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RA Digital - 12/2020

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622 Zivilrecht

622 Zivilrecht RA 12/2020 LEITSATZ 1. Rechtswirkungen eines Schadensersatzverlangens nach § 281 Abs. 4 und 5 BGB treten nur ein, wenn die Voraussetzungen des § 281 Abs. 1 bis 3 BGB vorliegen. 2. An dem auch für ein Schadensersatzverlangen nach § 281 Abs. 4 und 5 BGB erforderlichen fruchtlosen Ablauf einer angemessenen Frist zur Leistung fehlt es, wenn der Gläubiger während des Laufs der von ihm gesetzten Frist seinerseits vom Vertrag zurücktritt und damit zeigt, dass er an seiner Leistungsaufforderung nicht mehr festhält und auch zur eigenen Mitwirkung nicht mehr bereit ist. Achten Sie auf die Länge der Frist! Beachten Sie: B erklärt mehrmals den Rücktritt, verlangte aber nicht Schadensersatz statt der Leistung gem. § 281 IV BGB. Achten Sie auf die Erklärung des B vom 26.07.2016. Achten Sie auf die Klageerhebung des K! Ob man mit der Rücktrittserklärung (was in der Regel einfacher ist) oder mit dem Rücktrittsrecht beginnt, steht Klausurbearbeitern zur freien Wahl. Hier ist es günstiger mit dem Rücktrittsrecht zu beginnen. Problem: Voraussetzungen der Rechtswirkungen des Schadensersatzverlangens nach § 281 IV BGB Einordnung: Schuldrecht BGH, Urteil vom 14.10.2020 VIII ZR 318/19 EINLEITUNG Seit dem 01.01.2002 kann ein Gläubiger gem. § 325 BGB n.F. sowohl den Rücktritt erklären, als auch Schadensersatz statt der Leistung, ehemals „Schadensersatz wegen Nichterfüllung“, verlangen. Was dem Gläubiger, der Opfer einer Leistungsstörung geworden ist, eigentlich zum Vorteil gereichen soll, kann bei unsachgemäßer Handhabung zur Falle werden, wie diese aktuelle BGH-Entscheidung veranschaulicht. SACHVERHALT K und B schlossen am 04.06.2016 einen Kaufvertrag über einen gebrauchten Pkw zum Preis von 63.000 €. Ein Stellvertreter der K zahlte in bar 11.970 € bei B an. Die Parteien vereinbarten als Datum der Abholung und Restzahlung den 06.07.2016. Auf Wunsch der K wurde dieser Termin auf Freitag, den 08.07.2016, verschoben. An diesem Tag bat der Stellvertreter der K erneut um eine Verlegung des Abholtermins, da er sich wegen eines Todesfalls in Marokko befinde und erst in der kommenden Woche wieder in Deutschland sei. Der Geschäftsführer der B setzte daraufhin eine Frist zur Abholung und Bezahlung bis Montag, den 11.07.2016, 15 Uhr, und teilte mit, dass er andernfalls das Fahrzeug weiterverkaufen müsse. Am 11.07.2016 fragte er bei K nach, ob der Termin eingehalten werde, erhielt aber keine Antwort. Am 13.07.2016 erklärte er den Rücktritt vom Kaufvertrag und behielt sich Schadensersatzansprüche vor. Eine seitens K noch am selben Tag für die Zeit ab dem 18.07.2016 angekündigte Abholung des Fahrzeugs lehnte der Geschäftsführer der B ab, erklärte erneut den Rücktritt vom Kaufvertrag und behielt sich wiederum Schadensersatzansprüche vor. Am 18.07.2016 verkaufte B das Fahrzeug anderweitig. Dies teilte sie K unter Hinweis darauf mit, dass die Anzahlung abzüglich des Schadens zurückgezahlt werde. Am 22.07.2016 forderte K die B zur Rückzahlung der geleisteten Anzahlung auf. B teilte K am 26.07.2016 schriftlich mit, sie beziffere ihren Schaden auf 4.727,50 € und werde diesen Betrag von der Anzahlung abziehen. Danach zahlte B den angezahlten Kaufpreis abzüglich des Betrages von 4.727,50 € an K zurück. Der Aufforderung der K, auch den einbehaltenen Restbetrag auszuzahlen, begegnete B mit der endgültigen Verweigerung. K verlangt nunmehr mit zulässiger Klage von B die Rückzahlung der 4.727,50 €. Zu Recht, wenn sich B im Prozess erfüllungsbereit zeigt? Jura Intensiv LÖSUNG Die zulässige Klage der K ist begründet, wenn ihr ein Zahlungsanspruch gegen die B in Höhe von 4.727,50 € zusteht. A. Anspruch aus Rückgewährschuldverhältnis gem. § 346 I BGB K könnte gegen B ein Anspruch auf Rückzahlung der 4.727,50 € aus einem Rückgewährschuldverhältnis gem. § 346 I BGB zustehen. Dies setzt eine Rücktrittserklärung sowie ein Rücktrittsrecht voraus. Ferner darf der Rücktritt nicht gem. § 218 BGB unwirksam sein. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 12/2020 Zivilrecht 623 I. Rücktrittsrecht der K gem. § 323 I Alt. 1 BGB K könnte ein Rücktrittsrecht gem. § 323 I Alt. 1 BGB haben. Dies erfordert einen gegenseitigen Vertrag. Ein solcher kam zwischen K und B am 04.06.2016 zustande. Ferner muss B eine Leistung bis zum Ablauf einer angemessenen Nachfrist nicht erbracht haben, obwohl K ein fälliger und durchsetzbarer Anspruch auf diese Leistung zugestanden hat. 1. Fälliger und durchsetzbarer Anspruch der K aus § 433 I BGB Ein solcher Anspruch der K ergibt sich zunächst aus § 433 I BGB. Jedoch könnte dieser Anspruch erloschen sein. a) Erlöschen des Anspruchs durch Rücktritt der B Der Anspruch der K könnte nämlich durch den seitens des Geschäftsführers der B am 13.07.2016 erklärten Rücktritt gem. §§ 346 I, 349, 323 I BGB durch Umwandlung in ein Rückgewährschuldverhältnis erloschen sein. Hierzu müsste der B ein Rücktrittsrecht zugestanden haben. In Betracht kommt ein Rücktrittsrecht der B gem. § 323 I Alt. 1 BGB. Dies erfordert einen fälligen und durchsetzbaren Anspruch der B, der bis zum erfolglosen Ablauf einer angemessenen Nachfrist zur Leistung nicht erfüllt wurde. Der Anspruch der B auf Zahlung des restlichen Kaufpreises sowie auf Abnahme des PKW ergibt sich aus dem am 04.06.2016 geschlossenen Kaufvertrag. Fraglich ist aber, ob B der K eine angemessene Frist zur Leistung gesetzt hatte und ob diese am 13.07.2016 bereits abgelaufen war. [12] Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die von der Beklagten gesetzte Frist zur Abholung und Bezahlung nicht angemessen war. (…) [13] Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die unangemessen kurze Frist zwar eine angemessene Frist in Gang gesetzt hat (…). Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht weiter zu Grunde gelegt, dass die Frist aber jedenfalls im Zeitpunkt der Rücktrittserklärungen der Beklagten am 13. Juli 2016 noch nicht abgelaufen war und diese damit unwirksam waren. Jura Intensiv Auf einen Fristablauf käme es nicht an, wenn ein Fall des § 323 II BGB einschlägig wäre. Jedoch hat K weder die Zahlung endgültig und ernsthaft verweigert, weshalb ein Fall des § 323 II Nr. 1 BGB nicht vorliegt, noch haben die Parteien eine Leistungspflicht zeitlich im Sinne des § 323 II Nr. 2 BGB fixiert. Damit steht fest, dass der Rücktritt der B vom 13.07.2016 nicht wirksam ist. b) Erlöschen des Anspruchs durch Schadensersatzverlangen gem. § 281 IV BGB Fraglich ist, ob der Anspruch der K aus § 433 I BGB gem. § 281 IV BGB erloschen ist, indem B am 26.07.2016 Schadensersatz statt der ganzen Leistung in Höhe des einbehaltenen Betrages geltend gemacht hat. Das Verlangen im Sinne des § 281 IV BGB ist eine geschäftsähnliche Handlung mit Gestaltungswirkung. § 281 I, II BGB enthält ähnliche Voraussetzungen wie § 323 I BGB, nämlich entweder den erfolglosen Ablauf einer angemessenen Nachrist oder eine Verweigerung des Schuldners. Fraglich ist, ob das Vorliegen dieser Voraussetzungen für ein Schadensersatzverlangen gem. § 281 IV BGB erforderlich ist. Rücktrittserklärung des Geschäftsführers der B am 13.07.2016 Rücktrittsrecht der B am 13.07.2016 aus § 323 I Alt. 1 BGB? Die Überprüfung, ob die Frist angemessen ist, obliegt dem Tatgericht, hier zuerst dem AG Köln und dann dem LG Köln. Der BGH überprüft nur, ob der Begriff der Angemessenheit verkannt wurde oder ob Maßstäbe zugrunde gelegt wurden, die gegen allgemeine Erfahrungssätze verstoßen. Kein Fristablauf am 13.07.2016 Hier liegt der Grund für die Revisionsentscheidung des BGH. Müssen die Voraussetzungen des § 281 I, II, III BGB vorliegen, wenn ein Gläubiger gem. § 281 IV BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangt? Zur Rechtsnatur des § 281 IV BGB, Münch.Komm./Ernst, BGB, § 281, Rn 98 © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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