Aufrufe
vor 7 Jahren

RA Digital - 12/2016

  • Text
  • Jura
  • Intensiv
  • Inhaltsverzeichnis
  • Beklagten
  • Recht
  • Entscheidung
  • Beklagte
  • Urteil
  • Stgb
  • Beschluss
Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

634 Referendarteil:

634 Referendarteil: Zivilrecht RA 12/2016 Besonderheiten bei dieser Antragsfassung: • bei einem Rechtsmittelantrag muss klar sein, inwieweit die Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung begehrt wird • bei einem Unterlassensantrag muss die Handlung, wie zu unterlassen ist, so präzise wie möglich bezeichnet werden Bei Verweisen auf eine Anlage muss, wenn der Verweis in den Tenor aufgenommen wird, dem Urteil selbst die Anlage beigefügt werden; es genügt nicht, wenn sich diese bloß in der Akte befindet. Diese Formulierung kennzeichnet eine Rechtsansicht. Diese sollten im Tatbestand nur sehr spärlich zitiert werden, wenn im Übrigen keine Tatsachen streitig sind. Die sofortige Beschwerde ist hier statthaft, weil das Landgericht ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, wozu es gem. §§ 936, 922 ZPO berechtigt war. Hätte es mit mündlicher Verhandlung entschieden, wäre die Berufung statthaft. Prüfungsmaßstab im Rechtsmittel: War die erstinstanzliche Entscheidung zutreffend? Maßgeblicher Gesichtspunkt: Es handelt sich nicht um eine eigene Äußerung, sondern um ein Zitat. Hier liegt nur dann eine eigene Äußerung vor, wenn sich der Zitierende das Zitat erkennbar zu eigen gemacht hat, s. dazu BGH, Urteil vom 30.01.1996, VI ZR 386/94. BGH, Urteil vom 17.11.2009, VI ZR 226/08 Beurteilung aus der Sicht des verständigen Durchschnittslesers, z.B. anhand der äußeren Form Der Kläger beantragt, den Beschluss des Landgerichts Frankfurt/Main vom 10.08.2016 - Az.- 2/3 O 252/16 - aufzuheben, soweit der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen wurde und es der Beklagten bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds bis zu € 250.000,--, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, zu verbieten, in Bezug auf den Kläger ausdrücklich oder sinngemäß zu behaupten/behaupten zu lassen oder zu verbreiten/verbreiten zu lassen, „es handelt sich um eine Organisation, die Spenden für die Hamas sammelt, dies tut sie mit weltweiten Chapters, darunter in Europa und Deutschland“, wenn dies geschieht, wie unter der URL (...) (Anlage Ast 1). Die Beklagte beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen. Sie ist der Ansicht, dass es sich mit der - zweifelsfrei als solche erkennbaren - Äußerung des Sprechers der israelischen Botschaft um die Mitteilung einer privilegierten Quelle handele, der sie habe vertrauen dürfen. Selbst wenn die wiedergegebene Beurteilung unwahr wäre, falle ihr keine Sorgfaltspflichtverletzung zur Last, da sie sich für ihre Veröffentlichung auf eine privilegierte Quelle berufen könne. II. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist gemäß § 576 I Nr. 1 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 569 ZPO). Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht dem mit der sofortigen Beschwerde weiterverfolgten Unterlassungsbegehren des Klägers aus §§ 1004 I 2, 823 I, II 1 BGB i.V.m. Art. 1 I, 2 I GG, § 186 StGB nicht entsprochen. Denn bei der in Rede stehenden Äußerung handelt es sich nicht um eine Aussage der Beklagten selbst, sondern um ein Zitat eines Sprechers der israelischen Botschaft in Deutschland. Jura Intensiv „II.1.a. Zwar kann, wie im Bereich des Ehrenschutzes anerkannt ist, durchaus auch in der Wiedergabe der Aussage eines Dritten dann eine eigene Äußerung des Zitierenden liegen, wenn er sich den Inhalt der fremden Äußerung erkennbar zu eigen gemacht hat.“ „II.1.a.aa. Das ist der Fall, wenn die fremde Äußerung so in die Gedankenführung eingefügt ist, dass die gesamte Äußerung als eigene erscheint, bzw. um als mehr oder minder bestätigende Aussage die Richtigkeit der eigenen Darstellung zu belegen.“ Hiernach entfällt eine Zurechnung, da sich die Beklagte die angegriffene Äußerung aus Sicht des verständigen Durchschnittslesers nicht zu eigen gemacht hat. Schon aus der äußeren Form der Veröffentlichung wird erkennbar, dass lediglich eine fremde Äußerung ohne eigene Wertung mitgeteilt wird. So hat die Beklagte die Eigendarstellung des Klägers einerseits und die Einschätzung der Botschaft Israels in Deutschland rein dokumentationsartig gegenüber gestellt und sich jeder eigenen Deutung enthalten. Sie hat sich die ehrenrührige Äußerung eines Dritten - des Sprechers der Inhaltsverzeichnis

RA 12/2016 Referendarteil: Zivilrecht 635 israelischen Botschaft - auch nicht schon mit deren Verbreitung dadurch zu Eigen gemacht, dass sie sich nicht ausdrücklich davon distanziert hat. Insoweit reicht aus Sicht des Lesers als hinreichende Distanzierung aus, dass die Beklagte die angegriffene Äußerung eindeutig als Zitat kenntlich gemacht hat. Ein Unterlassungsgebot lässt sich auch nicht nach den Grundsätzen der Verbreiterhaftung rechtfertigen. „II.2. a. Zu dem von Art. 5 I 1 GG geschützten Kommunikationsprozess kann die Mitteilung einer fremden Meinung oder Tatsachenbehauptung auch dann zählen, wenn der Mitteilende sich diese weder zu eigen macht noch sie in eine eigene Stellungnahme einbindet, sondern die fremde Äußerung lediglich verbreitet. Es ist Teil des meinungsbildenden Diskussionsprozesses, dessen Schutz Art. 5 I 1 GG im Sinn hat, sich und andere auch über Stellungnahmen Dritter zu informieren, die aus Sicht des Verbreiters erwähnenswert sind. Die Meinungsfreiheit genießt freilich keinen vorbehaltslosen Schutz. Sie findet ihre Schranken gemäß Art. 5 II GG u.a. in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze und dem Recht der persönlichen Ehre. Hierzu zählen im vorliegenden Fall auch die zur Anwendung kommenden Vorschriften des § 1004 I BGB analog i.V.m. § 823 I, II BGB, § 186 StGB. Dies verlangt eine Abwägung zwischen der Schwere der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch die Untersagung auf Seiten der Beklagten andererseits. II.2.a. Geht es - wie hier - um eine Tatsachenbehauptung, hängt die Abwägung maßgeblich von ihrem Wahrheitsgehalt ab. Die Einstandspflicht desjenigen, der die Äußerung eines Dritten verbreitet, ohne sie sich zu eigen zu machen, richtet sich insbesondere danach, ob er Sorgfaltsanforderungen beachtet hat, welche sich nach den jeweils gegebenen Aufklärungsmöglichkeiten beurteilen wie auch nach der Stellung des Äußernden im Prozess der öffentlichen Meinungsbildung. Dabei ist die Presse in weiterem Umfang als Private gehalten, die Behauptung vor ihrer Weitergabe auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen.“ Insoweit hat die Beklagte ihrer Pflicht zur sorgfältigen Recherche, die ihr bei der Verbreitung einer fremden Äußerung abzuverlangen ist, Genüge getan. Diesbezüglich kann sich die Beklagte für ihre Veröffentlichung auf eine privilegierte Quelle berufen und durfte sich auf die Richtigkeit der Äußerung verlassen, ohne diese nachrecherchieren zu müssen. Es ermangelte der zitierten Aussage auch nicht an der Aktualität, da diese, wie von der Beklagten an Eides statt versichert wurde, aus einer zwei Tage vor dem angegriffenen Artikel an Y gesandten Email der israelischen Botschaft stammte. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO. Jura Intensiv Keine ausdrückliche Distanzierung erforderlich, BGH, Urteil vom 06.04.1976, VI ZR 246/74 und BGH, Urteil vom 17.11.2009, VI ZR 226/08 BVerfG, Beschluss vom 25.6.2009, 1 BvR 134/03, Rn 66 Auch die Weitergabe einer Meinung kann von Art. 5 I GG geschützt sein. BVerfG, Beschluss vom 25.6.2009, 1 BvR 134/03, Rn 66 Die Schranken der Meinungsfreiheit wirken hier zivilrechtlich. Maßgeblich bei der Abwägung ist bei Tatsachenbehauptungen deren Wahrheitsgehalt. Den Verbreiter trifft eine Aufklärungspflicht hinsichtlich des Wahrheitsgehalts. Deren Intensität hängt von der öffentlichen Position des Äußernden ab, s. dazu auch BGH Urteil vom 17.11.2009, VI ZR 226/08 und BVerfG, Beschluss vom 25.6.2009, 1 BvR 134/03, Rn 66. Hier gab es eine privilegierte Quelle, auf die man vertrauen durfte. Bei Beschlüssen bedarf es keiner Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit. FAZIT Als Verbreiter einer Information aus einer privilegierten Quelle traf die Beklagte hier keine erhöhte Sorgfaltspflicht. Inhaltsverzeichnis

RA - Digital

Rspr. des Monats