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RA Digital - 12/2018

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632 Zivilrecht

632 Zivilrecht RA 12/2018 Problem: Keine Mit-Elternschaft in gleichgeschlechtlicher Ehe Einordnung: Familienrecht BGH, Urteil vom 10.10.2018 XII ZB 231/18 LEITSATZ 1. Die Ehefrau der ein Kind gebärenden Frau wird weder in direkter noch in entsprechender Anwendung des § 1592 Nr. 1 BGB Mit-Elternteil des Kindes. 2. Die darin liegende unterschiedliche Behandlung von verschieden- und gleichgeschlechtlichen Ehepaaren trifft nicht auf verfassungs- oder konventionsrechtliche Bedenken. EINLEITUNG Ist ein Mann bei der Geburt des Kindes mit der Mutter verheiratet, so ist er gem. § 1592 Nr. 1 BGB der Vater. Ob die Vorschrift direkt bzw. analog auch auf Frauen in gleichgeschlechtlicher Ehe angewendet kann, musste nun der 12. Senat des BGH entscheiden. SACHVERHALT M und A leben seit Mai 2014 in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Beide schließen am 12.10.2017 durch Umwandlung dieser Lebenspartnerschaft die Ehe. Am 03.11.2017 gebärt M ein Kind, das aufgrund gemeinsamen Entschlusses mit A und durch medizinisch assistierte künstliche Befruchtung mit Spendersamen einer Samenbank gezeugt wurde. Im Geburtenregister wird M als Mutter eingetragen; die Eintragung eines weiteren Elternteils erfolgt nicht. A beantragt daraufhin beim Standesamt, den Geburtseintrag dahingehend zu berichtigen, dass sie als weitere Mutter aufgeführt wird, weil das Kind in ihrer Ehe mit M geboren worden sei. Das Standesamt (S) lehnt es ab, diese Eintragung vorzunehmen. Es ist der Ansicht, das Geburtenregister sei nicht unrichtig. Zu Recht? Prüfungsvermerk: § 48 I PStG: Außer in den Fällen des § 47 PStG darf ein abgeschlossener Registereintrag nur auf Anordnung des Gerichts berichtigt werden. Die Anordnung kann auch Fälle des § 47 PStG umfassen. § 48 II PStG: Den Antrag auf Anordnung der Berichtigung können alle Beteiligten, das Standesamt und die Aufsichtsbehörde stellen. Sie sind vor der Entscheidung zu hören. § 1353 I 1 BGB: Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen. § 1741 II 3 BGB: Ein Ehegatte kann ein Kind seines Ehegatten allein annehmen. Art. 8 I EMRK: Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. Jura Intensiv LÖSUNG Aus §§ 47, 48 PStG folgt ein Anspruch auf Berichtigung des Geburtseintrags, wenn eine von Anfang an bestehende Unrichtigkeit des Registereintrags anzunehmen ist A. A gegen S gem. §§ 47, 48 PStG A könnte gegen S einen Anspruch auf Berichtigung des Geburtseintrags haben. Eine Berichtigung i.S.d. §§ 47, 48 PStG ist die nachträgliche Änderung des Wortlauts eines durch Unterschrift des Standesbeamten abgeschlossenen Eintrags in einem Personenstandsbuch durch Richtigstellung einer von Anfang an bestehenden Unrichtigkeit. Unter Zugrundelegung dieses Grundsatzes ist der Anwendungsbereich des § 48 PStG nur dann eröffnet, wenn eine von Anfang an bestehende Unrichtigkeit des Registereintrags betreffend die Mutter des Kindes gegeben ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Eintragungen in das Geburtenregister ist dabei grds. die Geburt des Kindes. A könnte als Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 12/2018 Zivilrecht 633 weitere Mutter einzutragen sein, weil das Kind in ihrer Ehe mit M geboren wurde. Fraglich ist, ob im vorliegenden Fall § 1592 Nr. 1 BGB herangezogen werden kann. „[10] Mutter des Kindes ist nach § 1591 BGB die Frau, die das Kind geboren hat, mithin vorliegend die M. Das deutsche bürgerliche Recht kennt nur die Zuordnung einer einzigen Mutter kraft Gesetzes. Damit hat der Gesetzgeber andere mögliche Formen der abstammungsrechtlichen Mutter-Kind-Zuordnung, insbesondere die Mutterschaft der Eizellenspenderin im Fall der Leihmutterschaft, bewusst ausgeschlossen. Eine Mutterschaftsanerkennung sieht das geltende Recht nicht vor. Weitere Formen der Entstehung einer beiderseits weiblichen Elternschaft kraft Abstammung, etwa die Mit- oder Co-Mutterschaft bei konsentierter heterologer Insemination, sind im deutschen Recht ebenfalls nicht vorgesehen. [11] Die mangels erfolgter Annahme als Kind (§§ 1741 ff. BGB) daher allein in Betracht zu ziehende Elternstellung der Antragstellerin gem. oder entsprechend § 1592 BGB scheidet aus, weil diese Vorschrift weder unmittelbar noch analog auf die Antragstellerin als Ehefrau der Kindesmutter anwendbar ist. [12] Die direkte Anwendung des § 1592 Nr. 1 BGB kommt hier - ebenso wie die des schon mangels Anerkennungserklärung nicht einschlägigen § 1592 Nr. 2 BGB - bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Norm nach ihrem klaren Wortlaut allein die Vaterschaft regelt und diese einem bestimmten Mann zuweist. [13] Die Vorschrift gehört zu den Abstammungsregeln der §§ 1591 ff. BGB, die die Eltern-Kind-Zuordnung zu einer Mutter und einem Vater zum Gegenstand haben. Insofern nimmt das Gesetz ausgehend davon, dass ein Kind einen männlichen und einen weiblichen Elternteil hat, eine Zuordnung des Kindes zu zwei Elternteilen unterschiedlichen Geschlechts vor. Dementsprechend soll die Bestimmung des § 1592 BGB nach ihrem Sinn und Zweck nicht die gleichgeschlechtliche Elternschaft normieren. Ein dahingehender gesetzgeberischer Wille lässt sich auch nicht aus dem Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts entnehmen, das § 1592 BGB unverändert gelassen hat. Weder dessen Gesetzestext noch die gesetzgeberischen Materialien hierzu befassen sich mit Abstammungsfragen. [14] § 1592 Nr. 1 BGB ist auch nicht entsprechend anwendbar. [15] Mit dem am 01.10.2017 in Kraft getretenen Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.07.2017 hat der Gesetzgeber zwar zivilrechtlich durch Änderung des § 1353 I 1 BGB die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt und zugleich mit § 17a PStG Lebenspartnern die Möglichkeit eröffnet, ihre Lebenspartnerschaft in eine Ehe umzuwandeln. Hiervon haben A und M am 12.10.2017 Gebrauch gemacht, so dass sie zum Zeitpunkt der Geburt des betroffenen Kindes miteinander verheiratet waren. [16] Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 1592 Nr. 1 BGB liegen aber nicht vor. Eine solche erfordert zum einen eine planwidrige Regelungslücke. Zum anderen muss die Vergleichbarkeit der zur Beurteilung stehenden Sachverhalte gegeben sein, also der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar sein, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Jura Intensiv Begriff der Mutter gem. § 1591 BGB § 1592 Nr. 1 BGB regelt die Vaterschaft eines Ehemannes und kann bereits aufgrund des klaren Wortlauts auf eine Ehefrau keine direkte Anwendung finden Historische Auslegung Gesetzesmaterialien Seit dem 01.10.2017 sieht § 1353 I 1 BGB die gleichgeschlechtliche Ehe vor. Es stellt sich daher die Frage, ob § 1592 Nr. 1 BGB analog anzuwenden ist. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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