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RA Digital - 12/2019

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626 Zivilrecht

626 Zivilrecht RA 12/2019 Problem: Neupreis mitverkaufter Küche als Beschaffenheitsvereinbarung Einordnung: Kaufrecht OLG München, Urteil vom 09.10.2019 20 U 556/19 LEITSATZ DER REDAKTION Die Angabe des fachkundigen Verkäufers, das Kaufobjekt fachgerecht bzw. nach den anerkannten Vorschriften errichtet zu haben, erfolgt nicht schon dann ohne tatsächliche Grundlage „ins Blaue hinein“, wenn er bei der Bauausführung unbewusst von einschlägigen DIN-Vorschriften abgewichen ist. Ohne das Auffinden dieser Rechnung hätte K den Prozess niemals gewinnen können. EINLEITUNG Der Zusammenhang zwischen dem bei Verhandlungen Gesagten und dem schließlich Vereinbarten ist beim Grundstückskaufvertrag wegen der Formstrenge des § 311b I 1 BGB besonders relevant. Was nicht beurkundet ist, gilt nicht als vereinbarte Beschaffenheit. Was über § 434 I 3 i.V.m. § 434 I 2 Nr. 2 BGB Sachmangel werden kann, wird beim Grundstückskaufvertrag wegen des üblichen Haftungsausschlusses rechtlich irrelevant. Deshalb kommen Schadensersatzansprüchen aus culpa in contrahendo entscheidende Bedeutung zu. Diese erfordern aber vorsätzliche begangene Pflichtverletzungen des Verkäufers. Vorsatz ist schwierig nachzuweisen, es sei denn, der unvorsichtige Verkäufer hinterlässt markante Spuren seines Wissensvorsprungs. SACHVERHALT Mit notariellem Kaufvertrag vom 17.10.2017 erwarb K von B ein Hausgrundstück. Mitverkauft wurde eine Einbauküche mit allen derzeit vorhandenen Einbaugeräten. Im Vorfeld des Kaufvertrages, welcher auf Vermittlung des Immobilienbüros erfolgte, übergab dieses Immobilienbüro dem K eine Immobilienwertanalyse laut derer der Anschaffungspreis der Küche im Jahr 2013 bei ca. 25.000 € lag. B war bekannt, dass K dieses Exposé mit dieser Angabe erhalten hatte. Nach Zahlung des Kaufpreises und Einzug des K in das Anwesen fand dieser eine die streitgegenständliche Küche betreffende Rechnung der Fa. E vom 20.12.2012, welche einen Rechnungsbetrag von 12.200 € auswies. K hätte bei Kenntnis des tatsächlichen Kaufpreises von 12.200 € lediglich 2.200 € für die Einbauküche bezahlt. Der sich aus dem notariellen Kaufvertrag als Anlage ergebende Ablösepreis von 20.000 € beinhaltete neben den 15.000 € auch 5.000 € für weitere Kleinmöbel im Badezimmer. K ist der Ansicht, es sei kaufvertraglich eine Beschaffenheit der Einbauküche mit einem Anschaffungspreis von 25.000 € vereinbart worden. Der letztlich gezahlte Preis habe sich dann am Neuwert unter Berücksichtigung der altersbedingten Abnützung orientiert. Er erklärt gegenüber B die Minderung. Zudem meint er, ihm stünde ein Schadensersatzanspruch wegen der Falschangabe zum Anschaffungspreis gegen B zu. B behauptet, K habe aufgrund einer Besichtigung den Küchenwert, den Kaufpreis für die Einbauküche und die Küchenutensilien gekannt und deshalb selbst 15.000 € angeboten. Eine Einsichtnahme in die Rechnung habe er nicht verlangt. Sie habe dem Kläger nie gesagt, dass die Küche einen Neupreis von 25.000 € habe. Ihr als Ukrainerin und russischsprachigen Person seien die Unterschiede zwischen den Bedeutungen „Anschaffungspreis“, „Wert“ und „Zeitwert“ nicht geläufig. Ein Zeitwertabzug sei zwischen den Parteien nicht besprochen worden. Sie hätte sich anderenfalls nicht auf eine Ablöse von 15.000 € eingelassen. Sie verweigert jede Zahlung. Zu Recht? Jura Intensiv © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 12/2019 Zivilrecht 627 LÖSUNG A. Anspruch des K gegen B auf Rückzahlung gem. §§ 437 Nr. 2, 441 IV, 346 I BGB K könnte einen Anspruch gegen B aus §§ 437 Nr. 2, 441 IV, 346 I BGB auf Rückzahlung des Geldbetrages haben, der die Differenz zwischen dem ursprünglich gezahlten und dem geminderten Kaufpreis bildet. I. Minderungserklärung K hat gegenüber B die Minderung gem. § 441 BGB erklärt. II. Minderungsrecht gem. §§ 437 Nr. 2, 441 BGB 1. Kaufvertrag K und B schlossen am 17.10.2017 einen Kaufvertrag über das Hausgrundstück gem. § 433 BGB in der vorgeschriebenen Form des § 311b I 1 BGB. 2. Mangel zur Zeit des Gefahrübergangs Haben die Parteien den Gefahrübergang im Kaufvertrag nicht besonders geregelt, geht die Gefahr nach der gesetzlichen Regel des § 446 S. 1 BGB mit der Übergabe auf den Käufer über. K erhielt den Besitz, mithin ging die Gefahr über. Zu diesem Zeitpunkt könnte ein Sachmangel gem. § 434 BGB dem Objekt angehaftet haben. In Betracht kommt zunächst das Fehlen einer vereinbarten Beschaffenheit und damit ein Mangel im Sinne des § 434 I 1 BGB. [4] Der Anschaffungspreis der Küche war keine vereinbarte Beschaffenheit gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB, da er keinen Eingang in die notarielle Urkunde gefunden hat. Als Beschaffenheit kann grundsätzlich nur das vereinbart sein, was Inhalt der Urkunde geworden ist. Folglich liegt kein Mangel i.S.d. § 434 I 1 BGB vor. Fraglich ist, ob ein Mangel i.S.d. § 434 I 2 Nr. 2 BGB vorliegt. Dies könnte der Fall sein, wenn sich die objektive Soll-Beschaffenheit nach Eigenschaften richtet, die der Käufer gem. § 434 I 3 BGB aufgrund von öffentlichen Äußerungen des Verkäufers erwarten kann. [5] Auch das Fehlen einer Beschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB, mithin von Eigenschaften, die der Kläger nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, d.h. hier dem Maklerexposé, erwarten kann, liegt nicht vor. Der (frühere) Anschaffungspreis einer Sache ist keine ihr anhaftende Eigenschaft. Denn insoweit ist nicht die Beziehung der Sache zur Umwelt betroffen bzw. ihre tatsächlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, die nach der Verkehrsanschauung einen Einfluss auf Nutzen und Wertschätzung des Gegenstands zu haben pflegen. Folglich lag kein Mangel zur Zeit des Gefahrübergangs vor. Jura Intensiv III. Zwischenergebnis Indem kein Minderungsrecht gem. §§ 437 Nr. 2, 441 I BGB des K bestand, ging die Minderung ins Leere und hat K keinen Anspruch auf Rückzahlung aus §§ 437 Nr. 2, 441 IV, 346 I BGB. Zu § 434 I 1 und § 311b I 1 BGB: BGH, Urteile vom 06.11.2015, V ZR 78/14 und vom 19.11.2018, V ZR 256/16, sowie vom 09.02.2018, V ZR 274/16. Die Problematik war im Frühjahr 2018 Thema einer Ringklausur im Fach Zivilrecht. Zu § 434 I 3 BGB und dem Inhalt eines Maklerexposés: BGH, Urteile vom 19.01.2018, V ZR 256/16, vom 09.02.2018, V ZR 274/16 Der Preis ist keine Eigenschaft einer Sache. K hatte keinen Grund zur Minderung. Die Minderungserklärung ging ins Leere. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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