 2-14 BauNVO sind generell drittschützend Arg.: Bau- und bodenrechtliche Schicksalsgemeinschaft Folge: Gebietserhaltungsanspruch Faktisches Baugebiet: Identischer Drittschutz wie im Bereich eines B-Plans wegen des Verweises in § 34 II BauGB. Nach h.M. sind nur dinglich Berechtigte geschützt und damit klagebefugt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 42, Rn 97 m.w.N.). Verstoß gegen drittschützende Norm? Umschreibung des Begriffs „Anlagen für Verwaltungen“ Systematische Auslegung Wortlautauslegung Fazit: § 4 III Nr. 3 BauNVO (+) Zum Prüfungsaufbau: Dies könnte auch außerhalb des § 4 III Nr. 3 BauNVO als eigener Gliederungspunkt geprüft werden. Inhalt des Erfordernisses der Gebietsverträglichkeit „Die Festsetzung von Baugebieten durch einen Bebauungsplan hat nachbarschützende Funktion zugunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet. Dieser bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses. Weil und soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Ausnutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen. Durch Festsetzungen eines Bebauungsplans über die Art der baulichen Nutzung werden die Planbetroffenen im Hinblick auf die Nutzung ihrer Grundstücke zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbunden. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des eigenen Grundstücks wird dadurch ausgeglichen, dass auch die anderen Grundeigentümer diesen Beschränkungen unterworfen sind. Im Rahmen dieses nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll daher jeder Planbetroffene im Baugebiet das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindern können. In einem faktischen Baugebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB besteht ein identischer Nachbarschutz.“ Da der Kläger zudem dinglich Berechtigter eines Grundstücks im Bereich des faktischen allgemeinen Wohngebiets ist, vermittelt ihm § 34 II BauGB i.V.m. § 4 III Nr. 3 BauNVO Drittschutz. 2. Anlagen für Verwaltungen Fraglich ist, ob das genehmigte Feuerwehrgerätehaus in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet zulässig ist. In Betracht kommt nur eine ausnahmsweise Zulässigkeit gem. § 34 II BauGB i.V.m. § 4 III Nr. 3 BauNVO. „“Anlagen für Verwaltungen“ ist ein städtebaurechtlicher Sammelbegriff, der Anlagen und Einrichtungen umfasst, in denen oder von denen aus verwaltet wird, sofern das Verwalten einem erkennbaren selbständigen Zweck dient. § 7 Abs. 2 Nr. 1 und § 8 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO, die zwischen Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäuden unterscheiden, machen deutlich, dass Verwaltung i.S.d. § 4 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO nicht auf die Erledigung von Verwaltungsaufgaben in Bürogebäuden beschränkt ist. Die ausnahmsweise Zulässigkeit von Anlagen für Verwaltungen nach § 4 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO setzt ausweislich des Wortlauts nicht voraus, dass die jeweilige Anlage der Gebietsversorgung dient. Ein Feuerwehrgerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr ist daher eine Anlage für Verwaltungen in diesem Sinne, nämlich für die Verwaltung des landesrechtlich geregelten Brandschutzes.“ Jura Intensiv 3. Erfordernis der Gebietsverträglichkeit Gleichwohl könnte das Bauvorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig sein, indem es gegen das ungeschriebene Erfordernis der Gebietsverträglichkeit verstößt. „Die Prüfung der Gebietsverträglichkeit rechtfertigt sich aus dem typisierenden Ansatz der Baugebietsvorschriften der Baunutzungsverordnung. Der Verordnungsgeber will durch die Zuordnung von Nutzungen zu den Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 11/2022 Öffentliches Recht 591 näher bezeichneten Baugebieten die vielfältigen und oft gegenläufigen Ansprüche an die Bodennutzung zu einem schonenden Ausgleich im Sinne überlegter Städtebaupolitik bringen. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn die vom Verordnungsgeber dem jeweiligen Baugebiet zugewiesene allgemeine Zweckbestimmung den Charakter des Gebiets eingrenzend bestimmt. Das Erfordernis der Gebietsverträglichkeit bestimmt dabei nicht nur die regelhafte Zulässigkeit, sondern erst recht den vom Verordnungsgeber vorgesehenen Ausnahmebereich. Zwischen der jeweiligen spezifischen Zweckbestimmung des Baugebietstypus und dem jeweils zugeordneten Ausnahmekatalog besteht ein gewollter funktionaler Zusammenhang. Die normierte allgemeine Zweckbestimmung ist daher auch für Auslegung und Anwendung der tatbestandlich normierten Ausnahmen bestimmend. Das allgemeine Wohngebiet dient gemäß § 4 Abs. 1 BauNVO vorwiegend dem Wohnen. Es soll nach Möglichkeit ein grundsätzlich ungestörtes Wohnen gewährleisten. Die Gebietsunverträglichkeit beurteilt sich für § 4 BauNVO daher in erster Linie nach dem Kriterium der gebietsunüblichen Störung. Ein Vorhaben ist gebietsunverträglich, wenn es aufgrund seiner „typischen Nutzungsweise“ störend wirkt. Ausgangspunkt und Gegenstand dieser typisierenden Betrachtungsweise ist das jeweils zur Genehmigung gestellte Vorhaben. Entscheidend ist nicht, ob die mit der Nutzung verbundenen immissionsschutzrechtlichen Lärmwerte eingehalten werden. Die geschützte Wohnruhe ist nicht gleichbedeutend mit einer immissionsschutzrechtlichen Lärmsituation. Bei dem Kriterium der Gebietsverträglichkeit geht es um die Vermeidung als atypisch angesehener Nutzungen, die den Wohngebietscharakter als solchen stören. Von dem Feuerwehrgerätehaus geht trotz der Unruhe, die von den gelegentlichen Einsätzen vor allem zur Nachtzeit ausgelöst wird, keine gebietsunübliche Störung aus. Es dient der Beigeladenen [….] zur Erfüllung der ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgabe des Brandschutzes […]. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 BHKG NRW unterhalten die Gemeinden für den Brandschutz und die Hilfeleistung den örtlichen Verhältnissen entsprechend leistungsfähige Feuerwehren als gemeindliche Einrichtungen. Diese Aufgabenzuweisung setzt die Errichtung von Feuerwehrhäusern im Gemeindegebiet gerade in der Nähe der zu schützenden Wohnbebauung voraus. Einer besonders engen Anbindung an das Wohnumfeld bedarf es wegen des Zusammenhangs zwischen Anfahrt- und Ausrückzeiten, wenn die Feuerwehr mit Freiwilligen besetzt wird […]. Zugleich dient das Feuerwehrgerätehaus einem städtebaulichen Belang, nämlich der Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung nach § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB. Die - ausnahmsweise - Zulässigkeit von Feuerwehrgerätehäusern in einem allgemeinen Wohngebiet ist damit das Ergebnis einer überlegten Städtebaupolitik. […] Ein Feuerwehrgerätehaus, das nach Größe und Ausstattung maßgeblich auch dem effektiven Brandschutz in der näheren Umgebung dient, ist im allgemeinen Wohngebiet daher gebietsverträglich.“ Jura Intensiv Herleitung: Abs. 1 der §§ 2-9 BauNVO Zusammenhang zwischen Erfordernis der Gebietsverträglichkeit und Ausnahmebebauung Anwendung des Erfordernisses des Gebietsverträglichkeit auf § 4 BauNVO Maßgebliches Kriterium: Gebietsunübliche Störung, nicht hingegen immissionsschutzrechtliche Lärmwerte. Immissionsschutzrechtliche Lärmwerte sind relevant für die Frage, ob ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme vorliegt. Gehört ein Feuerwehrgerätehaus in ein allgemeines Wohngebiet? BHKG NRW = Gesetz über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz NRW Demnach verstößt das geplante Feuerwehrgerätehaus nicht gegen das ungeschriebene Erfordernis der Gebietsverträglichkeit. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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