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RA Digital - 12/2021

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634 Referendarteil:

634 Referendarteil: Zivilrecht RA 12/2021 Aktuelle Anträge sind hervorzuheben. Dies erfolgt stets durch Einrücken, Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 313 Rn 19. Klassiker: Unbezifferte Klageanträge sind hier ausnahmsweise kein Verstoß gegen § 253 II Nr. 2 ZPO, Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 253 Rn 12. Vorab ausnahmsweise Ausführungen zur Zulässigkeit der Klage. Hier erfolgen Ausführungen zur Zulässigkeit zum unbezifferten Klageantrag. Die Ausführungen finden Sie auch in Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 253 Rn 12. Typischer Aufbau moderner Gesetze: Vor den Schluss-, Übergangs- und ggf. Bußgeldbestimmungen erfolgt auch die Anspruchsgrundlage für die Schadensersatzforderung. Tatbestandlich müssen dann die einzelnen behaupteten Pflichtverstöße im Gesetz „gesucht“ werden. Art. 82 I DSGVO dürfte sich als erste zu prüfende Norm aufgrund der Verschuldensvermutung gemäß Art. 82 III DSGVO anbieten. Prüfung, ob der Anspruch der F überhaupt an den K abgetreten werden konnte Prüfung des ersten Verstoßes gegen Art. 33 DSGVO Der Kläger beantragt, 1. die Beklagte zu verurteilen, als Ersatz für immaterielle Schäden, die wegen der Verstöße der Beklagten gegen die DSGVO entstanden sind, an ihn – den Kläger – ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, zumindest aber 30.000 €, nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem (…) zu zahlen; 2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.842,12 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem (…) zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. B behauptet, F habe auf die Übermittlung per USB-Stick bestanden. Zudem hätte der K den USB-Stick selbst verschlüsseln müssen, wenn er dies für erforderlich gehalten hätte. B behauptet weiter, dass die F die Rückgabe des USB- Sticks mehrfach gefordert habe. Dabei habe sie – die Ehefrau des K – jedoch weder eine vorherige Verschlüsselung gefordert noch um eine bestimmte Rückgabeform gebeten. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Klage ist nicht aufgrund eines Verstoßes gegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig. Eine Verletzung des normierten Bestimmtheitsgrundsatzes liegt nicht vor, wenn die Bestimmung des Betrages von einer gerichtlichen Schätzung nach § 287 ZPO oder vom billigen Ermessen des Gerichts abhängig ist. [30] (…) Die nötige Bestimmtheit soll hier dadurch erreicht werden, dass der Kläger in der Klagebegründung die Berechnungs- bzw. Schätzungsgrundlagen umfassend darzulegen und die Größenordnung seiner Vorstellungen anzugeben hat (…). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Kläger hat sowohl in der Klagebegründung als auch bereits in dem Klageantrag zu 1) einen Mindestbetrag von 30.000,00 € angegeben. Jura Intensiv Dem K steht gegen die B der geltend gemachte immaterielle Schadensersatzanspruch aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Ein Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus Art. 82 I DSGVO. Die Aktivlegitimation besteht – neben der Geltendmachung seiner eigenen Forderung – auch hinsichtlich des Anspruchs der F. Aufgrund des Abtretungsvertrags vom (…) ist der K gem. § 398 BGB Forderungsinhaber geworden. [36] Ein Abtretungsverbot nach §§ 399, 400 BGB besteht nicht. Die vermeintliche Forderung der Ehefrau des Klägers gegen die Beklagte unterliegt weder der Pfändung (§ 400 BGB) noch wurde die Abtretung durch Vereinbarung ausgeschlossen oder erfordert die Abtretung eine Inhaltsänderung der Leistung (§ 399 BGB). Ein beklagtenseitiger Verstoß gegen § 33 DSGVO liegt vor. Eine hiernach erforderliche Meldung erfolgte nicht. Unerheblich ist, dass sowohl K als auch F bereits Kenntnis von dem behaupteten Datenverlust hatten. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 12/2021 Referendarteil: Zivilrecht 635 [39] (…) Denn die Meldepflicht dient zum einen der Minimierung der negativen Auswirkungen von Datenschutzverletzungen durch Publizität gegenüber der Aufsichtsbehörde (und dem Betroffenen). Gleichzeitig gewährt die Vorschrift so vorbeugenden Schutz der informationellen Selbstbestimmung des Betroffenen, indem sie Anreize zur Vermeidung zukünftiger Verletzungen beim Verantwortlichen setzt. Die Vorschrift dient also nicht nur dem Schutz des Betroffenen. Die Meldung gegenüber der Aufsichtsbehörde ermöglicht es dieser, über Maßnahmen zur Eindämmung und Ahndung der Rechtsverletzung zu entscheiden (…). Insofern genügt bereits ein solch formeller Verstoß gegen die DSGVO zur Begründung eines Schadensersatzanspruches dem Grunde nach (BeckOK DatenschutzR/Quaas, 37. Ed. 1.8.2021, DS-GVO Art. 82 Rn. 14). [40] Zudem liegt ein Verstoß gegen Art. 34 Abs. 2 DSGVO vor. (…) Die Informationspflichten des Art. 34 DSGVO sehen über die reine Information über den Datenverlust selbst hinaus jedoch vor, dass die in Art. 33 Abs. 3 lit. b - d DSGVO genannten Informationen und Maßnahmen auch dem Betroffenen – hier dem Kläger und seiner Ehefrau – mitgeteilt werden. Dies ist jedoch – unstreitig – nicht erfolgt. Weitere Verstöße liegen nicht vor. Insbesondere nicht gegen Art. 24, 25 Abs. 1, 32 DSGVO. Die Pflichten zur Risikominimierung hat die B nicht verletzt. Erstens erfolgte der Verlust der Daten nicht im Hause der B, zweitens erfolgte die Rücksendung des USB-Sticks per einfachem Brief ohne datenschutzrechtliche Bedenken. [44] (…) Von verschiedensten Stellen werden ausgedruckte Dokumente mit sensiblen Informationen, z.B. Steuerbescheide, Schreiben von Anwälten und Steuerberatern o.Ä., mit einfacher Post versandt. Hiergegen ist ebenfalls nichts einzuwenden; eine irgendwie geartete Pflichtverletzung der handelnden Stellen ist nicht ersichtlich. Weshalb zwischen ausgedruckten Dokumenten, die naturgemäß unverschlüsselt übersandt werden, und digitalen Dokumenten auf einem unverschlüsselten USB-Stick im Zuge der postalischen Übermittlung unterschieden werden soll, erschließt sich der Kammer nicht. Jura Intensiv Weitere Formerfordernisse bestanden nicht. Insbesondere wurde seitens des K oder der F keine persönliche Übergabe des USB-Sticks gefordert. Für die Rechtsfolgenseite gilt § 253 I BGB. Die Ermittlung der Höhe der Summe obliegt dem Gericht nach § 287 ZPO. Als Bemessungskriterien kann auf die in Art. 83 II 2 DSGVO enthaltenen Kriterien Bezug genommen werden. Ungeachtet dieser Kriterien bedarf es aber stets einer Rechtsgutverletzung beim Anspruchssteller. Hieran fehlt es in diesem Fall. K hat nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass ihm und seiner Ehefrau ein konkreter immaterieller Schaden entstanden ist. [49] Allein die – etwaige – Verletzung des Datenschutzrechts als solche begründet allerdings nicht bereits für sich gesehen einen Schadensersatzanspruch für betroffene Personen. Die Verletzungshandlung muss in jedem Fall auch zu einer konkreten, nicht nur unbedeutenden oder empfundenen Verletzung von Persönlichkeitsrechten der betroffenen Personen geführt haben (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 04.09.2020 - 324 S 9/19). Es ist zwar eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts Argumentation dahingehend, ob ein Verstoß gegen Art. 33 DSGVO überhaupt vorliegen kann, wenn die ggf. Betroffenen – hier der K und die F – bereits zuvor Kenntnis hatten Ergebnis: Bejahung der Mitteilungspflicht an die Aufsichtsbehörde, da die Kenntnis des Betroffenen nicht der alleinige Schutzzweck der Norm ist (Sie müssen die hier relevanten Normen lesen; dies ist insbesondere bei unbekannten Normen für ein nachhaltiges Lernen dringend zu empfehlen.) Außerdem hätten die Betroffenen detaillierter informiert werden müssen. Weitere Pflichtverletzungen erfolgten nicht. Lebensnahe und praxisrelevante Ausführung. Die Sicherheit, die im elektronischen Verkehr bspw. über die qualifizierte Signatur erzeugt werden soll, um Zugriffe Dritter auf die Daten zu verhindern, erfolgt im analogen Postverkehr nicht, sondern wird letzten Endes allenfalls über das StGB erzeugt. Das Versenden von digitalen Inhalten über analoge Medien führt nicht zu erhöhten Anforderungen an den Postversand. Hier muss in der Akte ein gerichtlicher Hinweis gem. § 139 I 2 ZPO erfolgt sein. Dies kann bereits im Rahmen der prozessleitenden Verfügung gemäß §§ 272 II, 276 ZPO erfolgen, falls der Richter zu diesem Zeitpunkt die Klage überhaupt detailliert liest oder zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die mündliche Verhandlung vorbereitet wird. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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