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RA Digital - 12/2016

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Editorial

Editorial RA 12/2016 Nur knapp 70 Jahre liegen die Verbrechen des NS-Regimes zurück. Die strafrechtliche Aufarbeitung der Verbrechen begann mit den Nürnberger Prozessen. Noch heute werden über 90-jährige als Täter angeklagt. Aus biologischen Gründen ist das Ende der strafrechtlichen Verfolgung in Sicht. Anders als andere Länder hat die Bundesrepublik Deutschland sich zu ihrer historischen Verantwortung bekannt und Wiedergutmachung geleistet, so dass die Überlebenden der Opfer zumindest materielle Hilfe und ein Schuldbekenntnis empfangen konnten. Dennoch sind einige zivilrechtliche Rechnungen nicht beglichen. Ein Problem bleibt die so genannte „Beutekunst“. Bekanntlich liebte der Massenmörder Herrmann Göring seine aus von Ermordeten geraubten Werken bestehende Kunstsammlung über alles. Aber nicht nur er war ein Dieb. Gestohlen haben auch gewöhnliche SS-Leute, nachdem die jüdischen Eigentümer ins KZ deportiert worden waren. Die Opfer mussten ihre Habseligkeiten unbeaufsichtigt in ihren Wohnungen zurücklassen, wo die Wertgegenstände dem freien Zugriff der Täter ausgesetzt waren. Nicht wenige ergriffen die Gelegenheit, Kunstschätze im Wert eines Vermögens zu stehlen. Kein Wunder, dass auch heute noch geraubte Kunstwerke auftauchen. Der Staat selbst hat sich dort, wo er direkten Einfluss h at, d em P roblem g estellt. D ie ö ffentlichen Sammlungen haben die Werke den Erben der ermordeten Eigentümer zurückgegeben. In Museen hängt keine Beutekunst mehr. Doch mit der Reform des Verjährungsrechts im BGB vom 01.01.2002 entstand ein neues Problem, das nicht zufällig jetzt aktuell wird und über das wir auf Seite 623 in dieser Ausgabe der RA berichten. Ein SS-Mann hatte aus einer von nach Auschwitz deportierten Juden verlassenen Wohnung ein Gemälde von Max Pechstein entwendet, es versteckt, und schließlich 1967 dem Beklagten übergeben. Dieser verbarg es wegen der damaligen Rechtslage. Nach Ablauf der nun gültigen Verjährungsfrist zeigte er es öffentlich. Dies gelangte zur Kenntnis des Klägers. Obwohl der Kläger beweisen konnte, Erbe des bestohlenen, in Auschwitz ermordeten Opfers zu sein, scheiterte er vor dem Landgericht Frankfurt mit seiner Herausgabeklage am neuen Verjährungsrecht. Der Zivilkammer ist kein Vorwurf zu machen. Das Urteil setzt sich in überzeugender Weise mit der Verjährungsproblematik auseinander. Wegen der besonders gut gelungenen Ausführungen zur teleologischen Reduktion und zum Einwand des Rechtsmissbrauchs ist diese Entscheidung ein klarer Examenstipp. Dennoch verärgert das Ergebnis. Zur Herstellung der Einzelfallgerechtigkeit muss der Gesetzgeber das Verjährungsrecht mit einer Ausnahme versehen. Rechtsanwalt Oliver Soltner Franchisenehmer von Jura Intensiv Frankfurt, Gießen, Heidelberg, Mainz, Mannheim, Marburg und Saarbrücken IMPRESSUM Jura Intensiv Herausgeberin: Chefredaktion: Redakteure: Chef vom Dienst: Bezugspreis: Werbung: Jura Intensiv Verlags UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG, Rathausplatz 22, 46562 Voerde, Tel.: 02855/96171-80; Fax: 02855/96171-82 Internet: http://www.verlag.jura-intensiv.de - E-Mail: verlag@jura-intensiv.de Rechtsanwalt Oliver Soltner (V.i.S.d.P.) Theresa Bauerdick & Richterin am Amtsgericht Dr. Katharina Henzler (Zivilrecht) Assessor Dr. Dirk Schweinberger (Nebengebiete) Rechtsanwalt Dr. Dirk Kues (Öffentliches Recht) Rechtsanwalt Uwe Schumacher (Strafrecht) Ines Hickl Printausgabe: 6,50 Euro/Heft. 12 Hefte pro Jahr. Ermäßigungen für Abonnenten. Digitalausgabe: 5,99 Euro/Heft. Die RA steht externer Werbung offen. Mediadaten sind unter verlag@jura-intensiv.de erhältlich. Inhaltsverzeichnis

RA 12/2016 ZIVILRECHT Zivilrecht 617 Problem: Haftungsprivilegierung gem. § 106 III SBG VII Einordnung: Deliktsrecht OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 15.09.2016 8 S 5/16 EINLEITUNG Verletzt ein Arbeitnehmer bei einer betrieblichen Tätigkeit unvorsätzlich einen Kollegen, kommt an seiner Stelle die gesetzliche Unfallversicherung für den materiellen Schaden auf. Die zivilrechtlichen, materiellen Schadensersatzansprüche werden durch die Ansprüche gegen die zuständige Berufsgenossenschaft als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ersetzt. Gem. § 105 I SGB VII ist die Haftung des Arbeitnehmers dann sowohl für die Ansprüche auf Ersatz des materiellen Schadens, als auch für den Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes ausgeschlossen. Immer wieder kommt es vor, dass sich nach Arbeitsunfällen Versicherte unterschiedlicher Unternehmen als Gläubiger und Schuldner gegenüberstehen. Ob und unter welchen Voraussetzungen der o.g. gesetzliche Haftungsausschluss einschlägig ist, thematisiert die vorliegende Entscheidung. SACHVERHALT Der Beklagte (B) arbeitet als Gabelstaplerfahrer der Firma F. auf dem Lübecker Hafengelände. Am 23.11.2011 meldet sich gegen 16.15 Uhr der Kläger (K), ein LKW-Fahrer der Firma S., beim Pförtner zur Ladung mehrerer Tonnen Papierrollen an. Nach entsprechender Einweisung, stellt K seinen LKW gegen 16.30 Uhr auf dem Hafengelände ab, um die Ladung in Empfang zu nehmen. K verständigt sich mit B, dass er zuvor noch die Türen des Aufliegers sowie die Ladefläche öffnen muss. Noch während K damit beschäftigt ist, fährt B entgegen der Absprache mit dem beladenen Gabelstapler rückwärts auf ihn zu. Bei Erreichen des LKW macht er einen „Schlenker“, um sodann vorwärts zu beladen, denn die Papierrollen müssen auf einem so genannten Jolada- Laufschienen-System abgelegt werden. Diese Schienen befinden sich auf dem Auflieger. Aus Unachtsamkeit des B wird der rechte Unterschenkel des K bei diesem Vorgang zwischen das linke Rad der hinteren Lenkachse und das Kontergewicht des Gabelstaplers eingeklemmt. K erleidet eine Zwei-Etagen- Unterschenkel-Trümmerfraktur rechts sowie ein Kompartment-Syndrom am rechten Unterschenkel. K verlangt von B Zahlung der entstandenen Heilbehandlungskosten. Zu Recht? Jura Intensiv LEITSÄTZE 1. Der Begriff der „gemeinsamen Betriebsstätte i.S.v. § 106 III Alt. 3 SGB VII meint betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinander greifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder stillschweigend durch bloßes Tun unterstützen. Parallele Tätigkeiten, die sich nur beziehungslos nebeneinander vollziehen, genügen nicht. Voraussetzung für die Haftungserleichterung ist eine sog. Gefahrengemeinschaft. 2. Bei dem Beladen eines LKW mit tonnenschweren Papierrollen mittels eines Gabelstaplers und den absprachegemäßen Tätigkeiten des beteiligten LKW-Fahrers (u.a. Öffnen der Türen des Aufliegers und Freimachen der Ladefläche) handelte es sich nicht mehr um bloße Vorbereitungshandlungen des Ladevorgangs, sondern um arbeitsteilige „Aktivitäten“, die bewusst und gewollt bei der Beladung i.S. einer „gemeinsamen Betriebsstätte“ ineinandergreifen. Inhaltsverzeichnis

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