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RA Digital - 11/2022

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596 Öffentliches Recht

596 Öffentliches Recht RA 11/2022 Subjektives Recht (-) Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.01.2020, 2 BvR 1333/17, juris Rn 86, 88 Anspruch besteht nur, wenn ein nicht gerechtfertigter GR-Eingriff vorliegt. Dieser Prüfungsaufbau des VGH München ist für eine Klausur nicht zu empfehlen, weil Art. 4 I, II GG ein Freiheitsrecht und Art. 3 III 1 GG ein Gleichheitsrecht ist. Die Grundrechte sollten also besser getrennt geprüft werden. Schutzbereich (+) Eingriff (-) Staatsregierung will nicht Christentum bevorzugen „Die Pflicht des Staates zur weltanschaulich-religiösen Neutralität ist allerdings ein objektiv-rechtliches Verfassungsprinzip, das als solches keine einklagbaren subjektiven Rechte der Kläger als Weltanschauungsgemeinschaften begründet. […] Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Grundsatz der weltanschaulich-religiösen Neutralität ein Verfassungsprinzip, das z.B. mit der Glaubensfreiheit in Widerstreit treten kann. […] Subjektiven Schutz gegen eine staatliche Maßnahme, die zugleich gegen die Neutralitätspflicht verstößt, können Weltanschauungsgemeinschaften wie die Kläger erst dann beanspruchen, wenn nicht bloß eine Berührung des Schutzbereichs, sondern ein nicht gerechtfertigter, benachteiligender Eingriff in die Grundrechte vorliegt, aus denen das Verfassungsprinzip hergeleitet wird, nämlich aus Art. 4 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG.“ Somit begründet der Verstoß gegen die staatliche Neutralitätspflicht keine subjektiven Rechte der Kläger und führt demnach auch nicht zu dem vom FBA geforderten Eingriff in ein subjektiv-öffentliches Recht. II. Art. 3 III 1, 4 I, II GG Es könnte aber ein Eingriff in die Grundrechte der Kläger aus Art. 3 III 1 GG und aus Art. 4 I, II GG vorliegen. „Art. 4 Abs. 1 GG schützt die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses; nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG darf niemand wegen seines Glaubens und seiner religiösen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Hieraus resultiert das Recht von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften auf kollektive Glaubens- und Bekenntnisfreiheit ebenso wie auf die negative Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit und ein relatives Benachteiligungsverbot der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften untereinander. Sowohl der persönliche wie auch der sachliche Schutzbereich sind den Klägern somit eröffnet. Art. 4 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG garantieren ihnen eine am Gleichheitssatz orientierte Behandlung im Verhältnis zu anderen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und schützen vor ungerechtfertigten Grundrechtseingriffen. […] Jura Intensiv Durch die Anbringung von Kreuzen in Dienstgebäuden wird nicht […] in die Grundrechte der Kläger aus Art. 4 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG eingegriffen. Der Beklagte hat damit zum einen nicht […] in die Überzeugungen, die Handlungen und in die Darstellung Einzelner oder religiöser und weltanschaulicher Gemeinschaften interveniert. Die strittige Maßnahme hebt zwar objektiv ein Symbol des christlichen Glaubens hervor. Damit ist aber keine Einmischung in das subjektive Recht der Kläger zu religiöser oder weltanschaulicher Betätigung, zur Verbreitung ihrer Weltanschauung sowie zu deren Pflege und Förderung verbunden. Das Anbringen von Kreuzen erfolgt auch nicht im Benehmen und im erkennbaren Interesse christlicher Kirchen. Wie dargelegt, kann das Kreuz als christliches Symbol seiner religiösen Bedeutung nicht entkleidet werden. Gleichwohl gibt es daneben weitere, z.B. historische oder kulturelle Deutungsmöglichkeiten. Jedenfalls ist weder nach dem Wortlaut von § 28 AGO noch nach dem prozessualen Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 11/2022 Öffentliches Recht 597 Vorbringen des Beklagten von diesem eine Identifikation mit christlichen Glaubensinhalten und christlichen Glaubensgemeinschaften oder eine Bezugnahme auf den christlichen Glauben bei der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben und Befugnisse beabsichtigt. Unterstrichen wird dieser Befund durch die Situierung der Kreuze im Eingangsbereich von Dienstgebäuden, wo keine inhaltliche Wahrnehmung behördlicher Aufgaben stattfindet und daher keine hinreichende Verknüpfung zwischen staatlicher Aufgabenerfüllung und Verwendung des christlichen Symbols gegeben ist. Anders könnte es […] beim Anbringen von Kreuzen z.B. in Mitarbeiterbüros liegen, dem die Konnotation beigelegt werden könnte, dass amtliche Entscheidungen gewissermaßen „unter dem Kreuz“ und sinnbildlich unter Berücksichtigung christlicher Werte getroffen würden. So liegt es hier aber nicht. […] Standort der Kreuze Dass den in Eingangsbereichen staatlicher Dienststellen angebrachten Kreuzen keine den christlichen Glauben fördernde und damit die Weltanschauungsfreiheit der Kläger potentiell beeinträchtigende Wirkung zukommt, liegt zum einen daran, dass das Kreuz an der Wand ein im wesentlichen passives Symbol ohne missionierende oder indoktrinierende Wirkung ist. Einen möglichen Einfluss auf Besucher der Dienststellen haben die Kläger nicht nachvollziehbar aufgezeigt. Davon ist zum anderen nach allgemeiner Lebenserfahrung auch nicht auszugehen. Der Eingangsbereich eines Dienstgebäudes stellt im Wesentlichen einen Durchgangsbereich dar, der nicht dem längeren Verweilen dient. Der Bürger durchquert ihn in der Regel lediglich auf dem Weg zum Mitarbeiter, der für sein Anliegen zuständig ist. […] Zwar geht die Konfrontation mit dem Kreuz als christlichem Symbol hier vom Staat aus. Jedoch sind […] Behördenbesucher wie Passanten im öffentlichen Raum nur flüchtig damit konfrontiert und können Abstand halten; dies unterscheidet den vorliegenden Sachverhalt von Kreuzen in Unterrichtsräumen. Auch befindet sich der Einzelne nicht in einer vom Staat geschaffenen Lage, in der er ohne Ausweichmöglichkeiten einem Glaubenssymbol in grundrechtswidriger Weise ausgesetzt ist. Es ist zwar davon auszugehen, dass jeder Bürger im Laufe seines Lebens in Einzelfällen Behörden besuchen muss, etwa, um Personaldokumente zu erlangen. In Ansehung der Flüchtigkeit der Wahrnehmung im Eingangsbereich reicht dies jedoch zur Begründung eines Grundrechtseingriffs nicht aus. […]“ Jura Intensiv Keine missionierende Wirkung Flüchtige Konfrontation So auch Friedrich, NVwZ 2018, 1007, 1008 f. Somit liegt ein Eingriff in ein subjektiv-öffentliches Recht der Kläger nicht vor, sodass die Voraussetzungen des FBA nicht erfüllt sind und sie folglich keinen Anspruch auf Entfernung der Kreuze haben. FAZIT Religiöse Symbole in staatlichen Einrichtungen oder an staatlichen Mitarbeitern sind Prüfungsklassiker, man denke nur an den „Kopftuchstreit“ im Zusammenhang mit Lehrerinnen, Erzieherinnen und Rechtsreferendarinnen. Die aktuelle Entscheidung des VGH München zeigt nochmals deutlich, dass immer auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen ist, wenn es um das Vorliegen eines Grundrechtseingriffs und dessen Rechtfertigung geht. Zugleich ruft das Urteil in Erinnerung, dass nicht jeder objektive Rechtsverstoß automatisch einen subjektiven Anspruch begründet. Vgl. BVerfG, RA 2020, 203 © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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