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RA Digital - 12/2018

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662 Referendarteil:

662 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 12/2018 § 18 I 1, 2 StrWG NRW: „Die Benutzung der Straßen über den Gemeingebrauch hinaus ist unbeschadet des § 14a Abs. 1 Sondernutzung. Die Sondernutzung bedarf der Erlaubnis der Straßenbaubehörde.“ Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis ist Ermessensentscheidung Grenzen der gerichtlichen Überprüfbarkeit von Ermessenentscheidungen, § 114 S. 1 VwGO Ermessensentscheidung muss sachlichen Bezug zur Straße aufweisen Wichtig: Zentrale Ermessensgesichtspunkte, die in Klausuren immer wieder abgefragt werden! Nach der Darlegung der allgemeinen Maßstäbe der Ermessensentscheidung folgt die Subsumtion des konkreten Sachverhalts. Weitere typische Einleitungssätze: „Hiernach ...“, „Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ...“. Das Ergebnis ist dabei voranzustellen (Urteilsstil). Nach § 18 Abs. 1 Sätze 1 und 2 StrWG NRW stellt die Benutzung der Straßen über den Gemeingebrauch hinaus unbeschadet des - hier nicht einschlägigen - § 14 a Abs. 1 StrWG NRW eine Sondernutzung dar und bedarf der Erlaubnis. Das Aufstellen von Informationsständen im öffentlichen Straßenland stellt unstreitig eine solche Sondernutzung dar. Die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis steht im Ermessen der Beklagten, das vom Gericht nur daraufhin überprüft werden kann, ob die Beklagte bei der Ablehnung die Grenzen ihres Ermessens überschritten oder von ihm in einer dem Zweck der Ermächtigung widersprechenden Weise Gebrauch gemacht hat, § 114 Satz 1 VwGO. Nach der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung hat sich die behördliche Ermessensausübung bei der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis an Gründen zu orientieren, die einen sachlichen Bezug zur Straße haben. Zu diesen Gründen können insbesondere zählen ein einwandfreier Straßenzustand, die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, der Ausgleich zeitlich und örtlich gegenläufiger Interessen verschiedener Straßenbenutzer und Straßenanlieger (etwa Schutz vor Abgasen, Lärm oder sonstigen Störungen) oder Belange des Straßen- und Stadtbildes, d.h. baugestalterische oder städtebauliche Vorstellungen mit Bezug zur Straße und aufgrund eines konkreten Gestaltungskonzepts (etwa Vermeidung einer "Übermöblierung" des öffentlichen Straßenraums, Schutz eines bestimmten Straßen- oder Stadtbildes). Ausgehend von diesem Maßstab ist die ablehnende Entscheidung der Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere erfolgte sie ermessensfehlerfrei. Die Beklagte stützte die ablehnende Entscheidung unter anderem auf die Erwägung, dass es sich bei der Klägerin um einen kommerziellen Dienstleister gehandelt habe und dass die Beklagte die Nutzung des öffentlichen Straßenlandes zu kommerziellen Zwecken nur eingeschränkt genehmige, um eine Überlastung insbesondere der innerstädtischen Fußgängerzonen zu vermeiden. Die Flächen im Kölner Stadtgebiet würden zunehmend für kommerzielle Nutzungen angefragt. Im Falle einer Erlaubniserteilung entstünde wegen des zu beachtenden Grundsatzes der Gleichbehandlung auch ein Rechtsanspruch der anderen Interessenten. Aufgrund der Vielzahl derartiger Anfragen käme es zu einer Überbeanspruchung der öffentlichen Flächen. Diese Ermessenspraxis der Beklagten, in der Innenstadt bis auf wenige, inhaltlich näher bestimmte Ausnahmen für kommerzielle Tätigkeiten grundsätzlich keine Sondernutzungserlaubnis zu erteilen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Ermessensausübung weist den erforderlichen sachlichen Bezug zur Straße auf, da tragender Grund für die restriktive Erlaubniserteilung die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs ist. Zu Recht weist die Beklagte auf die schon bestehende Belastung insbesondere der innerstädtischen Fußgängerzonen und der Ringe hin. Würde das öffentliche Straßenland dort generell auch für kommerzielle Interessen in Anspruch genommen werden können, droht unzweifelhaft eine Überlastung des öffentlichen Straßenlandes. Nach der Einschätzung der Kammer gilt dies auch für die drei beantragten Standorte, die sich wegen des dort verstärkt anzutreffenden Fußgängerverkehrs - [...] - als für kommerzielle Interessen besonders attraktive Flächen darstellen. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 12/2018 Referendarteil: Öffentliches Recht 663 Die Ablehnung des Antrages führte für die Klägerin auch nicht zu einem unverhältnismäßigen oder unzumutbaren Ergebnis, insbesondere nicht wegen einer Verletzung von Grundrechten. Die Ermessenspraxis der Beklagten, kommerziellen Dienstleistern, die für gemeinnützige Organisationen tätig werden, keine Sondernutzungserlaubnis für Informationsstände zu erteilen, gemeinnützigen Organisationen, die diese Aktionen durch eigene Mitarbeiter durchführen oder durch Arbeitnehmer sogenannter gGmbH, die Erlaubnis hingegen nicht zu verwehren, verstößt nicht gegen Art. 3 GG. Sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung ist nicht die Befürchtung, die konkrete Tätigkeit der Mitarbeiter kommerzieller Dienstleister stelle eine größere Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs dar als wenn Mitarbeiter der gemeinnützigen Organisation tätig würden. Die Beklagte stützt ihre Ermessenspraxis vielmehr auf die zutreffende und rechtlich tragfähige Annahme, dass eine Überbeanspruchung öffentlichen Straßenlandes deshalb drohe, weil gemeinnützige Organisationen durch die Einschaltung kommerzieller Dienstleister ihre Kapazitäten erheblich erweitern könnten und deshalb eine Potenzierung von Sondernutzungsanträgen drohe. Wenn derartigen Anträgen regelmäßig stattgegeben werden müsste, käme es zur Überlastung insbesondere der innerstädtischen Fußgängerzonen. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin führt die Gründung einer gGmbH - wie etwa der B. T2. gGmbH, der die Beklagte bereits Sondernutzungserlaubnisse erteilt hat - auch nicht zu einer unzulässigen Umgehung der Ermessenspraxis der Beklagten. Denn eine gGmbH unterscheidet sich von kommerziellen Dienstleistern bereits insoweit, als sie ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgt und auch etwaige Gewinne nur zweckgebunden verwenden darf. Die Gefahr einer Potenzierung von Sondernutzungsanträgen besteht deshalb aus Sicht der Kammer nicht. Die Klägerin hatte auch aus Art. 12 GG keinen Teilhabeanspruch auf die begehrte Nutzung öffentlichen Straßenlandes. Zwar kann sich der abwehrrechtliche Charakter des Art. 12 GG auch zu einem Teilhabeanspruch verdichten. Das ist aber nur in eng begrenzten Ausnahmefällen anzunehmen, etwa wenn der Gebrauch der Freiheit nur in dieser Form möglich ist, also mit der Erlaubnis steht und fällt. Das war hier ersichtlich nicht der Fall, weil die Klägerin auch ohne die begehrte Sondernutzungserlaubnis ihr Gewerbe ausüben konnte. Ihr privates Interesse an einer Gewinnmaximierung durch die Inanspruchnahme öffentlichen Straßenlandes durfte hinter den oben erwähnten straßenrechtlichen Gründen zurückstehen. Jura Intensiv Auf eine Verletzung von Grundrechten Dritter - hier Art. 9 GG - konnte die Klägerin sich nicht berufen. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin war die Beklagte auch nicht zu einer allgemeinen Kontingentierung des öffentlichen Straßenlandes verpflichtet. Die Praxis der Beklagten, keine bestimmten Kontingente für alle kommerziellen Tätigkeiten vorzuhalten, sondern bestimmten Fallgruppen von Antragstellern ausnahmsweise Sondernutzungserlaubnisse zu erteilen, ist sachgerecht und tragfähig. Eine allgemeine Kontingentierung wäre wegen der zu erwartenden deutlichen Zunahme von Anträgen schon kein gleich geeignetes Mittel zur Vermeidung einer Überlastung des innerstädtischen öffentlichen Straßenlandes. Das Gericht arbeitet sehr anschaulich die Einwände der Klägerin ab. Kein Verstoß gegen Art. 3 GG Gefahr der Überbeanspruchung des Straßenraums als zulässiger sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung Kein Verstoß gegen Art. 12 GG Hier war nicht auf die Abwehrfunktion der Grundrechte, sondern auf ihre teilhaberechtliche Funktion abzustellen. Ein solcher Teilhabeanspruch aus Art. 12 GG ist jedoch nur in begrenzen Ausnahmefällen anzuerkennen. VG Köln, Urteil vom 10.10.2014, 18 KI 6991/13 Art. 9 GG war hier nicht zu prüfen, da sich hierauf allenfalls der V. -G. e.V., jedoch nicht die Klägerin berufen konnte. Keine Verpflichtung der Stadt, eine Kontingentierung des öffentlichen Straßenraums für Sondernutzungen vorzunehmen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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