Aufrufe
vor 2 Jahren

RA Digital - 12/2021

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

624 Zivilrecht

624 Zivilrecht RA 12/2021 Sehr lehrreich: Die Klausel bedeutet, dass es auf die Mängel ankommt, die für den konkreten Käufer wahrnehmbar und sichtbar sind. Ob ein Sachkundiger mehr sehen würde, ist unerheblich. Nur weil eine Maschine günstig verkauft wird, muss sie nicht von minderwertiger Qualität sein. Wozu braucht man einen ausdrücklichen Haftungsausschluss, wenn es ohnehin einen konkludent vereinbarten gibt? Das OLG Frankfurt stellt die richtige Frage und gibt die richtige Antwort. [65] Ob die Parteien im Streitfall durch die zitierte Passage in der Rechnung und deren vorbehaltlose Bezahlung durch die Klägerin wirksam einen Gewährleistungsausschluss vereinbart haben, kann jedoch offenbleiben, da sich ein solcher nach der vorliegenden Klausel nur auf einen wahrnehmbaren Mangel beziehen würde und ein solcher Mangel hier gerade nicht vorliegt. [66] Gewährleistungsausschlüsse, die an die Wendung „wie besichtigt“ anknüpfen, beziehen sich nämlich nur auf bei der Besichtigung wahrnehmbare, insbesondere sichtbare Mängel der Kaufsache. Wird dabei zugleich der Bezug zu einer Besichtigung des Käufers hergestellt, kommt es auf die Wahrnehmbarkeit des Mangels durch ihn und nicht darauf an, ob eine sachkundige Person den Mangel hätte entdecken oder zumindest auf dessen Vorliegen hätte schließen können und müssen (…). [67] Im Streitfall liegt ein sichtbarer oder wahrnehmbarer Mangel gerade nicht vor. (…) [68] Aus den dargelegten Grundsätzen ergibt sich, dass versteckte Mängel von einer an die Besichtigung anknüpfenden Gewährleistungsausschlussklausel wie der im Streitfall gerade nicht erfasst sind, da sich der Gewährleistungsausschluss nach dem Wortlaut („wie besichtigt“) und dem Sinn und Zweck der Klausel lediglich auf sichtbare Mängel bezieht. Folglich erfasst der Haftungsausschluss nicht diesen verdeckten Mangel. 2. Konkludent getroffener Haftungsausschluss Fraglich ist, ob sich die Parteien aufgrund des Alters der Maschine konkludent auf einen Haftungsausschluss geeinigt haben. [69] Ein weiterreichender konkludenter Gewährleistungsausschluss ist im Streitfall auch eingedenk des Alters und der Betriebslaufzeit der Maschine nicht anzunehmen. Zum einen führt selbst der Umstand, dass eine Kaufsache zu einem ermäßigten Sonderpreis verkauft wird, nicht ohne Weiteres dazu, dass der Käufer mit einer minderwertigen Qualität und einem Ausschluss der Gewährleistungshaftung des Verkäufers rechnen muss (…). Zum anderen erscheint es mehr als fragwürdig, eine in einer Rechnung enthaltene schriftliche Gewährleistungsausschlussklausel, die sich - wie dargelegt - nicht auf versteckte Mängel erstreckt, über die Annahme eines weiterreichenden (vorherigen) konkludenten Gewährleistungsausschlusses zu überspielen. Jura Intensiv Fraglich ist aber, ob, wie V meint, ein solcher Ausschluss nicht einem gem. § 346 HGB bei einem beiderseitigen Handelskauf zu berücksichtigen Handelskauf entspricht. [71] Der Vortrag der Beklagten hinsichtlich eines Handelsbrauches (§ 346 HGB) ist unsubstantiiert und damit unbeachtlich. Darauf hat der erkennende Einzelrichter die Beklagte bereits mit Beschluss vom 31. Mai 2021 (…) hingewiesen. [72] Für die schlüssige Darstellung eines Handelsbrauchs genügt nämlich nicht die bloße Behauptung, in einem bestimmten Geschäftsbereich werde üblicherweise etwas in einer bestimmten Weise gehandhabt. Ein solcher Vortrag erschöpft sich in der rechtlichen Aussage, die in § 346 HGB bestimmten Voraussetzungen für einen Handelsbrauch seien erfüllt, und gibt hierfür keine Tatsachen an (…). Unerlässlich ist vielmehr der Vortrag Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 12/2021 Zivilrecht 625 konkreter Anknüpfungstatsachen, die den Schluss auf eine in räumlicher, zeitlicher und personeller Hinsicht ausreichende einheitliche, auf Konsens der beteiligten Kreise hindeutende Verkehrsübung in Bezug auf einen bestimmten Vorgang zulassen (…). Hieran fehlt es im Streitfall. Der diesbezügliche Vortrag der Beklagten (…) ist ganz allgemein und abstrakt gehalten. Es obliegt demjenigen, der sich auf einen Handelsbrauch gem. § 346 HGB beruft, die nebenstehenden Voraussetzungen des konkreten Handelsbrauchs darzulegen. Folglich liegt auch kein Gewährleistungsausschluss aufgrund eines gem. § 346 HGB zu berücksichtigenden Handelsbrauchs vor. 3. Ausschluss der Haftung gem. § 377 HGB Ein Haftungsausschluss wäre ferner gem. § 377 I, II HGB gegeben, wenn K ihre Rügeobliegenheit verletzt hätte, indem K nur eine Sichtprüfung durchgeführt hat. [75] Gemäß § 377 Absatz 1 HGB hat eine Untersuchung der gelieferten Ware zu erfolgen, soweit dies nach ordnungsgemäßem Geschäftsgang tunlich ist. Welche Anforderungen an die Art und Weise der Untersuchung zu stellen sind, lässt sich nicht allgemein festlegen. Es ist vielmehr darauf abzustellen, welche in den Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs fallenden Maßnahmen einem ordentlichen Kaufmann im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung auch der schutzwürdigen Interessen des Verkäufers zur Erhaltung seiner Gewährleistungsrechte zugemutet werden können. Bei der hierzu vorzunehmenden Interessenabwägung ist einerseits zu berücksichtigen, dass die Vorschriften über die Mängelrüge in erster Linie den Interessen des Verkäufers dienen, der nach Möglichkeit davor geschützt werden soll, sich längere Zeit nach der Lieferung oder nach der Abnahme der Sache etwaigen, dann nur schwer feststellbaren oder durch die Untersuchung vermeidbaren Gewährleistungsansprüchen ausgesetzt zu sehen. Andererseits dürfen im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung zwischen Verkäufer und Käufer die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Untersuchung nicht überspannt werden, weil ansonsten der Verkäufer, aus dessen Einflussbereich der Mangel kommt, in die Lage versetzt werden könnte, das aus seinen eigenen fehlerhaften Leistungen herrührende Risiko über das Erfordernis der Mängelrüge auf den Käufer abzuwälzen. Anhaltspunkte für die Grenzen der Zumutbarkeit bilden vor allem der für eine Überprüfung erforderliche Kosten- und Zeitaufwand, die dem Käufer zur Verfügung stehenden technischen Prüfungsmöglichkeiten, das Erfordernis eigener technischer Kenntnisse für die Durchführung der Untersuchung beziehungsweise die Notwendigkeit, die Prüfung von Dritten vornehmen zu lassen (…). [76] Die nach § 377 Absatz 1 HGB geforderte Untersuchung muss dabei nicht von derartigem Umfang und solcher Intensität sein, dass sie nach Art einer „Rundum-Untersuchung“ alle irgendwie in Betracht kommenden Mängel der Ware erfasst (…). [77] Hierzu hat der Sachverständige G in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht schlüssig und überzeugend darlegt, dass man den Fehler nur dann hätte erkennen können, wenn man die Maschine eine entsprechende Zeit und unter Einsatzbedingungen hätte laufen lassen. (…) Aus seiner Sicht könne man dies nicht fordern (a. a. O.). Jura Intensiv Welche Anforderungen an die Untersuchungsobliegenheit des Käufers nach § 377 HGB zu stellen sind, lässt sich nicht pauschal sagen. Verkäufer soll durch eine verspätete Rüge nicht in Beweisnot geraten Keine überspannten Anforderungen an den Käufer stellen Keine Rundum-Untersuchung erforderlich © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

RA - Digital

Rspr. des Monats