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RA Digital - 12/2021

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642 Nebengebiete

642 Nebengebiete RA 12/2021 [27] b) Damit macht die Klägerin, die im eigenen Namen und nicht als vertretungsberechtigte Gesellschafterin für die GbR klagt, einen fremden Anspruch geltend. Nach dem bislang vorgetragenen Sachverhalt kann die Prozessführungsbefugnis für eine solche Klage nicht bejaht werden; dies gilt auch unter Berücksichtigung des Klageantrags, wonach die Klägerin die Zahlung nicht an sich, sondern an die T./H. GbR begehrt. BGH, NJW 1988, 1585, 1586: „Da die Geltendmachung eines Anspruchs mit (...) Vertretungsmacht i.S. des § 714 BGB nur berechtigt, den Anspruch im Namen aller Gesellschafter geltend zu machen, kommt auch für den oder die vertretungsberechtigten Gesellschafter eine Klageerhebung im eigenen Namen nach § 432 BGB nicht in Betracht. Das allein entspricht zudem (...) im Regelfall dem Interesse der übrigen Gesellschafter und insbesondere dem des Gesellschaftsschuldners, weil dieser bei einer – sei es auch nur teilweisen – Abweisung der Klage wegen der beschränkten Rechtskraft befürchten muss, in einem weiteren Prozess von den Gesellschaftern in Anspruch genommen zu werden.“ Diese Begriffsbildung ist nicht unproblematisch. Dazu Hippeli, GWR 2018, 61, 61: [28] aa) Die Einziehung einer Gesellschaftsforderung ist bei einer Personengesellschaft ein Akt der Geschäftsführung, die grundsätzlich Aufgabe der geschäftsführenden Gesellschafter ist. Die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts können nach § 709 I BGB (…) die Geschäfte der Gesellschaft, falls nicht ein anderes vereinbart ist, nur gemeinschaftlich führen. Daraus folgt, dass sie auch nur gemeinschaftlich eine der Gesellschaft zustehende Forderung einklagen können. [29] Hierbei ist es unerheblich, dass die Klägerin auf Zahlung an die Gesellschaft bürgerlichen Rechts klagt und damit im Falle der Klagestattgabe die Leistung allen Gesamthändern – somit auch dem Mitgesellschafter T. – zugutekommt. Dieser Schutz reicht nicht aus, um die Belange der (übrigen) Gesellschafter zu wahren. Denn unabhängig vom Ausgang des Prozesses kann allein die Tatsache, dass der Rechtsstreit geführt worden ist, der Gesellschaft (mittelbar) schaden. Demgemäß braucht kein Gesellschafter zu dulden, dass ein nichtberechtigter Gesellschafter die in der klageweisen Geltendmachung einer Forderung gegen Dritte liegende Geschäftsführungsmaßnahme allein trifft und damit die gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen über die Geschäftsführungsbefugnis durchbricht. [30] bb) Selbst eine – abweichend von der gesetzlich normierten Gesamtvertretung (§ 709 I, § 714 BGB) vereinbarte – Einzelvertretungsbefugnis der Klägerin würde ihr nicht das Recht geben, den Prozess im eigenen Namen zu führen. Daher kann dahinstehen, ob ihr Vortrag, sie sei „geschäftsführende Gesellschafterin“ im Sinne einer bestehenden Einzelvertretungsbefugnis verstanden werden kann. Wurde eine solche vereinbart, hätte die Klägerin (allein) für die Gesellschaft auftreten und für diese Klage erheben können. Dies hat sie aber nicht getan, sondern ein Klagerecht für sich persönlich in Anspruch genommen. Jura Intensiv [31] 2. Sollte das Berufungsgericht (…) davon ausgegangen sein, die Klägerin könne ihre Prozessführungsbefugnis auf eine actio pro socio stützen, hat es verkannt, dass ein solcher Fall vorliegend nicht gegeben ist. [32] a) Als actio pro socio wird die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Gesellschaftsverhältnis durch einen Gesellschafter im eigenen Namen gegen einen Mitgesellschafter auf Leistung an die Gesellschaft bezeichnet. Sie wurzelt im Gesellschaftsverhältnis und ist Ausfluss des Mitgliedschaftsrechts des Gesellschafters. [33] b) Vorliegend nimmt die Klägerin jedoch nicht einen Mitgesellschafter in Anspruch, sondern den beklagten Mieter als Dritten (sogenannte actio pro societate). Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 12/2021 Nebengebiete 643 [34] c) Unter Zugrundelegung des bisherigen Sachvortrags ist der Klägerin ein solches Vorgehen auch nicht ausnahmsweise gestattet. [35] aa) Die Befugnis eines einzelnen Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, im eigenen Namen auf Leistung an die Gesellschaft zu klagen, kann im Einzelfall auf die Notkompetenz nach § 744 II BGB gestützt werden. Hiernach ist jeder Teilhaber berechtigt, die zur Erhaltung des Gegenstands notwendigen Maßregeln ohne Zustimmung der anderen Teilhaber zu treffen. [36] Es ist anerkannt, dass in analoger Anwendung dieser Vorschrift Rechte einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch einen einzelnen Gesellschafter im eigenen Namen geltend gemacht werden können. Auch Verfahrenshandlungen wie die Klage können als Erhaltungsmaßnahmen im Sinne von § 744 II BGB notwendig sein, was aber voraussetzt – und wozu vorliegend Sachvortrag fehlt –, dass gerade die Klage eines einzelnen Gesellschafters eine Maßnahme ist, die zur Erhaltung eines zur Gemeinschaft gehörenden Gegenstands erforderlich ist. [37] bb) Ferner sind in besonders gelagerten Fällen auch einzelne Gesellschafter prozessführungsbefugt, wenn die anderen Gesellschafter sich unter Zurückstellung der Gesellschaftsinteressen im bewussten Zusammenwirken mit dem Dritten weigern, an der Geltendmachung einer Gesellschaftsforderung mitzuwirken. [38] Der einzelne Gesellschafter kann immer dann eine Gesellschaftsforderung einklagen, wenn er an der Geltendmachung ein berechtigtes Interesse hat, die anderen Gesellschafter die Einziehung der Forderung aus gesellschaftswidrigen Gründen verweigern und zudem der verklagte Gesellschaftsschuldner – hier der beklagte Mieter – an dem gesellschaftswidrigen Verhalten beteiligt ist. Den klagenden Gesellschafter in einem solchen Fall auf den umständlichen Weg zu verweisen, zunächst die anderen Gesellschafter auf Mitwirkung an der Geltendmachung der Forderung zu verklagen, wäre bei Beteiligung des Beklagten am gesellschaftswidrigen Verhalten ein unnötiger Umweg (Palandt/Sprau, BGB, § 714 Rn 8). [39] Tatsachen, die hiernach ein berechtigtes Interesse der Klägerin begründen könnten, im eigenen Namen auf Leistung an die T./H. GbR zu klagen, wurden bisher nicht vorgebracht. Jura Intensiv Rspr. und Lit. verwendeten die Begrifflichkeiten actio pro socio und actio pro societate bis zuletzt oftmals synonym und grenzten diese gar nicht genau ab. Sprachlich betrachtet ist die Begriffsbildung „pro socio“ (im Namen des Gesellschafters) und „pro societate“ (für die Gesellschaft) im Hinblick auf eine Abgrenzung nach Anspruchsgegnern – worum es eigentlich geht – an sich gänzlich ungeeignet und damit bei Lichte betrachtet ein dogmatischer Missgriff. Denn gleich, ob die Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft durch einen Gesellschafter gegen Mitgesellschafter (actio pro socio) oder gegen Nichtgesellschafter – also Dritte – (actio pro societate) in Rede steht, so geht es ja doch gleichsam immer um die Geltendmachung von Ansprüchen im Namen eines Gesellschafters für die Gesellschaft. Die Bezeichnung actio pro societate geht auf eine falsche Übersetzung des Adverbs pro zurück: Dieses ist im Rahmen des Begriffs actio pro socio nicht mit „für“, sondern mit „im Namen“ zu übersetzen. Daher muss actio pro socio als Klage im Namen des Gesellschafters übersetzt werden, so dass es keiner Umbenennung in pro societate (für die Gesellschaft) bedarf (Mock, JuS 2015, 590, 591). Im Examenskurs wird das Thema behandelt im Fall „Bembel“ im Kursteil Gesellschaftsrecht. [40] cc) Ungeachtet der vorgenannten Ausnahmefälle vom Grundsatz fehlender Prozessführungsbefugnis des einzelnen Gesellschafters könnte die Klägerin den Prozess in gewillkürter Prozessstandschaft führen. Nach dem bisherigen Vorbringen liegen die hierfür erforderlichen Voraussetzungen jedoch nicht vor. [41] (1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf jemand ein fremdes Recht aufgrund einer ihm von dem Berechtigten erteilten Ermächtigung im eigenen Namen im Prozess verfolgen, sofern er hieran ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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