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RA Digital - 12/2016

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618 Zivilrecht

618 Zivilrecht RA 12/2016 PRÜFUNGSSCHEMA A. K gegen B auf Zahlung der Heilbehandlungskosten gem. § 823 I BGB I. Rechtsgutsverletzung II. Adäquat kausale Handlung III. Rechtswidrigkeit IV. Verschulden V. Ersatzfähiger Schaden VI. Gesetzlicher Haftungsausschluss 1. Gemeinsame Betriebsstätte 2. Rechtsfolge B. Ergebnis Dieser Gabelstapler ist kein Kfz. Deshalb kommt es hier auf §§ 7, 18 StVG nicht an. Liegt der Fall so eindeutig wie hier, erübrigt sich die übliche Differenzierung zwischen Körperverletzung und Gesundheitsbeschädigung bei den medizinischen Fachbegriffen. Die Anspruchsvoraussetzungen liegen hier unproblematisch vor und sind daher in der entsprechenden Kürze anzusprechen. Vermeiden Sie unbedingt die Formulierung: „B muss gemäß § 276 BGB fahrlässig gehandelt haben.“ § 276 BGB setzt nämlich ein Schuldverhältnis bereits voraus. Sie prüfen aber erst, ob ein gesetzliches Schuldverhältnis gem. § 823 I BGB hier entsteht. Jedoch dürfen Sie die Definition der Fahrlässigkeit aus § 276 II BGB ableiten. LÖSUNG A. K gegen B auf Zahlung der Heilbehandlungskosten gem. § 823 I BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung der Heilbehandlungskosten gem. § 823 I BGB haben. I. Rechtsgutverletzung K erlitt eine Zwei-Etagen-Unterschenkel-Trümmerfraktur rechts sowie ein Kompartment-Syndrom am rechten Unterschenkel. Darin liegt eine Verletzung von Körper und Gesundheit. II. Adäquat kausale Handlung B ist mit dem Gabelstapler auf K zugefahren. Dabei wurde dessen rechter Unterschenkel zwischen das linke Rad der hinteren Lenkachse und das Kontergewicht des Gabelstaplers eingeklemmt. Insofern liegt ein unmittelbar schädigendes Verhalten des B vor. Dieses kann nicht hinweg gedacht werden, ohne dass die Verletzungen entfielen. Folglich war es für die Körperverletzung äquivalent kausal. Ferner liegen die eingetretenen Verletzungen bei der Benutzung von Gabelstaplern nicht außerhalb der Lebenserfahrung, sodass auch adäquate Kausalität vorliegt. Jura Intensiv III. Rechtswidrigkeit Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. Folglich liegt Rechtswidrigkeit vor. IV. Verschulden B muss schuldhaft gehandelt haben. Gem. § 823 I BGB muss der Anspruchsgegner vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben. Fahrlässigkeit wird in § 276 I, II BGBB definiert. Danach handelt fahrlässig, wer die Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Dies ist hier der Fall. B handelte damit auch schuldhaft. V. Ersatzfähiger Schaden B hat K damit alle durch die Rechtsgutsverletzung adäquat kausal und zurechenbar entstandenen Schäden zu erstatten. Durch die Verletzungen an Körper und Gesundheit sind K Heilbehandlungskosten entstanden. Diese sind gem. § 249 II BGB ersatzfähig. Inhaltsverzeichnis

RA 12/2016 Zivilrecht 619 VI. Gesetzlicher Haftungsausschluss Möglicherweise ist die Haftung des B vorliegend jedoch gem. § 106 III Alt. 3 SGB VII ausgeschlossen. Danach gelten die §§ 104 und 105 SGB VII für die Ersatzpflicht der für die beteiligten Unternehmen Tätigen untereinander, wenn Versicherte mehrerer Unternehmen vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichten. Als Beschäftigte der Firmen F. und S. sind K und B gem. § 2 I Nr. 2 SGB VII kraft Gesetzes versichert. 1. Gemeinsame Betriebsstätte Zu prüfen ist jedoch, ob beide am 23.11.2011 auf einer gemeinsamen Betriebsstätte Tätigkeiten verrichteten. „[31] Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH erfasst der Begriff der „gemeinsamen Betriebsstätte“ betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinander greifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es ausreicht, dass die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt. Erforderlich ist aber ein bewusstes Miteinander im Betriebsablauf, das sich zumindest tatsächlich als ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken mehrerer Unternehmen darstellt. § 106 III Alt. 3 SGB VII ist nicht schon dann anwendbar, wenn Versicherte zweier Unternehmen auf derselben Betriebsstätte aufeinandertreffen. Eine „gemeinsame Betriebsstätte“ ist nach allgemeinem Verständnis mehr als „dieselbe Betriebsstätte“; das bloße Zusammentreffen von Risikosphären mehrerer Unternehmen erfüllt den Tatbestand der Norm nicht. Parallele Tätigkeiten, die sich beziehungslos nebeneinander vollziehen, genügen ebenso wenig wie eine bloße Arbeitsberührung. Erforderlich ist vielmehr eine gewisse Verbindung zwischen den Tätigkeiten als solche in der konkreten Unfallsituation, die eine Bewertung als „gemeinsame“ Betriebsstätte rechtfertigt. Der Haftungsausschluss nach § 106 III Alt. 3 SGB VII ist (nur) im Hinblick auf die zwischen den Tätigenden verschiedener Unternehmen bestehende Gefahrengemeinschaft gerechtfertigt. Eine Gefahrengemeinschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass typischerweise jeder der (in enger Berührung mit anderen) Tätigen gleichermaßen zum Schädiger und Geschädigten werden kann. Der Haftungsausschluss knüpft daran an, dass eine gewisse Verbindung zwischen den Tätigen bei konkreten Arbeitsvorgängen in der konkreten Unfallsituation gegeben ist, die die „gemeinsame Betriebsstätte“ kennzeichnet.“ Jura Intensiv Bei dem in Absprache erfolgten Öffnen der Türen der Ladefläche des Aufliegers und Freimachen der Ladefläche durch K handelte es sich weder um bloße Vorbereitungshandlungen des Ladevorgangs, noch standen sie beziehungslos neben der Tätigkeit des B. „[34] Vielmehr handelt es sich um arbeitsteilige „Aktivitäten“, die bewusst und gewollt bei der Beladung eines Lkw‘s mit (tonnenschweren) Papierrollen ineinandergreifen. Dies gilt nicht nur für das Öffnen der Türen des Aufliegers - bei geschlossenen Türen wäre eine Beladung nicht möglich, alternativ hätte B die Türen öffnen müssen -, sondern auch für das Freimachen der Ladefläche. Denn die endgültige Beladung des Lkw vollzieht sich dergestalt, dass der Gabelstaplerfahrer die Papierrolle auf Schienen (sog. Joloda-Laufschienen System) ablegt, die sich auf dem Verweis des § 106 III Alt. 3 SGB VII auf §§ 104, 105 SGB VII bei Versicherten mehrerer Unternehmen Definition und Konkretisierung des Begriff „gemeinsame Betriebsstätte“ Eine „gemeinsame Betriebsstätte“ ist mehr als nur „dieselbe“ Betriebsstätte. Das Öffnen der Türen der Ladefläche und des Aufliegers stellen keine Vorbereitungshandlungen, sondern arbeitsteilige Aktivitäten dar, die bewusst und gewollt von K und B ausgeführt wurden. Inhaltsverzeichnis

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