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RA Digital - 12/2020

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Editorial

Editorial RA 12/2020 Verpfänder das Recht zum Widerruf auch in einer einfachen Haustürsituation zu. Entscheidend sollte sein, dass der Bürge die Erklärung in der Haustürsituation abgegeben hatte. Bis 2014 kehrte Ruhe ein. Die Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU (VRRL) trat im Jahr 2011 in Kraft und ordnete außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge ebenso neu wie Fernabsatzgeschäfte. Als Vollharmonisierungsrichtlinie bestimmte sie, dass die Mitgliedsstaaten weder von den Bestimmungen der Richtlinie abweichende innerstaatliche Rechtsvorschriften aufrechterhalten, noch solche einführen durften, was sowohl für strengere als auch für weniger strenge Rechtsvorschriften zur Gewährleistung eines anderen Verbraucherschutzniveaus galt. Die Umsetzung führte zur Neuregelung der §§ 312 ff. BGB. Infolgedessen richtet sich das Widerrufsrecht der Verbraucher seit dem 13.06.2014 bei außerhalb von geschlossenen Verträgen, gemeint sind u.a. Haustürgeschäfte, nach den §§ 310 III, 312, 312b, 312g BGB. In § 312 BGB finden sich zwei entscheidende Worte, die § 1 Haustürwiderrufsgesetz nicht enthielt, nämlich „des Unternehmers“. Diese zwei Worte ändern nach Ansicht des XI. Zivilsenates nunmehr alles. Aus der Formulierung „entgeltliche Leistung des Unternehmers“ und dem systematischen Zusammenhang mit dem Begriff „Verbrauchervertrag“ in § 310 III BGB müsse zwingend geschlossen werden, dass dem Bürgen kein Widerrufsrecht gem. § 312g BGB zustehe. Das Entgelt müsse innerhalb des Verbrauchervertrages dem Verbraucher zufließen, also dem Bürgen und nicht dem Hauptschuldner. Von den weiteren Begründungen des BGH und seiner ausführlichen Bezugnahme auf das Gesetzgebungsverfahren erfahren Sie, liebe Leserinnen und Leser der RA, auf Seite 617 in dieser Ausgabe. Die Entscheidung ist äußerst examensrelevant. Einen intensiven Blick sollten Sie auf das Urteil des VerfG Potsdam auf Seite 645 werfen. Es ist nach dem Urteil des VerfGH Weimar vom 15.07.2020 (VerfGH 2/20, RA 9/2020, 477) bereits die zweite Entscheidung zur sog. Paritätsgesetzgebung, die wir in der RA publizieren. Es handelt sich aktuell um eines der examensrelevantesten Themen des Staatsorganisationsrechts. Die Redaktion der RA wünscht allen Lesern ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Start in ein glückliches und erfolgreiches Jahr 2021. Rechtsanwalt Oliver Soltner Franchisenehmer von Jura Intensiv Frankfurt, Gießen, Heidelberg, Mainz, Mannheim und Marburg IMPRESSUM Herausgeberin: Chefredaktion: Redakteure: Bezugspreis: Werbung: Jura Intensiv Jura Intensiv Verlags UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG, Duisburger Straße 95, 46535 Dinslaken, Tel.: 02064/8275757 Internet: verlag.jura-intensiv.de - E-Mail: info@verlag.jura-intensiv.de Rechtsanwalt Oliver Soltner (V.i.S.d.P.) Rechtsanwalt Oliver Soltner & Rechtsanwalt Dr. Dominik Jan Sauer, LL.M. (Zivilrecht) Assessor Dr. Dirk Schweinberger (Nebengebiete) Rechtsanwalt Dr. Dirk Kues (Öffentliches Recht) Rechtsanwalt Uwe Schumacher (Strafrecht) Printausgabe: 6,50 Euro/Heft. 12 Hefte pro Jahr. Ermäßigungen für Abonnenten. Digitalausgabe: 5,99 Euro/Heft. Die RA steht externer Werbung offen. Mediadaten sind unter info@verlag.jura-intensiv.de erhältlich. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 12/2020 ZIVILRECHT Zivilrecht 617 Problem: Kein Widerrufsrecht des Bürgen gem. § 312g BGB Einordnung: Allgemeines Schuldrecht, Bürgschaftsrecht BGH, Urteil vom 22.09.2020 XI ZR 219/19 (leicht abgewandelt) EINLEITUNG Mit der vorliegenden Entscheidung beendet der BGH eine jahrzehntelange Diskussion mit einem Machtwort. Aufgrund der Neuregelung des § 312 I BGB steht Bürgen kein Widerrufsrecht gem. §§ 312, 312g BGB mehr zu. Die Vorinstanz, das OLG Hamburg, war in seiner Entscheidung vom 26.04.2019, 13 U 51/18, noch der bisherigen Rechtsprechung zu § 312 I 1 Nr. 1 BGB in der Fassung bis zum 12.06.2014 gefolgt und hatte dem Bürgen ein Widerrufsrecht zuerkannt. SACHVERHALT K ist eine Bank. Sie räumte der S-GmbH (S) mit Vertrag vom 22.12.2015 einen Kontokorrentkredit über 300.000 € zu einem Zinssatz von 7,5% per annum ein. B war geschäftsführender Alleingesellschafter der S und übernahm zugunsten der K eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zu einem Höchstbetrag von 170.000 €, die sämtliche Ansprüche aus dem Kreditvertrag sicherte. Die Bürgschaftserklärung gab B in Anwesenheit eines Mitarbeiters der K am 22.12.2015 in den Geschäftsräumen der S schriftlich ab. Über ein Widerrufsrecht wurde er nicht belehrt. Nachdem ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der S gestellt worden war, kündigte K den Kontokorrentkredit mit Schreiben vom 26.04.2016 fristlos und stellte einen Saldo in Höhe von 295.779,65 € zur Rückzahlung fällig. Mit Schreiben vom 01.06.2016 forderte sie B zur Zahlung des Höchstbetrages von 170.000 € bis zum 29.06.2016 auf. B erklärte mit dem K zugegangenen Schreiben vom 21.09.2016 den Widerruf seiner auf Abschluss des Bürgschaftsvertrages vom 22.12.2015 gerichteten Willenserklärung. Zu Recht? LÖSUNG Jura Intensiv A. Ansprüche der K gegen B auf Zahlung von 170.000 € aus der Bürgschaft gem. § 765 BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung von 170.000 € aus der Bürgschaftsverpflichtung gem. § 765 I BGB haben. I. Anspruch entstanden Ein Anspruch aus der Bürgschaftsverpflichtung erfordert das Vorliegen einer Hauptverbindlichkeit, deren Fälligkeit und den Abschluss eines wirksamen Bürgschaftsvertrages. Die Hauptverbindlichkeit aus dem Darlehensvertrag besteht zwischen K und S gem. § 488 I 2 BGB in Höhe von 295.779,65 €. Sie ist fällig. Der Bürgschaftsvertrag ist wirksam zustande gekommen. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit gem. § 138 I BGB ergeben sich nicht. Die Höhe der Bürgenverpflichtung richtet sich gem. § 767 I 1 BGB grundsätzlich nach der Hauptverbindlichkeit, jedoch haben K und B die Haftung des B zulässigerweise auf einen Höchstbetrag in Höhe von 170.000 € beschränkt. LEITSATZ Ein Bürge hat kein Widerrufsrecht gemäß § 312g BGB (Abgrenzung zu Senat, Urteil vom 9. März 1993 - XI ZR 179/92). Anders als im Originalfall beschränken wir hier die Forderung auf 170.000 €. Diese Darstellung erfolgt aus didaktischen Gründen, um den Blick auf die entscheidenden Probleme des Falles beim Widerrufsrecht zu lenken. Lassen Sie sich auch nicht durch Ihr erworbenes Wissen ablenken! Es gibt keinen Hinweis darauf, ob B die Erklärung innerhalb eines Formularvertrages abgab und damit die AGB- Regelungen der §§ 305c, 307 I BGB überhaupt greifen. Die Probleme des Falles liegen beim Widerruf. Es ist selbstverständlich möglich, die Hauptverbindlichkeit im Obersatz mitzuzitieren. Dies unterstreicht die Akzessorietät der Bürgschaft, ihren Charakter als „angelehnte Schuld“. Gleichwohl handelt es sich um eine eigenständige Verbindlichkeit. Man kann nach Wahl §§ 765 I, 488 I 2 BGB oder § 765 I BGB als Anspruchsgrundlage zitieren. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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