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RA Digital - 12/2021

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622 Zivilrecht

622 Zivilrecht RA 12/2021 Problem: Unverzüglichkeit der Mängelrüge Einordnung: Kaufrecht OLG Frankfurt, Urteil vom 19.10.2021 26 U 49/19 (abgewandelt) LEITSATZ Wird eine Sache zu einem ermäßigten Sonderpreis verkauft, führt dies nicht ohne Weiteres dazu, dass der Käufer mit einer minderwertigen Qualität und einem Ausschluss der Gewährleistungshaftung des Verkäufers rechnen muss. EINLEITUNG Gewährleistungsausschlüsse auszulegen, welche die Parteien eines beiderseitigen Handelskaufs über gebrauchte Maschinen vereinbart haben, gehört zum Alltag der Gerichte. Die vorliegende Entscheidung haben wir aus Platzgründen auf die Rückabwicklung des Kaufvertrages verkürzt, die den Kern des Rechtsstreits betreffenden Rechtsfragen werden aber vollumfänglich behandelt. SACHVERHALT V bot K im Jahr 2014 ein gebrauchtes Tischbohrwerk, eine Metallverarbeitungsmaschine, zum Preis von 150.000 € zuzüglich Mehrwertsteuer zum Kauf an. In der Beschreibung heißt es, es handele sich um ein „CNC-Tischbohrwerk in gutem Zustand nach Umrüstung/Umbauarbeiten“. Diese Arbeiten wurden in der Beschreibung wie folgt näher beschrieben: „Elektrik neue Steuerung, neue Kabel, neuer Schaltschrank, neue Motoren, neues Messsystem Mechanik neue Kugelrollspindel in Z-Achse,- Kugelrollspindeln in X und Y wurden überholt, neue Führungsbahnenabdeckungen, neue Papierbandfilteranlage, neue Rollenumlaufschuhe,- neuer Späneförderer in 2012.“ Das Baujahr dieser Maschine des Herstellers X wurde mit 1991 angegeben. K nahm das Angebot an. Im Vertrag heißt es: „Maschinen [sic!] gekauft, wie besichtigt unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung“. Ein Bauteil des Tischbohrwerks, nämlich der Spindelkasten bzw. Spindelstock, wurde erst am 22.12.2014 geliefert. Grund hierfür war, dass ein Schaden an diesem Spindelkasten vorlag, der noch bei der A AG aufgetreten war, von der V das Tischbohrwerk gebraucht erworben hatte. V hatte nach Auftreten dieses Schadens dem in Frankreich ansässigen Unternehmen „B“ den Auftrag erteilt, den Spindelkasten zu reparieren. Nach der Reparatur wurde der Spindelkasten dann zu K transportiert. K nahm eine Sichtprüfung. Am 07.01.2015 stellte V der K den Kaufpreis in Höhe von 178.500 € brutto in Rechnung. Im Januar 2015 ließ K die Maschine zu einer Firma C in der Tschechischen Republik bringen, wo sie für ihren späteren Einsatz bei einem Endkunden der K in Stadt 1 hergerichtet werden sollte. Im März 2015 wurde der Spindelkasten bei der Firma C in Tschechien in Betrieb genommen. An dieser Inbetriebnahme nahmen im Auftrag der V Mitarbeiter des Unternehmens „B“ teil. Im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2015 wurde die Maschine bei dem Endkunden der K in Stadt 1 montiert. Am 07.01.2016 trat bei der ersten Nutzung der Maschine unter Last nach ca. 30 Minuten ein Schaden an der Spindel zutage, der zur Abschaltung der Maschine führte. Als Ursache wurde ermittelt, dass wesentliche Teile der hydrostatischen Spindellagerung, der Ölkühlung sowie der Druck- und Temperaturüberwachung nicht mehr vorhanden seien. Dies war zur Zeit der Übergabe nicht ersichtlich und hätte nur unter erheblichem Aufwand durch einen Aufbau Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 12/2021 Zivilrecht 623 der Maschine auf einem eigens gefertigten Fundament und einem Testlauf erkannt werden können. Die Maschine wurde nach dem Schadensfall wieder zu dem Unternehmen „B“ nach Frankreich gebracht, um die Schadensursache aufzuklären und gegebenenfalls eine Reparatur vorzunehmen. „B“ erstellte ein Angebot über die „Reparatur der Pinole und der hydrostatischen Lager“, das eine Summe von über 60.000 € auswies. Mit Schreiben vom 02.12.2016 bezifferte K gegenüber V den ihr entstandenen Schaden und forderte V zur Nachbesserung bis zum 31.01.2017 auf. Dies wies V unter Verweis auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss zurück. Überdies ist V der Meinung, ein Gewährleistungsausschluss sei bei gebrauchten Maschinen ein Handelsbrauch gem. § 346 HGB. Ferner beruft sich V auf § 377 HGB. K verlangt von V Schadensersatz statt der ganzen Leistung in Höhe von 235.630 € zuzüglich angefallener Mehrwertsteuer für Reparaturen Zug um Zug gegen Rückgabe der Maschine. Zu Recht, wenn davon auszugehen ist, dass die dargelegten Schadenssummen den Tatsachen entsprechen? LÖSUNG A. Anspruch des K gegen V auf Zahlung von 235.630 € Schadensersatz statt der ganzen Leistung zuzüglich angefallener Mehrwertsteuer für die Reparaturen aus §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I 1 2. Fall, 281 V BGB K könnte gegen V einen Anspruch auf Zahlung von 235.630 € Schadensersatz statt der ganzen Leistung zuzüglich angefallener Mehrwertsteuer für Reparaturen aus §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I 1 2. Fall, 281 V BGB haben. I. Kaufvertrag V und K schlossen im Jahr 2014 einen Kaufvertrag. II. Mangel zur Zeit des Gefahrübergangs Mit der Übergabe der Maschine im Dezember 2014 ging gem. § 446 S. 1 BGB die Gefahr der zufälligen Verschlechterung auf K über. Die Maschine muss zu dieser Zeit mangelhaft gewesen sein. Eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 I 1 BGB haben die Parteien nicht getroffen. Die Maschine könnte aber gem. § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft gewesen sein. Danach ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Vorliegend schaltete sich die Maschine bereits beim ersten Belastungstest nach 30 Minuten ab, weil wesentliche Teile der hydrostatischen Spindellagerung, der Ölkühlung sowie der Druck- und Temperaturüberwachung nicht mehr vorhanden waren. Folglich eignet sich die Maschine nicht für die gewöhnliche Verwendung und war mithin mangelhaft gem. § 434 I 2 Nr. 2 BGB. Indem die Teile nicht erst von K ausgebaut worden waren, lag dieser Mangel auch bei Gefahrübergang vor. Jura Intensiv Im Originalfall werden die einzelnen Schadenspositionen genau aufgeschlüsselt. Aus Gründen der Verständlichkeit verzichten wir auf eine exakte Abbildung der Einzelposten. Im Vordergrund sollen der Gewährleistungsausschluss und die damit verbundenen Auslegungsfragen stehen. Voraussetzungen des § 437 BGB im Falle eines Sachmangels: • Kaufvertrag • Mangel zur Zeit des Gefahrübergangs • Kein Ausschluss der kaufrechtlichen Mängelhaftung III. Kein Ausschluss Die kaufrechtliche Mängelhaftung könnte ausgeschlossen sein. 1. Rechtsgeschäftlich vereinbarter Ausschluss Die Parteien könnten durch die Vertragsklausel mit dem Inhalt, die Maschinen seien gekauft, wie besichtigt unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung, einen Haftungsausschluss vereinbart haben. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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