654 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 12/2019 Kriterium „Einfügen“ Kriterium „Grundstücksfläche, überbaut werden soll“ die BVerwG, NVwZ 1989, 354; BRS 74 Nr. 95 Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 34 Rn 47 Detailwissen zu § 23 BauNVO wird in der Examensklausur nicht erwartet. Die entscheidenden Argumente dürften sich insoweit im Vortrag der Beteiligten finden. Diese Argumente gilt es herauszuarbeiten und auszuwerten. Subsumtion des konkreten Sachverhalts OVG Weimar, BauR 2018, 485 m.w.N. OVG Münster, BauR 2008, 1853 Stellplätze können auch außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche zugelassen werden. In die nähere Umgebung fügt sich ein Vorhaben im Allgemeinen dann im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ein, wenn es sich hinsichtlich der dort aufgeführten einzelnen Merkmale innerhalb des aus seiner Umgebung hervorgehenden „Rahmens“ hält. Ein den vorgegebenen „Rahmen“ überschreitendes Vorhaben fügt sich dennoch ausnahmsweise in die Eigenart der näheren Umgebung ein, wenn es weder selbst, noch infolge einer mit ihm einhergehenden Vorbildwirkung geeignet ist, bodenrechtlich beachtliche Spannungen herbeizuführen oder zu erhöhen, die sich nur durch eine Bauleitplanung bewältigen lassen. Mit dem Merkmal der „Grundstücksfläche, die überbaut werden soll“ ist die konkrete Größe der baulichen Anlage und ihre räumliche Lage innerhalb der vorhandenen Bebauung gemeint; es geht um den Standort des Vorhabens im Sinne von § 23 BauNVO. Zur näheren Konkretisierung kann auf die Begriffsbestimmungen in § 23 BauNVO zur „überbaubaren Grundstücksfläche“ zurückgegriffen werden. Den nach § 34 Abs. 1 BauGB maßgeblichen „Rahmen“ bilden in Bezug auf die überbaubare Grundstücksfläche nur die in der näheren Umgebung vorhandenen Hauptgebäude. Dies ergibt sich schon daraus, dass das Bauplanungsrecht in § 23 Abs. 5 BauNVO für die räumliche Lage von Nebenanlagen im Sinne des § 14 BauNVO sowie von (sonstigen) in den Abstandsflächen zulässigen baulichen Anlagen gewisse Erleichterungen vorsieht. Dementsprechend ist bei der Frage des Einfügens nach der überbaubaren Grundstücksfläche zwischen Hauptgebäuden auf der einen und Nebenanlagen sowie (sonstigen) in den Abstandsflächen zulässigen baulichen Anlagen auf der anderen Seite zu differenzieren. Stellt man auf die in der näheren Umgebung vorhandenen Hauptgebäude entlang der A-Straße im hier maßgeblichen Bereich ab, ergibt sich ohne weiteres, dass zu dieser Straße hin jeweils eine vordere faktische Baugrenze existiert. Die in den Vorgartenbereichen vorhandenen versiegelten Flächen wie etwa die auf einer Reihe von Grundstücken entlang der Ostseite vorhandenen Zufahrten haben nicht zur Folge, dass sich die vordere Baugrenze entsprechend in Richtung Straße „verschiebt“ und sich deshalb Stellplätze im Vorgartenbereich innerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen befinden würden. Vielmehr handelt es sich bei Zufahrten ebenso wie bei Stellplätzen um in den Abstandsflächen zulässige bauliche Anlagen, die dementsprechend gerade auch außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen zulässig sein können (vgl. dazu § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO). Jura Intensiv Zu erwägen sein kann dementsprechend nur, ob der streitgegenständliche Stellplatz bauplanungsrechtlich zulässig ist, obwohl er außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche errichtet worden ist. Grundsätzlich gilt nach der auch bei der Beurteilung nach § 34 Abs. 1 BauGB entsprechend heranzuziehenden Bestimmung des § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO, dass Gebäude oder Gebäudeteile eine Baugrenze nicht überschreiten dürfen. Entsprechendes gilt entgegen dem zu eng gefassten Wortlaut der Bestimmung auch für alle anderen baulichen Anlagen, also auch für Stellplätze. Stellplätze sind damit aber außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen nicht generell unzulässig. Vielmehr können sie in beplanten Gebieten von der Bauaufsichtsbehörde nach der dann unmittelbar anwendbaren Vorschrift des § 23 Abs. 5 BauNVO zugelassen werden. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
RA 12/2019 Referendarteil: Öffentliches Recht 655 Die Zulassung von Stellplätzen beurteilt sich dabei nach § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO. Die Ermessensentscheidung darf nur auf städtebauliche Gründe wie z. B. das Freihalten von Vorgartenflächen von baulichen Anlagen gestützt werden. Im unbeplanten Innenbereich scheidet eine Ermessensentscheidung der Behörde zwar aus, weil nach § 34 Abs. 1 BauGB eine gebundene Entscheidung zu treffen ist. Die materiellen Maßstäbe des § 23 Abs. 5 BauNVO, nach denen bei der Ermessensentscheidung vor allem die städtebaulichen Folgen einer Zulassung von Nebenanlagen nach Satz 1 sowie von (sonstigen) baulichen Anlagen nach Satz 2 außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen zu beachten sind, sind aber auch bei der Entscheidung nach § 34 Abs. 1 BauGB von Bedeutung. Sprechen städtebauliche Gründe gegen die Zulassung befestigter Stellplätze außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen, die im Geltungsbereich eines Bebauungsplans eine ablehnende Entscheidung der zuständigen Behörde nach § 23 BauNVO rechtfertigen könnten, lässt sich bei einer Beurteilung nach § 34 Abs. 1 BauGB feststellen, dass die Stellplätze sich hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche nicht im Sinne dieser Bestimmung in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen und daher bauplanungsrechtlich unzulässig sind. Hier sprechen durchgreifende städtebauliche Gründe gegen die Zulassung des streitgegenständlichen Stellplatzes im Vorgartenbereich, zumal dieser Vorbildwirkung für weitere Stellplätze in der näheren Umgebung hätte. Dieser rückt in der hier durch ca. 4 m große Freiräume zum Straßengelände bis unmittelbar an die Straßenbegrenzung heran und überschreitet damit die vordere faktische Baugrenze deutlich. Die Erwägung der Beklagten, die Vorgärten in der näheren Umgebung erhalten und von baulichen Anlagen freihalten zu wollen, ist ein tragfähiger städtebaulicher Gesichtspunkt. [...] Die Kläger sind als Mieter des Anwesens und damit Inhaber der tatsächlichen Gewalt sowie als Bauherren des Stellplatzes die richtigen Adressaten der Nutzungsuntersagungs- und Beseitigungsanordnung gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 und 3 LBauO. Jura Intensiv Die Beklagte hat auch das ihr in § 81 Satz 1 LBauO eingeräumte Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Sie hat weder die Ermessensgrenzen überschritten noch von dem Ermessen in zweckwidriger Weise Gebrauch gemacht (§ 114 VwGO). Es ist davon auszugehen, dass die Bauaufsichtsbehörde grundsätzlich immer dann ermessensgerecht handelt, wenn sie ihrem gesetzlichen Auftrag entsprechend dafür sorgt, dass die Vorschriften des materiellen Baurechts eingehalten werden. Anhaltspunkte dafür, dass das Vorgehen der Beklagten auf grob sachwidrigen Überlegungen beruht und das Einschreiten somit willkürlich erscheint, sind nicht ersichtlich. Zunächst ist es unschädlich, dass Beweggrund für die Ordnungsverfügung der Beklagten nicht die fehlende bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Stellplatzes nach § 34 Abs. 1 BauGB, sondern der vermeintliche Verstoß gegen den von der Kammer für unwirksam gehaltenen § 9 Abs. 2 Innenstadtsatzung war. Beide Punkte betreffen die materielle Baurechtswidrigkeit des Stellplatzes. Diese hat die Beklagte zum OVG Weimar, BauR 2018, 485 m.w.N. Allgemeine Grundsätze für die Zulässigkeit von Stellplätzen außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche Subsumtion Weitere typische Formulierungen zur Einleitung: „Nach diesen Maßstäben ...“, „Unter Anwendung dieser Maßstäbe/Grundsätze ...“, „Hieran gemessen ...“ Prüfung der Störereigenschaft Mieter als Adressaten der Bauordnungsverfügung Rechtsfolge: Ermessen Typische Formulierung zur Einleitung der Prüfung der Ermessensausübung Beachte: Intendiertes Ermessen Kein Ermessensfehler, obwohl die Beklagte die materielle Illegalität falsch begründet hatte © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
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