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RA Digital - 12/2016

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626 Zivilrecht

626 Zivilrecht RA 12/2016 Kein Einwirken des B auf K oder den Rechtsvorgänger ersichtlich Möglichkeit der Erhebung der Verjährungseinrede ist in § 214 BGB gesetzlich vorgesehen und kann daher als solche nicht unzulässig sein. Das Gebot der Rechtssicherheit begrenzt die Einzelfallgerechtigkeit. Die Verjährungsvorschriften verlangen gerade keinen guten Glauben. Keine teleologische Reduktion der Verjährungsvorschriften bei NSbedingtem Abhandenkommen von Kunstgegenständen Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion [53] Dass die Beklagte oder einer ihrer Rechtsvorgänger den Kläger durch aktives Verhalten von der Verwirklichung seines Herausgabeanspruches abgehalten oder ihn nach objektiven Maßstäben zu der Annahme veranlasst hat, er werde auch ohne Rechtsstreit eine vollständige Befriedigung seines Anspruchs zu erzielen, ist weder ersichtlich noch dargetan. [54] Die Kammer folgt der Rechtsprechung des BGH und sieht keinen Anlass hiervon abzuweichen. Die Möglichkeit, die Einrede der Verjährung zu erheben, ist in § 214 BGB gesetzlich vorgesehen. Damit kann die Berufung auf sie als solche noch nicht unzulässig sein. [55] Zwar wird die Erhebung der Verjährungseinrede bisweilen als anstößig empfunden, sofern dem Schuldner, der sich auf Verjährung beruft, das Bestehen des Anspruchs zweifelsfrei bewusst ist. Für die Rechtswirksamkeit der Verjährungseinrede selbst spielen derartige Gesichtspunkte jedoch schon mit Rücksicht auf das Gebot der Rechtssicherheit keine Rolle. Daher wird guter Glaube des Schuldners für die Verjährung gerade nicht vorausgesetzt und die Einrede der Verjährung ist nicht schon deshalb rechtsmissbräuchlich, weil der Schuldner weiß, dass der Anspruch zu Recht besteht. Zudem stellt die Entwendung einer Sache immer Unrecht dar, so dass eine Differenzierung nach der jeweiligen „Schwere des Unrechts“ und ein Abhängigmachen bzw. Anknüpfen der Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit der Erhebung der Einrede der Verjährung an die „Schwere des Unrechts“ weder wirklich möglich noch praktikabel ist. [57] Schließlich ist eine teleologische Reduktion der Verjährungsvorschriften dahin gehend, dass Sinn und Zweck der Verjährungsvorschriften im Falle des Abhandenkommens von Kunstgegenständen aufgrund nationalsozialistischen Unrechts, die Nicht-Anwendung der Verjährungsvorschriften bzw. für den Beginn des Laufs der Verjährung Kenntnis des Herausgabeanspruchs gebiete, nicht vorzunehmen. Jura Intensiv [58] Erwägen ließe sich eine solche teleologische Reduktion damit, dass der ratio der Verjährungsvorschriften, letztlich Rechtsfrieden zu schaffen in Fällen von in der NS-Zeit verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern nicht Rechnung getragen wird, wenn durch das Institut der Verjährung dann letztlich das durch den NS Staat geschaffene Unrecht auf Dauer perpetuiert würde, was nur schwer erträglich scheint. [59] Die Kammer sieht jedoch für eine solche teleologische Reduktion im Ergebnis keinen Raum. Eine Rechtsfortbildung im Wege der teleologischen Reduktion kommt nur in Betracht, wenn ein Fall zwar grundsätzlich von einer Norm erfasst ist, dies aber nach Sinn und Zweck der Vorschrift nicht erforderlich wäre, wenn also ein Fall vorliegt, den der Gesetzgeber nicht bedacht hat und den er deshalb nicht vom Anwendungsbereich der Norm ausgenommen hat, mithin eine planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes vorliegt. [60] Insbesondere Letzteres kann in Bezug auf die Verjährungsvorschriften nicht angenommen werden. Inhaltsverzeichnis

RA 12/2016 Zivilrecht 627 [61] Zum einen ist ratio der Verjährungsvorschriften gerade auch, den Schuldner vor einer möglichweise unberechtigten Inanspruchnahme in wegen Zeitablaufs schwieriger Beweisposition zu schützen. Zum anderen wurde der Wille des Gesetzgebers, dass insbesondere auch Herausgabeansprüche aus Eigentum der Verjährung unterliegen sollen, im Rahmen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes aus dem Jahr 2002 ausdrücklich bestätigt. Entsprechend ist die dreißigjährige Verjährung für Herausgabeansprüche seit dem Jahr 2002 in § 197 I Nr. 2 BGB n.F. geregelt. Dabei war sich der Gesetzgeber der sich daraus ergebenden Konsequenzen für das Eigentum bewusst und hat sich für eine Verjährung von Herausgabeansprüchen aus Eigentum entschieden. [62] Im Rahmen der Schuldrechtsreform hat sich der Gesetzgeber ausdrücklich mit der Frage befasst, ob die Verjährung des Herausgabeanspruchs auch auf solche aus Eigentum an wertvollen Kunstgegenständen erstreckt werden solle und hat sich im Interesse des Rechtsverkehrs und des Rechtsfriedens dafür entschieden, dass auch solche Ansprüche der absoluten dreißigjährigen Verjährungsfrist unterliegen sollen und damit die hier entscheidende Rechtslage vor der Schuldrechtsreform als dem Willen des Gesetzgebers entsprechend bestätigt. Darüber hinaus hat der Bundesrat bereits in einer Entschließung vom 09.11.2001 die Frage aufgeworfen, ob die Verjährung von Herausgabeansprüchen in Bezug auf NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes einer Sonderregelung bedarf; der Gesetzgeber ist gleichwohl weder hierauf noch auf den Gesetzesantrag des Freistaates Bayern zu dieser Thematik tätig geworden. [63] Da der Gesetzgeber somit die Verjährung von Herausgabeansprüchen aus Eigentum an Kunstgegenständen bedacht hat, können derartige Fälle auch nicht entgegen dem Wortlaut vom Anwendungsbereich der Norm ausgenommen werden.“ Mithin steht der Erhebung der Einrede der Verjährung durch B der Grundsatz von Treu und Glauben bzw. der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gem. § 242 BGB nicht entgegen. Jura Intensiv V. Ergebnis K steht gegen B kein Anspruch auf Herausgabe des Gemäldes von Max Pechstein gem. § 985 BGB zu. Verjährung schützt den Schuldner vor Beweisnot Keine planwidrige Regelungslücke, da der Gesetzgeber im Rahmen der Schuldrechtsreform die Verjährung von Herausgabeansprüchen aus Eigentum abschließend in § 197 I Nr. 2 BGB n.F. geregelt und einer 30-jährigen Verjährungsfrist unterstellt hat Im Rahmen der Schuldrechtsreform hat der Gesetzgeber eine Sonderregelung für wertvolle Gegenstände und NS-verfolgsbedingt entzogenes Kulturgut zugunsten der Rechtssicherheit ausdrücklich abgelehnt. FAZIT Die derzeitige Rechtslage ist unbefriedigend, denn sie manifestiert durch den NS-Staat geschaffenes Unrecht. Die Bundesregierung hat daher einen „Entwurf eines Gesetzes zur erleichterten Durchsetzung der Rückgabe von abhandengekommen Kulturgut“ erarbeitet. Seine Umsetzung und Regelungen bleiben abzuwarten. Inhaltsverzeichnis

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