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RA Digital - 12/2021

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

640 Referendarteil:

640 Referendarteil: Zivilrecht RA 12/2021 Zinsanspruch für „Prozesszinsen“ Nebenentscheidungen: § 708 Nr. 7 ZPO ist nicht einschlägig, da weder Überlassung, Benutzung oder Räumung noch Fortsetzung des Mietverhältnisses streitgegenständlich sind, sondern ausschließlich behauptete Zahlungsansprüche aus einem beendeten Mietverhältnis, vgl. auch Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 708 Rn 8. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 280 I, 291 I 1, 288 I BGB. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I 1, 709 ZPO. FAZIT Das Widerrufsrecht ist aufgrund der Europäisierung des Verbraucherschutzrechts stark dynamisch und bedarf auch in der Ausbildung einer stetigen Beachtung. Aufgrund dieses Umstandes sowie wegen des Umfangs der Normen, der wachsenden Anzahl an Querverweisungen, Ausnahmen und Rückausnahmen sowie Regelungen zu Gegenansprüchen, eignen sich solche Fälle besonders gut für Klausuren im Staatsexamen. Auch diese Entscheidung kann sowohl für eine Urteilsklausur als auch hervorragend für eine Klausur, welche eine anwaltliche Beratung zum Gegenstand hat, verwendet werden, da die Rechtsausübung, beispielsweise die des Mieters, erheblich davon geprägt ist, ob er Gegenansprüchen ausgesetzt ist oder nicht. Auch die Auslegungsmöglichkeiten des Begriffes „Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen“ im Rahmen des § 357 VIII 1 BGB eignen sich als Prüfungsaufgabe. So kann der Begriff einerseits im Rahmen einer systematischen auf das BGB bezogenen Auslegung deutlich von einem Mietvertrag unterschieden werden, da hier beide Vertragstypen (§§ 535 ff. BGB sowie §§ 611 ff. BGB) besonders geregelt sind, andererseits kann auch eine europarechtsorientierte Auslegung erfolgen. Hiernach ist aufgrund des Art. 2 Nr. 6 RL 2011/83/EU davon auszugehen, dass ein Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen sich „nur“ von einem Kaufvertrag abgrenzt. So heißt es in der Richtlinie: „Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnen die Ausdrücke „Dienstleistungsvertrag“ jeden Vertrag, der kein Kaufvertrag ist und nach dem der Unternehmer eine Dienstleistung, einschließlich einer digitalen Dienstleistung, für den Verbraucher erbringt oder deren Erbringung zusagt.“ In diesem Zusammenhang sind beide Ergebnisse vertretbar. Für die erste Auffassung spricht, neben der Systematik des BGB und der Befugnis des Gesetzgebers, im Rahmen des Transformationsprozesses Begrifflichkeiten – europarechtskonform – unmissverständlich zu verwenden, die fehlende Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers. Der Mieter zieht in eine neue Wohnung, verlagert den Mittelpunkt seines Lebens und ist mit dem Mietobjekt daher naturgemäß dauerhaft täglich konfrontiert. Eine Loslösung aufgrund fehlender Erkenntnis bzgl. der Tragweite der getroffenen Entscheidung (Vertragsschluss) oder des Inhaltes der Erklärung bis zu einem Jahr erschließt sich nicht. Für die andere Auffassung spricht, dass transformiertes EU-Recht den inhaltlichen Anforderungen an Sekundärrecht entsprechen muss. Zu den Dienstleistungen in diesem Sinne zählen daher auch Mietverträge. Die Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers ergibt sich aus dem Umstand, dass dieser die Wohnung noch nicht besichtigt hat, arg. ex § 312 IV 2 BGB, und ein „drohender“ Wertersatzanspruch des Unternehmers die Geltendmachung faktisch verhindern würde. Die Kammer hat die Revision gemäß § 543 II 1 Nr. 1 ZPO zugelassen. Wir halten Sie auf dem Laufenden. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 12/2021 NEBENGEBIETE Nebengebiete 641 Gesellschaftsrecht Problem: Prozessführungsbefugnis in einer GbR Einordnung: Abgrenzung zur actio pro socio BGH, Urteil vom 07.07.2021 VIII ZR 52/20 EINLEITUNG Wegen der – inzwischen allgemein anerkannten – Rechtsfähigkeit der (Außen-)GbR kann diese die ihr zugeordneten Rechte auch prozessual geltend machen. Wer die Gesellschaft dabei vertritt, richtet sich nach den gesetzlichen Vorgaben oder nach den vertraglichen Vereinbarungen, so dass entweder alle Gesellschafter für die GbR tätig werden müssen (§§ 709, 714 BGB) oder mehrere oder ein einzelner Gesellschafter seine von der GbR abgeleitete Vertretungsmacht darlegt. Anspruchsinhaberin bleibt aber stets die GbR. Fehlt die Vertretungsmacht im Prozess, ist die Klage mangels Prozessführungsbefugnis unzulässig. SACHVERHALT Eine Frau verklagte den Mieter ihrer Düsseldorfer Wohnung wegen rückständiger Miete (einschließlich Betriebskosten) und Nutzungsentschädigung von 17.000 €, zu zahlen an die vermietende GbR, bestehend aus ihr und dem von ihr getrennt lebenden Ehemann. LÖSUNG Das Berufungsgericht hat verkannt, dass über die Klage mangels Prozessführungsbefugnis der Klägerin unzulässig ist. [22] 1. Bei der Prozessführungsbefugnis handelt es sich um eine Prozessvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens, auch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen ist. [23] Ein Kläger ist prozessführungsbefugt, wenn er berechtigt ist, über das behauptete (streitige) Recht einen Prozess als Partei im eigenen Namen zu führen. Grundsätzlich ist (nur) der Inhaber eines Rechts befugt, es im eigenen Namen einzuklagen. Wer ein Recht einklagt, das nicht ihm selbst zusteht (Prozessstandschaft), muss seine Befugnis zur Führung des Prozesses dartun und notfalls beweisen. Jura Intensiv [24] Vorliegend macht die Klägerin einen der T./H. GbR zustehenden und damit einen fremden Anspruch im eigenen Namen geltend. Die Befugnis zu einer derartigen Klage hat die Klägerin bislang nicht dargelegt. [25] a) Der mit der Klage verfolgte Anspruch auf Zahlung rückständiger Miete (§ 535 II BGB) steht – sein Bestehen vorausgesetzt – der T./H. GbR zu. (…) [26] Denn Vermieterin der Wohnung ist (…) eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bestehend aus der Klägerin und deren (…) Ehemann. Allein der T./H. GbR stehen die aus dem (beendeten) Mietvertrag mit dem Beklagten folgenden Rechte und Pflichten zu. Aus diesem Vertrag ist lediglich die Gesellschaft und sind nicht die Gesellschafter unmittelbar berechtigt und verpflichtet. LEITSATZ Der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist im Allgemeinen nicht befugt, den Schuldner einer Gesellschaftsforderung im eigenen Namen – auf Leistung an die Gesellschaft – in Anspruch zu nehmen. Fehlen die von Amts wegen zu prüfenden Sachurteilsvoraussetzungen, ist die Klage unzulässig, wenn nicht eine Verweisung erfolgt. 1. Gerichtsbezogene a) Zivilrechtsweg, § 13 GVG b) Sachliche Zuständigkeit, §§ 23 ff., 71 ff. GVG c) Örtliche Zuständigkeit, §§ 12 ff. ZPO 2. Parteibezogene a) Parteifähigkeit, § 50 ZPO b) Prozessfähigkeit, § 51 I, 52 I ZPO, §§ 104 ff. BGB c) Prozessführungsbefugnis (keine Popularklage) 3. Streitgegenstandsbezogene a) Ordnungsgemäße Klageerhebung, § 253 ZPO b) Keine anderweitige Rechtshängigkeit, § 261 ZPO c) Keine entgegenstehende Rechtskraft, § 322 ZPO d) Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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