644 Öffentliches Recht RA 12/2019 Problem: Polizeiliche Veröffentlichungen auf Facebook und Twitter Einordnung: Polizeirecht/Grundrechte OVG Münster, Urteil vom 17.09.2019 15 A 4753/18 LEITSÄTZE 1. Die Anfertigung von Übersichtsaufzeichnungen von einer Versammlung durch Polizeibeamte mit Foto- und/oder Videotechnik ist nach dem heutigen Stand der Technik für die Aufgezeichneten immer ein Eingriff in Art. 8 Abs. 1 GG, weil die Einzelpersonen auch in Übersichtsaufzeichnungen in der Regel individualisierbar mit erfasst sind. Dies gilt auch dann, wenn die Fotoaufnahmen zum Zweck der polizeilichen Öffentlichkeitsarbeit gemacht werden. 2. Für das Anfertigen von Fotoaufnahmen von Versammlungsteilnehmern zum Zweck der polizeilichen Öffentlichkeitsarbeit fehlt es an der erforderlichen versammlungsgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Insbesondere kann sich die Polizei insoweit nicht auf § 23 Abs. 1 Nr. 3 KunstUrhG stützen. EINLEITUNG Das OVG Münster hat eine rechtsgrundsätzliche Entscheidung zu dem Examensdauerbrenner „staatliche Informations- und Öffentlichkeitsarbeit“ gefällt, indem es klärte, ob die Polizei ohne besonderen Anlass Fotos von Versammlungsteilnehmern anfertigen und im Internet verbreiten darf. SACHVERHALT K nahm zusammen mit ca. 150 anderen Personen an einer Versammlung in der Stadt Essen unter dem Motto „Steele ist kunterbunt! – Gegen Rassismus! Gegen Gewalt!“ teil. Dabei wurde er von Polizeibeamten mit einer Digitalkamera fotografiert. Noch während die Versammlung andauerte, veröffentlichte die Polizeibehörde auf ihrem Facebook-Profil und ihrem Twitter-Account unter der Überschrift „Demonstrationen in Steele“ Mitteilungen über den Verlauf des Einsatzes und Bilder von diesem. Auf diesen Bildern ist auch K zu sehen. K hält die Anfertigung der Fotos und deren Veröffentlichung für rechtswidrig, da hierdurch unzulässig in seine Versammlungsfreiheit eingegriffen werde. Die Polizeibehörde hält dem entgegen, es liege eine zulässige staatliche Informationstätigkeit vor, die keiner speziellen Ermächtigungsgrundlage bedürfe. Insbesondere greife die Sperrwirkung des Versammlungsgesetzes nicht, da die Maßnahmen in keinem inneren Zusammenhang mit der Ausübung des Versammlungsrechts standen und sich nur faktisch auf die Versammlung auswirkten. Ferner komme § 23 I Nr. 3 Kunsturhebergesetz (KunstUrhG) zur Anwendung, sodass K in die Veröffentlichung der Bilder nicht einwilligen musste. Waren die Anfertigung und Veröffentlichung der Bilder, auf denen K zu sehen ist, rechtmäßig? Jura Intensiv [Anm.: Auf Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I 1 GG, das Datenschutzgesetz und das Pressegesetz NRW sowie auf die DSGVO ist nicht einzugehen.] über- Ermächtigungsgrundlage haupt erforderlich? LÖSUNG Die Anfertigung und Veröffentlichung der Bilder waren rechtmäßig, wenn sie auf einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage beruhten, die formell und materiell fehlerfrei angewendet wurde. A. Ermächtigungsgrundlage Fraglich ist, ob die Anfertigung und Veröffentlichung der Bilder überhaupt einer Ermächtigungsgrundlage bedurften. Die Polizeibehörde ist der Meinung, es handele sich um eine zulässige staatliche Informationstätigkeit, die auf keine Ermächtigungsgrundlage angewiesen sei. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
IMMER INFORMIERT Aktuelles aus den Bundesländern Übersicht zum Sächsischen Polizeirecht 2020 – SächsPBG und SächsPVDG AKTUALISIERUNG FÜR SACHSEN Liebe Leserinnen und Leser der RA, der Sächsische Landtag hat das Gesetz zur Neustrukturierung des Polizeirechtes des Freistaates Sachsen beschlossen (SächsGVBl. 2019, S. 358), das am 01.01.2020 in Kraft tritt. Das Gesetz beruht auf einem Gesetzentwurf der Staatsregierung (LT-Drs. 6/14791) sowie einer Beschlussempfehlung des Innenausschusses des Landtags (LT-Drs. 6/17260). zum Herausnehmen Bei dem Gesetz handelt es sich um ein sog. Artikelgesetz, d.h. das Gesetz ändert eine Vielzahl bestehender Gesetze wie z.B. das SächsVersG. Herausragende Bedeutung hat das Gesetz aber vor allem deshalb, weil es zum 01.01.2020 das Sächsische Polizeigesetz (SächsPolG) aufhebt. Als Ersatz für das SächsPolG treten am 01.01.2020 das Gesetz über die Aufgaben, Organisation, Befugnisse und Datenverarbeitung der Polizeibehörden im Freistaat Sachsen (Sächsisches Polizeibehördengesetz - SächsPBG) und das Gesetz über die Aufgaben, Befugnisse, Datenverarbeitung und Organisation des Polizeivollzugsdienstes im Freistaat Sachsen (Sächsisches Polizeivollzugsdienstgesetz - SächsPVDG) in Kraft. Damit erfolgt aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit eine Aufteilung des Polizeirechts auf zwei Gesetze, eines für die Polizeibehörden (SächsPBG) und eines für den Polizeivollzugsdienst (SächsPVDG, vgl. LT-Drs. 6/14791, S. 1). Weiterhin ist der Katalog der Standardmaßnahmen für den Polizeivollzugsdienst ausgebaut worden. Gegenüberstellung alte und neue Rechtslage (examensrelevante Vorschriften): SächsPolG SächsPBG SächsPVDG § 1 Aufgabe der Polizei § 2 Abs. 1 § 2 Abs. 1 § 2 Abs. 1 Tätigwerden für andere (-) § 3 Stellen § 2 Abs. 2 Schutz privater Rechte/ Subsidiarität § 2 Abs. 2 neu: § 3 Legaldefinitionen § 2 Abs. 2 neu: § 4 Legaldefinitionen § 3 Abs. 1 Generalklausel § 12 Abs. 1 § 12 Abs. 1 § 3 Abs. 2-4 Verhältnismäßigkeit § 13 § 5 § 4 Verhaltensverantwortlichkeit § 14 § 6 § 5 Zustandsverantwortlichkeit § 15 § 7 § 6 Unmittelbare Ausführung § 16 § 8 § 7 Maßnahmen gegenüber Unbeteiligten § 17 § 9 (sog. Nichtstörer) §§ 9 ff. Polizeiverordnungen §§ 32 ff. (-) § 21 Platzverweis, Aufenthaltsverbot, Wohnungsverweisung § 20 Platzverweisung Aufenthaltsverbot (-) Wohnungsverweisung (-) § 22 Gewahrsam (-) §§ 22-26 § 23 Durchsuchung von Personen § 21 § 27 § 24 Durchsuchung von Sachen § 22 § 28 § 25 Betreten und Durchsuchung §§ 23, 24 §§ 29, 30 von Wohnungen § 26 Sicherstellung § 25 § 31 § 27 Beschlagnahme (-) (-) § 29 Verwahrung sichergestellter und beschlagnahmter Sachen Jura Intensiv §§ 26-28 §§ 32-34 § 18 Platzverweisung § 19 Wohnungsverweisung, neu: Kontaktverbot neu: § 20 Meldeauflage neu: § 21 Aufenthaltsanordnung, Kontaktverbot
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