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RA Digital - 12/2018

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626 Zivilrecht

626 Zivilrecht RA 12/2018 Die Kündigungserklärung entsprach gem. § 568 BGB der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform und war hier nicht problematisch. Definition der „Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist“ i.S.d. § 543 I 2 BGB Fehlverhalten des Kündigenden ist nur bei der Abwägung der Gesamtumstände zu berücksichtigen Zerrüttung des Mietverhältnisses Das AG Dortmund zieht zur Bestimmung einer „Zerrüttung des Mietverhältnisses“ die im Familienund Arbeitsrecht geltenden Grundsätze heran. Nach Ansicht des Gerichts sind die Anforderungen des Mietrechts an eine Zerrüttung nicht so gering wie im Eherecht und nicht so hoch wie im Arbeitsrecht. II. Beendigung gem. § 542 I BGB Das Mietverhältnis müsste aufgrund der außerordentlichen, schriftlich erklärten Kündigung vom 20.12.2016 beendet worden sein. Gem. § 543 I 1 BGB kann jede Partei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Nach § 543 I 2 BGB liegt ein wichtiger Grund vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. „[51] [Dies ist der Fall], wenn die Durchführung des Vertrags durch Zerstörung der das Schuldverhältnis tragenden Vertrauensgrundlage durch das Verhalten eines Vertragsteils derart gefährdet ist, dass sie dem Kündigenden auch bei strenger Prüfung nicht mehr zuzumuten ist. Ob der Kündigende sich selbst vertragsgemäß verhalten hat, ist nicht entscheidend. Allerdings ist dieser Umstand bei der Abwägung der Gesamtumstände zu berücksichtigen, denn die Entscheidung über die Kündigung ist unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben zu treffen, wobei ein Verschulden dessen, dem gekündigt wird, nicht erforderlich ist. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Kündigung nicht auf solche Gründe gestützt werden kann, die der Kündigende selbst herbeigeführt oder zu vertreten hat. Hiervon sind jene Fälle zu unterscheiden, in denen feststeht, dass das Verhältnis der Parteien nachhaltig zerrüttet ist, aber die Ursache der Zerrüttung nicht mehr aufgeklärt werden kann. In einem solchen Fall ist jede Partei zur Kündigung berechtigt. Erforderlich ist aber immer eine vorherige Abmahnung. [52] Was ist aber nun eine zur Kündigung berechtigende Zerrüttung der Beziehung zwischen Vermieter und Mieter? Bekannt ist das Zerrüttungsprinzip im Eherecht: Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie von beiden Partnern als zerrüttet eingeschätzt wird. Dabei spielt Verschulden keine Rolle. § 1565 BGB spricht nur davon, dass die Ehe „gescheitert“ sein muss. Dafür gibt es eine gesetzliche Vermutung, nämlich das Getrenntleben. Das passt nun einmal im Mietrecht nicht, da Vermieter und Mieter nicht zusammenleben. Auch im Arbeitsrecht gibt es das Zerrüttungsprinzip: Wenn das Vertrauensverhältnis zum Arbeitnehmer so erschüttert ist, dass eine Anstellung nicht mehr zugemutet werden kann, dann ist eine Kündigung möglich. Allerdings sind die Anforderungen hier sehr viel höher als bei einer Scheidung. Es geht im Arbeitsrecht um den Verlust von Vertrauen, das sich „nicht mehr auf jemanden verlassen können“. Der Arbeitnehmer repräsentiert zumindest teilweise den Arbeitgeber. Das Mietrecht liegt, was die Anforderungen angeht, wahrscheinlich dazwischen. Der Mieter repräsentiert nicht den Vermieter. Sein Verhalten wird in den wenigsten Fällen dem Vermieter - auch im nicht juristischen Sinne - zugerechnet. Aber möglich ist natürlich auch hier, dass Vermieter oder Mieter den Vertragspartner bei Dritten „anschwärzen“ oder geschäftlich schädigen, was auch zu einer Zerrüttung führen kann. Darum geht es vorliegend aber nicht. Es geht schon eher, wie in der Ehe, um die bloße Zweierbeziehung zwischen Vermieterin und Mieter. Dafür geht es anders als in der Ehe und eher wie im Arbeitsrecht darum, dass der Vermieter dem Mieter erhebliche Vermögenswerte, nämlich die Wohnung, anvertraut. Aber auch da gibt es vorliegend keinen Anlass, von einer Gefährdung von Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 12/2018 Zivilrecht 627 Vermietervermögenswerten auszugehen. Es geht der K um den Umgang miteinander und das Verhalten des B im Rahmen der geschäftlichen Beziehung. [53] Hier kann das Gericht zurzeit die für eine außerordentliche Kündigung erforderliche Zerrüttung [nicht] feststellen. [54] Richtig ist sicher, dass das Verhalten des B für den jeweiligen Gegenüber äußerst anstrengend und zeitweise auch schwer zu ertragen ist. Der B ist nach dem Eindruck des Gerichts, das es sich in den fast 18 Monaten, die das vorliegende Verfahren in 1. Instanz anhängig war, vom B aufgrund des persönlichen Eindrucks, aber viel mehr noch aufgrund der zahlreichen äußerst langen Schriftsätze machen konnte, wohl der Prototyp eines Juristen, den Vermieter - und vielleicht auch andere Vertragspartner - sich eher nicht wünschen, vor allem, wenn sie als „Jurist in eigener Sache“ tätig werden. Seine Ausdrucksweise ist belehrend und vielleicht auch besserwisserisch. [55] B hat immer wieder versucht die Verhandlungsführung des Gerichts zu bestimmen. Nach dem ausführlichen Hinweis- und Beweisbeschluss des Gerichts, in dem den zahlreichen Zeugen gestattet worden war, ihre Aussagen schriftlich zu machen, wollte er z.B. dem Gericht klarmachen, wie es diese noch nicht getätigten Aussagen zu bewerten habe. Später wollte er dem Gericht dann aufgeben, nur bestimmte Zeugen zu vernehmen, obwohl er alle anderen Zeugen auch benannt hatte. Schließlich sollte das Gericht trotz des abgefassten und in der Durchführung befindlichen Beweisbeschlusses im laufenden Verfahren ein Beweissicherungsverfahren über ähnliche Fragen durchführen. Nach Vorlage des Gutachtens verlangt der Beklagte Ergänzungen des Gutachtens, die für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits unerheblich sind. Außerdem soll das Gericht einen Zeugen zum Erscheinen vor Gericht durch Verhängung von Ordnungsgeld zwingen, obwohl dessen Aussage keinerlei Einfluss auf den Ausgang des Rechtsstreits mehr hat, nur weil B dessen Nichterscheinen als Missachtung empfindet. Das ist schon Ausdruck einer sicher auch von der K so empfundenen Selbstüberschätzung. Jura Intensiv [57] Auch die Länge der vorgerichtlichen aber auch gerichtlichen Schriftsätze spricht dafür, dass der B anscheinend für so etwas viel Zeit hat oder sich nimmt. Die Gerichtsakte dieses im Grunde einfachen und routinemäßigen Räumungs- und Zahlungsprozesses hat zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Urteils bereits 335 Seiten. Damit beansprucht der B natürlich auch die Zeit der K über Gebühr. Das Verhalten des B reichte nach Auffassung des Gerichts für die Annahme einer Zerrüttung nicht aus. B entspricht zwar dem bei Vermietern – leider – weit verbreiteten Klischee des belehrenden und besserwisserischen Juristen, doch das allein reicht nicht, um eine Zerrüttung des Mietverhältnisses anzunehmen. Gerichte fordern einen strukturierten Tatsachenvortrag und freuen sich immer über fachkundige Rechtsausführungen, die gerne auch gewissenhafte Auswertungen der Rechtsprechung und Literatur enthalten dürfen. Jedoch werten Sie ihre Beweise selbst aus. Sie reagieren nicht selten empfindlich, wenn man auf den persönlichen Eindruck, den Zeugen hinterlassen haben, beeinflussen will. Das Gericht nimmt an dieser Stelle eine ausführliche Auseinandersetzung des Verhaltens des B vor und nach der Kündigung vor. [59] B hat ferner versucht zu bestimmen, mit welchem seiner Vertragspartner er nur reden will (nicht mit der K). Er hat angedroht, Gespräche anderenfalls abzubrechen. Nachdem dann die K den B aufgefordert hat, nur noch mit ihrem Prozessbevollmächtigten zu kommunizieren und keine Mails an ihre E-Mail Adresse zu schicken, hat er diesem Wunsch massiv widersprochen. Auch das ist Widerspruch nur des Widerspruchs willens, denn der B wollte ja gerade mit der K nicht mehr reden. Nachdem er aber erfuhr, dass die K nicht mehr mit ihm reden will, hat er diesen eigentlich auch seinem Willen entsprechenden Wunsch bewusst missachtet, um sich durchzusetzen oder die K schlicht zu ärgern. Dabei hat das Gericht noch © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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