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RA Digital - 12/2019

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632 Zivilrecht

632 Zivilrecht RA 12/2019 Zu § 2271 BGB: Krätzschel in: Firsching/ Graf, Nachlassrecht, § 11 Rn 21 Zum Grad der Gewissheit: BGH NJW 1993, 935 und BGH NJW 2014, 71; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, § 286 Rn 2 Zum Amtsermittlungsgrundsatz: BGH NJW 1994, 1348 Das Gericht erklärt, warum es eine Vernichtung durch beide Ehegatten für wenig plausibel hält. Warum haben die Ehegatten den A nicht einfach gestrichen? der Urkunde besagt für sich allein noch nichts; sie begründet insbesondere keine tatsächliche Vermutung oder einen Erfahrungssatz, dass das Testament durch den Erblasser vernichtet worden ist. (…) Aus § 2271 Absatz 1 S. 2 BGB folgt aber, dass die einseitige Aufhebung wechselbezüglicher Verfügungen auch in der Form des § 2255 nicht möglich ist. [17] Mithin muss das Gericht positiv davon überzeugt sein, dass das Testament in Widerrufsabsicht durch die Ehegatten vernichtet wurde. Für diesen Beweis genügt grundsätzlich, da eine absolute Gewissheit nicht zu erreichen und jede Möglichkeit des Gegenteils nicht auszuschließen ist, ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Diese für § 286 ZPO entwickelten Grundsätze gelten grundsätzlich auch im Verfahren mit Amtsermittlungsgrundsatz. Eine solche Gewissheit fehlt hier. Folglich können Schlüsse nur aufgrund von Indizien gezogen werden. Es genügt aber nicht zum nötigen Grad an Gewissheit, dass andere Unterlagen der Eheleute geordnet vorhanden waren und diese gegenüber Dritten erklärt hätten, an der Schlusserbensetzung zugunsten des Beschwerdeführers nicht festhalten zu wollen. [21] Zunächst erscheint ein Widerruf ohne gleichzeitige Neuerrichtung einer Verfügung wenig plausibel. Er hätte zur Folge, dass nach dem Tode des Erstversterbenden gesetzliche Erbfolge eingetreten würde, was die Ehegatten nach den vom Nachlassgericht durchgeführten Ermittlungen nicht gewollt hatten und die bei den Ehegatten auch noch zu unterschiedlichen Erbquoten geführt hätte: Bei einem Vorversterben der Ehefrau wäre der überlebende Ehemann Erbe zu ¾ geworden gemäß §§ 1931 Absatz 1, Absatz 3, 1371 Absatz 1, 1925 BGB, da seitens der Ehefrau nur noch Abkömmlinge der Eltern, mithin Erben der 2. Ordnung vorhanden waren. Umgekehrt, bei einem Vorversterben des Ehemannes, wäre die überlebende Ehefrau nur Erbin zu ½ geworden, da der Ehemann Kinder - mithin Erben der 1. Ordnung - hinterlassen hat. [22] Da die Ehegatten naturgemäß nicht wissen konnten, wer von ihnen zuerst stirbt, erscheint es nicht naheliegend, dass sie insoweit den Eintritt der gesetzlichen Erbfolge gewollt hätten, was aber die Folge der Vernichtung des gemeinschaftlichen Testaments gewesen wäre. Jura Intensiv Plausibel wäre hingegen die einfache Streichung des A als Schlusserben aus dem Testament gewesen. Folglich steht die Vernichtung des Testaments durch beide Erblasser nicht fest. ERGEBNIS A kann die antragsgemäße Erteilung des Erbscheins als Schlusserbe des M verlangen. FAZIT Wer sein Erbrecht auf ein Testament stützt, hat grds. die Urschrift vorzulegen. Jedoch ist der Nachweis der Echtheit auch mit zulässigen Beweismitteln möglich. Ein gemeinschaftliches Testament i.S.d. § 2265 BGB kann nur von beiden Testierenden gemeinschaftlich widerrufen werden. Der Widerruf durch Vernichtung i.S.d. § 2255 BGB kann nur gemeinschaftlich erfolgen. Die bloße Unauffindbarkeit stellt keine Vermutung der Vernichtung durch beide Ehegatten dar. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 12/2019 Referendarteil: Zivilrecht 633 Speziell für Referendare Problem: Schriftformerfordernis zeitlich begrenzter Mietverträge; Vertragsauslegung Einordnung: Mietrecht, BGB AT, ZPO I OLG Köln, Urteil vom 04.10.2019 1 U 83/18 EINLEITUNG Der vorliegende Fall zeigt, dass selbst eindeutige Formulierungen in Verträgen Gerichte bezüglich Auslegungsfragen beschäftigen können. Das OLG Köln hatte zu entscheiden, ob ein Vermieter einer gewerblichen Einheit verpflichtet war, eine erweiterte Baugenehmigung zu erwirken und ob, in Ermangelung dieser, der Mieter dennoch Erfüllung oder zumindest – in Kenntnis des ursprünglichen Zustandes – Schadensersatz verlangen konnte. Hinzu kam noch eine Zwischenfeststellungswiderklage des Vermieters. Aus Übersichtlichkeitsgründen wird die Entscheidung als erstinstanzliches Urteil dargestellt. TATBESTAND Der Kläger (K) betreibt in der nachfolgend genannten Gewerbeeinheit einen Gastronomiebetrieb, der Beklagte (B) ist Eigentümer des Objektes. In diesem befinden sich ein großer Gastraum mit einer Fläche von etwa 160 m², zwei weitere Räume mit einer Fläche von insgesamt 80 m², eine Küche, zwei Toilettenräume, ein Lagerraum sowie Außenflächen sowohl vor als auch hinter dem Objekt. Die beiden Räume mit einer Gesamtfläche von etwa 80 m² sind baurechtlich nicht als Gastronomieräume, sondern als Lager genehmigt. Die hinter dem Objekt liegende Freifläche ist ebenfalls nicht als gastronomische Fläche genehmigt. Beides wurde (K) vor Abschluss des Pachtvertrags von (B) mitgeteilt. In einem als Mietvertrag bezeichneten Vertragsentwurf hieß es seitens des B wörtlich: „Die Parteien sind sich einig, dass der Mieter die vertraglich vereinbarte Nutzung der Mietsache nur in den Mieträumen bzw. im Bereich der vorhandenen und genehmigten Außengastronomie (blauer und grüner Bereich) ausüben darf. (…)“. Mit E-Mail vom 24.10.2014 schrieb K auf die von der seitens B vorgenommenen Änderungen in dem zum damaligen Zeitpunkt noch nicht unterschriebenen Vertragsentwurf unter anderem wörtlich: „Einige Änderungen (…) müssten vorgenommen werden. (…) Wir haben immer betont, dass dieses Objekt sich nur für uns realisieren lässt, wenn eine gastronomische Nutzung der Freiflache vor dem Objekt und hinter dem Objekt für uns gegeben ist. Wir mieten also keine Freiflächen wie in ihrer Änderung geschrieben, sondern Außengastronomieflächen, die entweder konzessioniert sind oder konzessioniert werden. Eine Anmietung ohne vordere und rückwärtige gastronomische Nutzfläche ist für uns absolut unmöglich. (…) Dies wäre für uns absolutes KO-Kriterium.“. Am 25.10.2014 einigten die Parteien sich auf die endgültige Fassung des zuvor genannten Vertrages, wobei die gegenwärtige Zahlungspflicht seitens K monatlich 3.600 € zuzüglich einer Betriebskostenvorauszahlung (…) beträgt. Der Vertrag enthält unter anderem folgende Regelung: „§ 2 Pachtzweck, Konzession: (1) Die Verpachtung erfolgt zum Betrieb einer Speisegaststätte mit 2 Gastronomie-Außenflächen und Außerhausverkauf“. In einer von den Jura Intensiv LEITSÄTZE 1. Aufgrund von § 536b BGB können die Ansprüche aus §§ 536, 536a BGB sowie auch die Kündigung nach § 543 II 1 Nr. 1 BGB ausgeschlossen sein; vom Ausschluss nicht betroffen sind jedoch der Erfüllungsanspruch und die Einrede aus § 320 BGB. 2. Eine Anlage zu einem unterzeichneten Mietvertrag, welche selbst nicht unterzeichnet ist, aber einen schriftformbedürftigen Regelungsgehalt hat, genügt den Anforderungen des § 126 BGB auch bei ausdrücklichem Bezug auf den unterschriebenen Hauptvertrag nicht. Vermeiden Sie: „Die Parteien sind durch den gewerblichen Pachtvertrag miteinander verbunden.“ Erstens wäre dies eine rechtliche Wertung im Tatbestand und zweitens werden Einleitungssätze aber nicht in allen Ländern gern gesehen. Fragen Sie hierzu Ihre AG-Leiter. Das Unstreitige wird im Indikativ Imperfekt dargestellt. Ausnahme – insbesondere hier – sind Umstände, die sich auf die Gegenwart beziehen, bspw. „(…) ist Eigentümer; (…) betreibt einen Gastronomiebetrieb (…)“. Zitate im Tatbestand sind grundsätzlich nicht erforderlich. Ausnahme: Es kommt auf den genauen Wortlaut an. Die Zitate sind sodann in Anführungszeichen zu setzen, siehe: Anders/Gehle, S. 12. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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